Der Keuchhusten wird zum Teenager-Problem

Chinesen fürchten ihn als „100-Tage-Husten“ und auch bei uns dauert er bis zu zwölf Wochen: Kaum eine Kinderkrankheit schlaucht Kinder und Eltern so gnadenlos wie der Keuchhusten. Den meisten Eltern, deren Kind die Krankheit durchgemacht hat, bleibt das typische Geräusch der Hustenattacken für immer im Gedächtnis: Mit lauten, harten, stakkatoartigen Hustenstößen versucht das kranke Kind, den zähen und glasigen Schleim loszuwerden, der sich besonders nachts alle halbe bis eine Stunde in seinen Bronchien sammelt. Die Hustensalven halten Eltern und Kind meist die ganze Nacht auf den Beinen.

Für Babys und kleine Kinder ist Keuchhusten (medizinisch: „Pertussis“) manchmal sogar lebensbedrohlich. In außereuropäischen Ländern zählt er zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten: Weltweit erkranken jedes Jahr bis zu 40 Millionen Menschen an Keuchhusten, rund 290.000 Kinder sterben an der Krankheit. Diese Häufigkeit wird nur von Masern mit 395.000 Todesfällen übertroffen. Hierzulande sind Sterbefälle glücklicherweise selten. So gab es 2001 einen Todesfall – das Opfer war 77 Jahre alt.

Der Fall zeigt: Keuchhusten darf nicht länger als reine Kinderkrankheit angesehen werden, stellt die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit in ihrer aktuellen Stellungnahme fest. Seit einigen Jahren verlagert sich die Krankheit immer mehr ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter. Deshalb reicht es heute nicht mehr, nur Babys dagegen zu impfen: Auch Schulkinder, Jugendliche und sogar Erwachsene benötigen einen Impfschutz gegen Keuchhusten.

Keine lebenslange Immunität

Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt die Impfung aller Babys am unmittelbaren Beginn des 3., 4. und 5. Lebensmonats. Eine erste Auffrischimpfung ist für den 12. bis 15. Lebensmonat vorgesehen. Für einen lebenslangen Schutz reicht das jedoch nicht. „Früher hat man angenommen, dass mit der Impfung der Kinder im frühen Säuglingsalter die Krankheit unter Kontrolle gehalten werden kann“, berichtet Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Doch die Situation hat sich geändert. Heute wissen wir, dass weder das Durchmachen der Krankheit, noch die Impfung eine lebenslange Immunität bewirken“.

Berichte aus den neuen Bundesländern bestätigen den internationalen Trend der zunehmenden Verlagerung von Keuchhusten-Erkrankungen in das höhere Lebensalter. Noch vor 30 Jahren betrafen über 50 Prozent der Erkrankungen das Säuglingsalter und weniger als fünf Prozent die über 15-Jährigen. Heute werden dagegen weniger als zwei Prozent bei Säuglingen und ca. 70 Prozent bei Jugendlichen und Erwachsenen gemeldet. Deshalb empfiehlt die STIKO seit 2000 eine Auffrischimpfung für vollständig geimpfte Jugendliche im Alter von neun bis 17 Jahren.

Neben der Verlagerung der Erkrankungen in das höhere Lebensalter wird seit 2001 auch über eine Zunahme der Keuchhustenerkrankungen bei vollständig geimpften Kindern mit Beginn des sechsten Lebensjahres berichtet. Dieser Anstieg der Erkrankungen hat die STIKO veranlasst, seit Januar 2006 eine zusätzliche Auffrischimpfung gegen Keuchhusten im Vorschulalter mit einem TdaP-Impfstoff zu empfehlen. Das Kürzel steht für Tetanus (Wundstarrkrampf), Diphtherie (mit einer verminderten Dosis) und den azellulären Impfstoff gegen Pertussis.

Impfung für Oma und Tagesmutter
Eine weitere Änderung betrifft die Erwachsenen. Zur Zeit verfolgt die STIKO eine so genannte Kokon-Strategie, und empfiehlt die Impfung vor allem Personen, die einen engen haushaltsähnlichen Kontakt zu Säuglingen haben, wie zum Beispiel die Eltern, Großeltern, die Tagesmutter oder andere Betreuer. Auch Frauen, die sich ein Baby wünschen und nicht gegen Keuchhusten geimpft sind, sollten sich impfen lassen. Ebenso das medizinische Personal in der Kinderheilkunde und Gynäkologie und die Mitarbeiter von Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder im Vorschulalter. Diese Erwachsenen gelten nämlich als besonders gefährliche Infektionsquelle für Neugeborene.

Noch weiter als die STIKO geht die Sächsische Impfkommission SIKO und empfiehlt die Pertussis-Impfung (zusammen mit einer Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Polio) als Regelauffrischimpfung alle zehn Jahre für jeden Erwachsenen. Die SIKO folgt damit dem Beispiel anderer Länder, etwa der USA oder Österreich, in denen die regelmäßige Pertussis-Impfung für Erwachsene bereits Standard ist.

Warum haben Babys ein besonderes Risiko?

Professor Dr. Berthold Koletzko: „Gegen einige Krankheiten wird das Ungeborene gleichsam im Mutterleib ‚geimpft’: Es erhält über das Blut der Mutter Abwehrstoffe, die es nach der Geburt noch mehrere Monate noch vor bestimmten Infektionen, wie zum Beispiel Masern oder Mumps schützen. Bei Keuchhusten ist das leider nicht der Fall: Da bei einer Pertussisinfektion keine übertragbaren Antikörper gebildet werden, genießt das Baby keinen derartigen ‘Nestschutz’ während der ersten Lebensmonate. Deshalb müssen Säuglinge sehr sorgfältig vor einer Ansteckung geschützt werden“.

Im ersten Lebensjahr verläuft die Ansteckung mit Keuchhusten-Bakterien (Bordetellen) besonders heimtückisch. Das Baby wird zwar infiziert, hustet aber nicht. Sehr gefährlich für diese Altersgruppe sind krankheitsbedingte Unterbrechungen in der Atmung: Sie setzt mitunter 15 Sekunden und länger aus. Während solcher Apnoe-Anfälle kommt es zu Sauerstoffmangel im Gehirn, der einen Hirnschaden (Enzephalopathie) hervorrufen und sogar tödlich enden kann. Deshalb gehören Babys, bei denen der Verdacht auf Keuchhusten besteht, unbedingt in eine Klinik, in der ihre Herztätigkeit und Atmung ständig überwacht wird.

Erwachsene husten anders

Eine Untersuchung ergab, dass Babys, die mit Keuchhusten auf der Intensivstation behandelt werden mussten, in 46 Prozent der Fälle von ihren eigenen Eltern mit der Krankheit angesteckt worden waren. Das besondere Problem dabei: Die meisten Erwachsenen sind sich nicht bewusst, welche Gefahr sie für Babys und kleine Kinder in ihrer Umgebung darstellen. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken, dass sich hinter ihrem hartnäckigen Husten ein Keuchhusten verbergen könnte. Bei Erwachsenen fehlen nämlich häufig die typischen stakkatoartigen Hustenattacken. Deshalb wird die Infektion von den Ärzten oft als Bronchitis diagnostiziert oder als langwierige Erkältung abgetan.

Dabei sind auch die betroffenen Teenager und Erwachsenen in erheblichem Maße in ihrem Wohlbefinden eingeschränkt. Der im Durchschnitt zehn Wochen anhaltende Husten führt zu Schlafstörungen und vermindert deutlich die Leistungsfähigkeit. In jedem vierten Fall drohen Komplikationen wie Nebenhöhlenentzündungen, Mittelohrentzündungen oder Lungenentzündung. Auch Harninkontinenz, Rippenbrüche und Hirnblutungen sind möglich.

Keuchhusten wird ausschließlich über eine so genannte Tröpfcheninfektion übertragen und durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst. Da die Bakterien das ganze Jahr über Saison haben, ist man auch während der Frühjahrs- und Sommermonate nicht vor ihnen geschützt. Tritt in einem Kindergarten, in der Nachbarschaft oder in einer Schule eine Keuchhustenepidemie auf, sollten alle Familien gewarnt werden, in denen ein Baby lebt, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Geschwister sollten vom Baby ferngehalten werden, und zwar auch dann, wenn sie selbst gegen Keuchhusten geimpft sind. Geimpfte Menschen sind zwar vor den Erkrankungen ziemlich sicher geschützt, können aber vorübergehend die Keime beherbergen und stellen damit eine Infektionsquelle dar.

Gut verträgliche Impfstoffe

Impfstoffe gegen Keuchhusten werden heute nicht mehr wie früher aus ganzen Keuchhusten-Erregern hergestellt, sondern nur aus bestimmten Bestandteilen („azellulär“) und sind dadurch wesentlich besser verträglich. Am häufigsten werden Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötungen und Schwellungen registriert. Fieber über 38 Grad Celsius tritt nach einer Impfung mit diesen Impfstoffen nur noch in fünf bis acht Prozent der Fälle auf.

Die Experten der STIKO beraten zurzeit über eine allgemeine Impfempfehlung für Erwachsene. Notwendig seien aber auch die Umsetzung der bereits bestehenden Impfempfehlungen und eine intensive Information der Öffentlichkeit über die Vorbeugung gegen Keuchhusten, betont die Stiftung Kindergesundheit. Nur so lässt sich das wachsende Risiko dieser hoch ansteckenden Krankheit wieder eindämmen.

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