Bakterien mit Bakterien bekämpfen: Probiotika mildern Beschwerden bei Reizdarmsyndrom

Experten gehen davon aus, dass eine gestörte Darmflora das RDS begünstigt. Sie erhoffen sich von ihren Erkenntnissen neue therapeutische Ansätze.

Insbesondere die Behandlung mit Probiotika, also Mikroorganismen wie etwa Milchsäurebakterien, werden nach aktuellen Studien zunehmend empfohlen, so die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Auf der Fachtagung „Viszeralmedizin 2011“ vom 14. bis 17. September 2011 in Leipzig diskutieren Mediziner den aktuellen Wissensstand.

Das Reizdarmsyndrom ist eine chronische Funktionsstörung des Verdauungstraktes. Blähungen, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall schränken die Lebensqualität von Menschen mit RDS erheblich ein. „Wir vermuten, dass die Zusammensetzung der Bakterien im Darm ein entscheidender Faktor für die Entstehung des Reizdarmsyndroms ist“, erläutert Professor Dr. med. Stephan C. Bischoff, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin in Stuttgart. Der Darm beherbergt zehnmal mehr Mikroben, als der gesamte menschliche Körper Zellen hat – insgesamt sind es 1,5 Kilogramm.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass diese vielfältige Darmflora bei RDS-Patienten anders zusammengesetzt ist als bei Gesunden: Einzelne Bakterienarten kommen seltener, andere Arten häufiger vor. „Diese Unterschiede sind vermutlich ein Schlüssel zu einer geeigneten Therapie“, vermutet auch Professor Dr. med. Peter Malfertheiner, Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), aus Magdeburg.

Bereits seit zehn Jahren behandeln Ärzte RDS-Patienten mit Probiotika – dies sind mit lebensfähigen Mikroorganismen angereicherte Nahrungs- und Arzneimittel. Probiotika bestehen aus verschiedenen Bakterienstämmen wie Bifidobakterien, Lactobazillus-Stämmen oder Streptococcus faecalis. Sie sollen ausgleichend auf die Darmflora wirken. Doch bisher fehlten Studien, die deren Wirksamkeit belegen. „In den vergangenen fünf Jahren hat die Forschung jedoch weitestgehend gezeigt, dass die Behandlung mit Probiotika Therapieerfolge mit sich bringt“, sagt Professor Bischoff, der auch Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Ernährungsmedizin der DGVS ist. Welche Bakterien die Darmflora bei einem Reizdarmsyndrom am günstigsten beeinflussen, ist jedoch weiterhin ungeklärt.

In einer S3-Leitlinie haben die DGVS und die Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) Informationen zur Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms zusammengetragen. Ärzte können sich darin über den aktuellen Wissensstand informieren und ihren Patienten eine zielgerichtete Behandlung gewährleisten. Im Rahmen der Fachtagung „Viszeralmedizin 2011“ diskutieren Ärzte und Wissenschaftler den Einsatz von Probiotika als Alternative zu herkömmlichen Medikamenten und den weiteren Forschungsbedarf auf diesem Gebiet.

Information: S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der DGVS und der DGNM.

Terminhinweis:
Pressekonferenz anlässlich der Viszeralmedizin 2011
Termin: Donnerstag 15. September 2011, 12.30 bis 13.30 Uhr
Ort: Vortragsraum 10
Programm:
++Aktuelle Studie: Leberzellkrebs kombiniert behandeln mittels Bildgebung, Bestrahlung und neuesten Medikamenten

Professor Dr. med. Jens Ricke, Magdeburg

++„Gute und böse Untermieter“ im Darm: Wie die Darmflora unsere Gesundheit beeinflusst

Professor Dr. med. Stefan Schreiber, Kiel

++Adipositaschirurgie – wirksamer therapeutischer Ansatz bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus?

Professor Dr. med. Rudolf Weiner, Frankfurt/Main

++Magen- und Darmkrebs: Neue medikamentöse Therapien und endoskopische Techniken
PD Dr. med. Markus Möhler, Mainz
Und:
Professor Dr. med. Helmut Messmann, Augsburg
++Schlüssellochchirurgie im Bauchraum: Minimalisierung der Zugangswege für interventionelle Eingriffe im Abdomen

Professor Dr. med. Georg Kähler, Mannheim

Termine Kongress-Sitzungen:

Sitzung: Viszerale Hypersensitivität – immer noch der Clou beim Reizdarmsyndrom?
Termin: Donnerstag, 15. September 2011, 11.45 bis 12.00 Uhr
Ort: Saal Werner Creutzfeldt
Sitzung: Postinfektiöses Reizdarmsyndrom bei Kindern nach Salmonelleninfektion? Bevölkerungsrepräsentative Daten aus der KiGGS-Studie
Termin: Donnerstag, 15. September 2011, 15.18 bis 15.36 Uhr
Ort: Mehrzweckfläche 4
Sitzung: Ernährungstherapie in speziellen Szenarien (u.a. bei Reizdarmsyndrom)
Termin: Donnerstag, 15. September 2011, 17.00 bis 18.15 Uhr
Ort: Mehrzweckfläche 1
17.45 bis 18.00: CED (S. C. Bischoff, Stuttgart)
Kontakt für Journalisten:
Pressestelle Viszeralmedizin 2011
Anna Voormann
Pf 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-552, Fax: 0711 8931-167
voormann@medizinkommunikation.org
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