Interdisziplinäre Onkologie am Frankfurter Universitätsklinikum

Erstmals wird in Deutschland ein onkologisches Zentrum für Jugendliche und junge Erwachsene eingerichtet.

Onkologische Schwerpunktbildung und interdisziplinäre Kooperation der verschiedenen Fachdisziplinen sind angesichts der Komplexität von Krebserkrankungen und jährlich circa 425.000 Neuerkrankungen ins Zentrum des medizinischen Interesses gerückt. Um onkologischen Patienten eine optimale Behandlung zu gewährleisten, bedarf es der fächerübergreifenden und strukturierten Zusammenführung der Kompetenzen aller onkologischen Fachabteilungen in Diagnostik, Therapie und Nachsorge.

Der Fachbereich Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität und das Universitätsklinikum fördern den Bereich Onkologie als einen ihrer profilbildenden Schwerpunkte. Aktuell sieht das Hessische Onkologiekonzept die Einrichtung noch näher zu bestimmender onkologischer Zentren vor, die im Sinne eines allumfassenden Versorgungsangebotes das gesamte Spektrum onkologischer Erkrankungen gemäß den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft versorgen und dabei auch spezielle neue Diagnose- und Therapieformen einsetzen. In den Zentren soll zudem eine Zusammenarbeit mit Kooperationskrankenhäusern stattfinden, um diese bei der Behandlung von Krebspatienten zu unterstützen. Intensive medizinisch-wissenschaftliche Forschung und die Teilnahme an Therapie-optimierungsstudien runden das Profil der geplanten Zentren ab.

Mit seiner integrierten Onkologieplattform und der Expertise in allen onkologischen Fachdisziplinen ist das Frankfurter Universitätsklinikum prädestiniert, diese Funktion im Versorgungsbereich zu übernehmen. Baulich-strukturelle Maßnahmen und die konsequente Berufungspolitik von Klinikum und Fachbereich Medizin in der onkologischen und tumorspezifischen Schwerpunktbildung sind deutliche Akzente in diese Richtung.

Interdisziplinäre Versorgung am Universitätsklinikum

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen onkologischen Fachbereiche in Diagnostik, Therapie und Nachsorge hat entscheidend zur Optimierung der Behandlungen am Universitätsklinikum beigetragen. Bei der engen Kooperation der Kliniken und Institute sind insbesondere fachübergreifende Tumorkonferenzen von zentralem Stellenwert, da sie als Schnittstelle der Disziplinen fungieren und ein strukturiertes, interdisziplinär vernetztes Vorgehen möglich machen. Dabei stehen die Individualisierung von Diagnostik und Therapie und das Bestreben, dem Patienten eine auf dem neuesten Stand der Forschung fußende Behandlung zukommen zu lassen, im Vordergrund.

Wie wichtig die Erstellung fachübergreifender Behandlungskonzepte ist, verdeutlicht Prof. Dr. Claus Rödel, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Onkologie, am Beispiel des Rektumkarzinoms: „Während Chirurgen erkrankte Patienten früher zunächst primär operierten, diskutieren wir heute in wöchentlich stattfindenden interdisziplinären Tumorkonferenzen jeden Krankheitsfall individuell, um eine bestmögliche Versorgung mit individueller, präoperativer Therapie festlegen zu können.“ In Bezug auf die Strahlentherapie betont Prof. Dr. Claus Rödel, dass diese nicht mehr ausschließlich als schmerzlinderndes oder palliatives Therapieverfahren in der Tumorbehandlung eingesetzt, sondern gleich zu Beginn kurativ in den Behandlungsprozess integriert und mit der Chemotherapie kombiniert wird. So besteht in vielen Fällen die Möglichkeit eines Funktions- und Organerhalts. „Die guten Behandlungserfolge zeigen die Effektivität der fachübergreifenden Zusammenarbeit von Chirurgie, Strahlen- und Chemotherapie“, resümiert Prof. Dr. Claus Rödel.

Die Erforschung neuer, innovativer Behandlungsmethoden zur Therapie des Rektumkarzinoms stellt zudem ein Beispiel für die Rolle des Frankfurter Universitätsklinikums als Initiator großer klinischer Studien dar. Unter der Leitung von Prof. Dr. Claus Rödel und des Universitätsklinikums Erlangen wird derzeit an 50 Einrichtungen in Deutschland eine Phase-III-Studie mit bislang 400 Patienten durchgeführt, deren Ergebnisse im Klinikum in neue Therapieformen umgesetzt werden sollen.

Auch Prof. Dr. Hubert Serve, Direktor der Medizinischen Klinik II für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie, Infektiologie und HIV, ist ein renommierter Spezialist in der Krebsforschung und Tumorbehandlung. So ist er maßgeblich an der Entwicklung gezielt agierender molekularer Therapien beteiligt, mit deren Hilfe zellbiologische und molekulare Mechanismen gehemmt werden, die das Tumorwachstum verursachen oder befördern. Die neuen Therapieformen, die hier in Frankfurt maßgeblich untersucht werden, sollen den Patienten eine schonendere und vor allem effektivere Behandlung ermöglichen. Das Universitätsklinikum Frankfurt ist seit Jahren einer der weltweiten Schrittmacher für die Diagnostik und Therapie Akuter Leukämien, einer besonders bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems. Frankfurt ist bei diesen Erkrankungen nicht nur Teilnehmer, sondern koordinierendes Zentrum für eine Vielzahl von Therapie-Optimierungsstudien, die es zum Ziel haben möglichst vielen Patienten die beste erhältliche Therapie zukommen zu lassen.

Modellprojekt: Onkologiezentrum zur Behandlung Jugendlicher und junger Erwachsener

Im Hinblick auf die Bildung einer zentralen onkologischen Plattform geht das Frankfurter Universitätsklinikum nun einen in Deutschland bisher einmaligen Schritt weiter. Auf Initiative von Prof. Dr. Hubert Serve und Prof. Dr. Thomas Klingebiel, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Klinik III (Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie), plant das Frankfurter Universitätsklinikum als erste Klinik in Deutschland, sich in Zukunft mit seiner interdisziplinären onkologischen Betreuung auch auf die so genannte „vergessene Gruppe“ der krebs- und leukämiekranken Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren zu spezialisieren. „In dieser Gruppe treten neben Leukämien und Lymphomen auch alterstypische Tumoren auf, die sich von denen im höheren Lebensalter unterscheiden und Überschneidungen zum Jugendalter aufweisen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Klingebiel. Ein Onkologiezentrum zur Behandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen soll den speziellen Bedürfnissen von Patienten dieser Altersgruppe gerecht werden. „Bislang sind junge Menschen entlang einer künstlichen Altergrenze entweder in die Kinderklinik oder die internistische Onkologie eingewiesen worden und wurden dann eher zufällig ausschließlich von Pädiatern oder Internisten behandelt“, erläutert Prof. Dr. Hubert Serve das Problem der in Deutschland üblichen Strukturen. Mit dem neuen Konzept einer spezialisierten, kooperativen Versorgungseinheit wird das Klinikum diesem Zufallscharakter der Betreuung entgegenwirken und die „vergessene Altersgruppe“ in den Vordergrund der interdisziplinären onkologischen Zusammenarbeit stellen, um so für jeden einzelnen Patienten eine individualisierte Betreuungssituation auf dem aktuellsten Stand der Wissenschaft zu gewährleisten.

Die Bedeutung und Aufgabe des Zentrums gehen jedoch über die medizinisch-somatische Versorgung hinaus: „Bei Patienten dieser Altersgruppe fällt die Erkrankung in eine besondere psychologische und sozioökonomische Situation. Hier spielen die Entwicklung von Eigenständigkeit, Ausbildung, beruflicher Orientierung und erster Partnerschaft eine zentrale Rolle“, erklärt Prof. Dr. Hubert Serve. Die medizinische Versorgung in einem interdisziplinären Team soll daher durch eine psychosoziale Betreuung ergänzt werden, die auf die besonderen Bedürfnisse und Schwierigkeiten dieser Altersgruppe eingeht. Zudem wird das Team interdisziplinäre Nachsorgekonzepte erstellen und klinische Studien durchführen, um an der Einführung neuer innovativer Substanzen für Jugendliche und junge Erwachsene zu arbeiten. Das umfassende Behandlungs- und Forschungsprogramm soll durch weitere Angebote ergänzt werden: „Das Versorgungszentrum wird ein breites Informationsangebot für Erkrankte, Angehörige und Freunde zur Verfügung stellen und auch die fächerübergreifende Ausbildung von Ärzten der Inneren Medizin und der Pädiatrie möglich machen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Klingebiel das Konzept des Zentrums. „Zudem streben wir enge Kooperationen mit den epidemiologischen Registern, dem Kinderkrebsregister und den verschiedenen Kompetenznetzen an.“

Tag der Gesundheitsforschung 2008

Um der Bevölkerung Einblicke in die ganze Bandbreite der onkologischen Behandlungsformen und der Krebsforschung am Frankfurter Universitätsklinikum zu geben, und dem großen öffentlichen Informationsbedarf zu entsprechen, veranstaltet das Klinikum am 17. Februar im Hörsaalgebäude, Haus 22 und 23, den Tag der Gesundheitsforschung. Mit allgemeinverständlichen Vorträgen, Vorführaktionen und Laborführungen werden die onkologischen Fachbereiche des Frankfurter Universitätsklinikums zwischen 13.00 und 18.00 Uhr das gesamte Themenspektrum der Krebsbehandlung erläutern und dabei modernste Forschungs- und Therapieansätze präsentieren. Die Besucher haben die Gelegenheit, auch kontroverse Fragestellungen in der Krebsforschung zu diskutieren und mit Ärzten und Forschern direkt ins Gespräch zu kommen.

Für weitere Informationen:

Ricarda Wessinghage
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt/M.
Fon (0 69) 6301-77 64
Fax (069) 6301-83 222
E-Mail ricarda.wessinghage@kgu.de

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Weitere Informationen:

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