Begleitrisiken des Bluthochdrucks
Um Kenntnisse über das Zustandekommen der Organschäden zu vertiefen und mögliche Gegenstrategien aufzuzeigen, förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft in den Jahren 2001 bis 2008 eine Klinische Forschergruppe an der Medizinischen Klinik 4 des Universitätsklinikums Erlangen unter der Leitung von Prof. Dr. Roland E. Schmieder.
Die Ergebnisse aller Teilprojekte dieser Gruppe weisen eindeutig in eine Richtung: Mit dem überhöhten Druck in den Arterien, der Hypertonie, gehen mehrere zusätzlich wirksame Krankheitsmechanismen einher. Bei den sehr patientennahen Forschungen konnte zugleich der Erfolg neuer Behandlungswege überprüft werden.
Oft wird der schon lange bestehende Bluthochdruck erst bei der Diagnose Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes erkannt. Dann sind bereits Mechanismen in Gang, die sowohl die Struktur von Organen verändern als auch ihre Funktion beeinträchtigen können und häufig in einen Teufelskreis münden.
Dabei handelt es sich um Faktoren, die Entzündungen fördern, über Veränderungen des Hormonspiegels das übermäßige Wachstum von Zellen und Bindegewebsfasern anregen oder die Erregungsleitung im Nervensystem beeinflussen. Die Forschergruppe mit dem Titel „Endorganschäden bei arterieller Hypertonie: Pathogenetische Bedeutung von nicht-hämodynamischen Mechanismen“ (KFO 106) konnte in allen drei Bereichen Aspekte des Krankheitsbilds genauer fassen, die nicht direkt dem hohen Blutdruck zuzuschreiben sind, aber damit zusammenhängen und teils ineinandergreifen. Für die Untersuchungen wurden molekular- und zellbiologische, tierexperimentelle und mehrfach patientennahe Ansätze der klinischen Forschung benutzt.
Unausgewogenheit und Dauerstress
Störungen im Hormonhaushalt von Bluthochdruck-Patienten greifen Endorgane auf vielfältige Weise an. Ein solches Ungleichgewicht kann sich zunehmend steigern und den Krankheitsverlauf verschärfen. Ein Beispiel dafür ist die Schädigung des Endothels. So wird die innerste Zellschicht bezeichnet, die alle Gefäße des Herz-Kreislauf-Systems auskleidet. Erstmals wurde in der Erlanger Forschergruppe nachgewiesen, dass auch die Augennetzhaut betroffen ist. Wie neue Methoden zur Untersuchung des Augenhintergrundes zeigten, ist die eingeschränkte Durchblutung der Netzhaut mit einer gestörten Endothelfunktion gekoppelt. Dies gilt bereits für junge Patienten mit essentieller Hypertonie. Ein gezielter Einsatz von Medikamenten kann diese Störung beheben.
Entzündliche Mechanismen sind unter anderem bei der Schädigung der Niere am Werk. Makrophagen, die „Fresszellen“ des Immunsystems, wandern bei Bluthochdruck in hoher Zahl dort ein und richten Zerstörungen im Nierengewebe an. Ist die Niere bereits geschädigt, wird das sympathische Nervensystem dauerhaft stimuliert. Seine Aufgabe ist es an sich, Blutdruck und Herztätigkeit kurzfristig zu steigern, um den Körper notfalls leistungsbereiter zu machen. Aus dem Daueralarm aber wird ein Dauerstress, ein Zirkel, der sich selbst aufrecht erhält und weitere Schäden bewirkt. Die molekularen Mechanismen in diesem Prozess erstmals im Detail zu studieren, war durch die Entwicklung eines speziellen Zellkultursystems möglich. Es gelang, Nervenzellen, die auf die Verbindung von Organ und Zentralnervensystem spezialisiert sind, mit Ausläufern zu züchten, wie sie zu einer Niere führen.
Forschungsstation nach dem Vorbild der USA
Nach dem Vorbild der „Clinical Research Centers“ des National Institutes of Health (USA) wurde für die patientennahen klinischen Projekte eine neue Einheit für klinische Forschung am Patienten aufgebaut. Diese „Klinische Forschungsstation“ ist das Pendant zu den bereits länger bestehenden experimentellen Forschungsstrukturen an der Universität Erlangen-Nürnberg, den Sonderforschungsbereichen 263 „Immunologische Mechanismen bei Infektion, Entzündung und Autoimmunität“ und 423 „Nierenschäden: Pathogenese und regenerative Mechanismen“ sowie dem Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF). Sie arbeitet interdisziplinär, ist jedoch vorrangig der Medizinischen Klinik 4 mit ihrem Schwerpunkt auf der Versorgung von Patienten mit Nieren- und Hochdruckkrankheiten zugeordnet. Mit dem Abschluss der KFO 106 wird die Forschungsstation in den Haushalt des Universitätsklinikums übernommen und stellt ab 2008 eine eigenständige Forschungsabteilung dar.
Der Forschungs- und Entwicklungsplan der Medizinischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg 2004 – 2010 führt die Herz-, Kreislauf- und Nierenforschung als einen der sechs Forschungsschwerpunkte der Fakultät auf. Das Profil der Fakultät auf diesem Gebiet wurde neben dem Sonderforschungsbereich 423 von der Klinischen Forschergruppe entscheidend gestärkt.
Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 26.000 Studierenden, 550 Professoren und 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in enger Verknüpfung mit Jura, Theologie, Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
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