Androgene aktivieren Knochenzellen
Körperliche Belastung in periodischen Abständen stimuliert Osteoblasten
Knochenzellen werden durch körperliche Belastung und Hormone zum Wachstum angeregt.
Wer wie Astronautinnen in der Schwerelosigkeit arbeitet und zudem noch wenig männliche Geschlechtshormone (Androgene) hat, ist am stärksten gefährdet. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg haben herausgefunden, warum die Kombination aus körperlicher Belastung und hohem Androgenspiegel vor Knochenschwund schützt: Beide Faktoren stimulieren die Aktivität von Knochenzellen und sorgen dafür, dass diese stärker im Knochengewebe verankert werden und das Knochengerüst verfestigen. Die Ergebnisse sind in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Journal of Experimental Medicine“ veröffentlicht worden.
In Deutschland leiden derzeit ca. 6 Millionen Menschen an Knochenschwund (Osteoporose), vor allem Frauen über 60 Jahren. Die fortgeschrittene Erkrankung führt häufig zu Knochenbrüchen und macht die Betroffenen pflegebedürftig. Genetische Veranlagung und die Ernährung schon ab dem Kinderalter sind weitere wichtige Faktoren für die Entstehung der Osteoporose.
Der Einfluss von Geschlechtshormonen auf den Knochenstoffwechsel ist bekannt: Männer erkranken sehr viel seltener als Frauen an Knochenschwund, etwa im Verhältnis 5:1. Langstreckenläuferinnen, die wenig Geschlechtshormone und somit keine Regelblutung haben, zeigen eine geringere Knochendichte als Sportlerinnen mit einem intakten weiblichen Zyklus. Nicht nur die weiblichen, sondern auch die männlichen Geschlechtshormone spielen bei Frauen eine Rolle – wenn auch in niedriger Konzentration. Dennoch sind sie für die ständige Regeneration des Knochens von großer Bedeutung.
Knochenaufbau durch Belastung stimuliert. Stärkere Verankerung der Knochenzellen.
Menschliches Knochengewebe wird ständig auf- und abgebaut. Für den Aufbau sind bestimmte Knochenzellen, die Osteoblasten, zuständig, während ihre Schwesterzellen, die Osteoklasten, den Knochen abbauen, um Platz für neue Knochensubstanz zu schaffen. Die Zellen sind von der Knochenmatrix umgeben, einer „Knochenkittsubstanz“, in der verschiedene Mineralstoffe wie Calcium- und Magnesiumsalze, aber auch flexible „Mukopolysaccharide“ eingelagert sind. Die Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. Dr. Christian Kasperk, dem Leiter der Sektion Osteologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Peter Nawroth) untersuchte Knochenzellen von gesunden Männern und Frauen in einem speziellen Zellsystem, das die natürliche körperliche Belastung an entnommenen Knochenzellen nachahmt.
„Belastung in periodischen Abständen aktiviert die Knochenzellen“, erklärt Dr. Kasperk. Diese strecken quasi ihre Fühler in die umgebende Knochenmatrix aus, und heften sich an der Kittsubstanz fest. Die Verankerungen sind gleichzeitig sensible Messfühler: Sie registrieren Verformungen der Knochenmatrix, die durch Belastung ausgelöst werden. Dadurch wird der Zellstoffwechsel angeregt, neue Knochensubstanz wird gebildet und der Knochen somit stabiler. Messen konnten die Heidelberger Wissenschaftler dies an einer Zunahme des Erbmaterials DNS von Osteoblasten sowie bestimmter Wachstumsfaktoren.
Die molekulare Struktur der Zellverankerung ist weitgehend geklärt: An den Zellfortsätzen befinden sich Rezeptoren, spezielle Eiweiße, die für eine Verankerung der Zellen in der Knochenmatrix sorgen. Durch die Gabe des männlichen Geschlechtshormons Dihydrotestosteron (DHT) wird das per Belastung bereits stimulierte Zellsystem zu noch größerer Aktivität angeregt: Die männlichen und weiblichen Knochenzellen strecken verstärkt ihre Fortsätze aus und verkitten die Matrix zu einem stabilen Gerüst. Durch weibliche Geschlechtshormone wird dieser Mechanismus dagegen nicht aktiviert.
Niedriger Androgenspiegel ist ein Risikofaktor für die Osteoporose.
Welche Konsequenzen haben diese neuen Erkenntnisse für die Prävention und Behandlung der Osteoporose? „Unsere wissenschaftliche Arbeit erklärt, warum körperliche Betätigung so entscheidend für die Vorbeugung und Behandlung ist“, sagt Dr. Kasperk. Medikamente allein nützen kaum. Auch die Art der Bewegung ist von Bedeutung. Ausdauertraining, wie es Astronauten, die in der Schwerelosigkeit rapide Knochensubstanz verlieren, ursprünglich praktiziert haben, ist wenig effektiv, weil der Knochen offensichtlich immer wieder neue Impulse und Stoßbelastungen benötigt, um sich zu regenerieren.
Sind Androgene ein neue Perspektive für die Behandlung der Osteoporose? „Ältere Männer mit Testosteronmangel, aber auch Frauen im höheren Lebensalter werden bereits damit behandelt“, sagt Dr. Kasperk. In einer klinischen Studie möchte er nun untersuchen, welchen Vorteil Androgene bei beiden Geschlechtern in Verbindung mit körperlicher Betätigung bringen können, insbesondere wenn niedrige Testosteronspiegel gemessen wurden.
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