Hilfreiche Simulationen für Arzt und Patient

Prof. Dr. Georgios Sakas vom Fraunhofer IGD erhält internationalen „Brachytherapy Award“

Für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der computerunterstützten Krebstherapie wurde Prof. Dr. Georgios Sakas ausgezeichnet. Auf dem Kongress „International Brachytherapy Conference“ in Santa Fe, USA (19. – 22. Juni 2002), erhielt der Forscher vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt den „Brachytherapy Award“. Der angesehene Fachpreis würdigte die Präsentation der zukunftsträchtigen Forschungsarbeiten des Darmstädter Wissenschaftlers und seines Teams.
Vor mehr als 500 internationalen Experten und geladenen Gästen des Kongresses hielt Professor Sakas seinen Vortrag mit dem Titel „Navigation and Ultrasound Technologies“. Der Bericht gab einen umfassenden Einblick in bisherige sowie laufende Arbeiten der Forschergruppe: Hierzu zählt unter anderem das Projekt IORT zur minimalinvasiven Behandlung von Krebsgeschwüren, das bereits vergangenes Jahr mit dem renommierten Richard-Merten-Preis ausgezeichnet wurde. Die neue Methode der „virtuellen Bronchoskopie“ unterstützt das Diagnoseverfahren und die Operationsplanung von Lungentumoren. Zusätzliche Hilfe bei Diagnostik, Operation und Therapie bietet die zukunftsträchtige Technologie der Augmented Reality (Erweiterte Realität): Mit Hilfe eines semitransparenten Displays können z. B. dem Operateur während eines Eingriffs wichtige Patientendaten in sein Sichtfeld eingeblendet werden. Ferner unterstützt dreidimensionales Ultraschall wirkungsvoll die Therapie von Prostata- oder Brusttumoren und reicht damit in der Wirkung über andere etablierte Verfahren hinaus.
Das innovative System IORT ist ein leistungsfähiges, chirurgisches Visualisierungs- und Dokumentationssystem, das die intraoperative Radiotherapie nachhaltig unterstützt. Damit können nach der Operation verbliebene Tumorreste gezielt lokalisiert und bestrahlt werden. Mit IORT erhält der Arzt während des operativen Eingriffs Patientendaten – etwa computertomografische (CT), Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen – auf einem PC-Monitor dreidimensional visualisiert. In dieses virtuelle Bild der erkrankten Körperregion werden die aktuellen, intraoperativen Daten aus der Eingriffsstelle eingeblendet. Dies geschieht über ein integriertes Navigationssystem: Empfindliche Sensoren – gekoppelt an die jeweiligen chirurgischen Instrumente – übermitteln dem Operateur die exakte Position und Orientierung des Instrumentes im Körperinneren. Dadurch kann er Lage und Ausdehnung von Tumorresten präzise erfassen und ermöglicht somit dem Strahlentherapeut die Platzierung einer punktgenauen Strahlungsdosis im Tumorbett. „Der große Vorteil dieser Methode ist, dass zum einen Tumorreste nachhaltig entfernt bzw. wirksam bestrahlt werden können, die häufig die Ursache für weitere bösartige Wucherungen sind. Zum anderen entstehen keine großflächigen Schnittwunden, somit wird das Risiko von Komplikationen, wie Entzündungen, erheblich verringert“ erläutert Prof. Sakas, Leiter der Abteilung „Cognitive Computing & Medical Imaging“ am Fraunhofer IGD. Das Projekt IORT ermöglicht darüberhinaus eine exakte quantitive Dokumentation der Operation, die für die medizinische Qualitätskontrolle von hoher Bedeutung ist.
Eine weitere hilfreiche Methode in der Krebsbehandlung bietet die „virtuelle Bronchoskopie“. Ohne ein Endoskop in die Lunge des Patienten einzuführen, wird der Arzt – etwa bei Verdacht auf ein Lungenkarzinom – bei der Diagnose oder notwendigen Operationsplanung unterstützt. Grundlage hierfür bilden dreidimensionale Bronchoskopiebilder, die aus Röntgenaufnahmen oder Daten der Kernspintomografie generiert werden. Es entsteht ein virtuelles 3D-Lungen-Modell, das dem Arzt den Aufbau der Bronchien, Lungen- und Blutgefäße sowie Lage und Größe von vorhandenen Tumoren visuell darstellt. Gleichzeitig kann er durch diese Simulation interaktiv navigieren, die Lunge von allen Seiten betrachten und damit u. a. die medizinische Untersuchung mit einem realen Bronchoskop nachstellen.
Ein weiteres medizinisches Anwendungsszenario wird künftig mit Hilfe der neuen Technologie der Augmented Reality Wirklichkeit: Im Operationssaal erhält der Chirurg – zusätzlich zum Blick auf die reale Eingriffsstelle – visualisierte Informationen in sein Blickfeld eingespielt. Dies geschieht mit Hilfe eines semitransparenten Displays, durch das der Operateur während des medizinischen Eingriffs blickt. „Dank der Augmented Reality erhält der Arzt ein ’virtuelles Fenster’, so dass er seinen Blick nicht vom Operationsherd abwenden muss, um wichtige Informationen abzurufen“ betont Prof. Sakas. Dies können etwa visualisierte Patientenaufnahmen oder auch detaillierte Daten der Operationsplanung sein. Wird über das Display die Instrumentenführung im Körperinneren visualisiert, verringert sich die Gefahr, innere Organe zu verletzen, beträchtlich. Denn der Operateur wird zu jeder Zeit präzise darüber informiert, wo er sich z. B. mit seinem Skalpell befindet.
Alle o.g. Projekte im Bereich der Krebstherapie wurden in Zusammenarbeit mit dem Klinikum Offenbach durchgeführt. Das IGD pflegt seit 1996 mit der Strahlentherapie, Chirurgie und Strahlenphysik eine intensive, dauerhafte und äußerst erfolgreiche multidisziplinäre Kooperation. Die Verbindung dreier Schlüsseldisziplinen (Medizin, Physik, IT-Technologie) garantiert einerseits ein hohes wissenschaftliches Niveau, andererseits stellt es die Entwicklung praxisnaher, alltagstauglicher Anwendungen sicher, die über die üblichen Laborprototypen hinausreichen und bereits klinisch eingesetzt bzw. vermarktet werden.
Mit dem „Brachytherapy Award“ erhielt Prof. Sakas und sein Team die dritte Auszeichnung für seine Arbeiten innerhalb von zwölf Monaten. Der Richard-Merten-Preis für „herausragende Leistungen in der Entwicklung zur Qualitätssicherung und Dokumentation bei intraoperativer Radiotherapie“ wurde ihm im Oktober 2001 verliehen. Im Mai 2002 folgte der Wolfgang-Müller-Osten-Preis der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Ferner erhielt der Forscher im Jahr 2000 den „IST-Prize 2000“, einer der höchsten IT-Auszeichnungen Europas, für die telemedizinische Anwendung „TeleInVivo“.
Der Brachytherapy Award wird als Höhepunkt des dreitägigen internationalen Brachytherapy-Kongresses vergeben. Der Kongress in Santa Fe, USA, fand in 2002 zum elften Mal statt und bietet renommierten Experten aus aller Welt ein hochkarätiges Forum, um sich über aktuelle Arbeiten aus dem Bereich Onkologie zu informieren und auszutauschen. Die „Brachytherapie“ bezeichnet ein Verfahren zur Behandlung verschiedenster Tumorerkrankungen. Ohne größeren operativen Eingriff kann der Arzt schwach radioaktive Quellen dauerhaft oder hochaktive Strahlendosen kurzzeitig direkt im erkrankten Gewebe des Patienten platzieren. Die Methode der Brachytherapie wird häufig in enger Kooperation mit anderen medizinischen Fachdisziplinen eingesetzt, beispielsweise der Urologie, Gynäkologie, Chirurgie, HNO oder Neurochirurgie.

Media Contact

Bernad Lukacin idw

Weitere Informationen:

http://www.santafe2002.com/

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