Arthritis: Zusammenwirken von Gehirn und Immunsystem

Die Wissenschaftlerin Dr. Sylvia Müller bearbeitet im Durchflusszytometrielabor eine immunologische Fragestellung des Verbundes. Foto: Michael Szabo, UKJ

Europaweiten Studien zufolge leidet etwa jeder fünfte Erwachsene an chronischen Schmerzen, meist im Rücken oder den Gelenken. Neben der individuellen Belastung für die Betroffenen stellt das ein enormes gesundheitsökonomisches Problem dar. Ein jetzt gestarteter Verbund von Immunologen, Schmerzforschern, Orthopäden und Rheumatologen verfolgt mit einem translationalen Ansatz das Ziel, die Behandlung solcher chronischer Schmerzen zu verbessern.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den auf vier Jahre angelegten Forschungsverbund mit insgesamt 3,8 Millionen Euro. „Wir unterstützen den Aufbau interdisziplinärer Forschungsverbünde zu Erkrankungen des Bewegungsapparats. Ziel der Verbünde ist es, gemeinsam Behandlungsmethoden und Präventionsansätze zu verbessern. Entscheidend ist, dass die Forschungsergebnisse rasch in der Patientenversorgung ankommen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Stefan Müller, heute (27.4.2015) bei der Übergabe des Förderbescheides in Jena.

„Bei schmerzreichen Gelenk- und Knochenerkrankungen wie Arthritis und Rheuma, aber auch bei Osteoporose beeinflusst das Nervensystem das Krankheits- und Entzündungsgeschehen. Die Krankheitsprozesse und das Immunsystem haben wiederum langfristig einen prägenden Einfluss auf Schmerzempfinden und Schmerzgedächtnis“, erklärt Prof. Dr. Hans-Georg Schaible, Neurophysiologe am Universitätsklinikum Jena, der den Verbund koordiniert. „Diese Wechselwirkung von Nerven- und Immunsystem wollen wir besser verstehen und auf Ansatzpunkte für die bessere Behandlung der chronischen Schmerzen untersuchen.“

Ein Teilprojekt in Erlangen erfasst beispielsweise die schmerzbedingte Hirnaktivität bei chroni-scher Arthritis mittels Magnetresonanzbildgebung. Die Wissenschaftler wollen dabei herausfin-den, ob sich diese Schmerzaktivität im Gehirn ändert, wenn Entzündungsbotenstoffe blockiert werden. Eventuell lassen sich durch die Neutralisation dieser Zytokine sogar Veränderungen der Hirnstruktur, die durch den chronischen Arthritisschmerz eingetreten sind, rückgängig machen. Ob und wie schnell sich die Hirnaktivität bei der medikamentösen Neutralisation der Entzün-dungsstoffe ändert, erlaubt möglicherweise auch eine Voraussage darüber, ob sich so der an-sonsten in den betroffenen Gelenken fortschreitende Krankheitsprozess langfristig aufhalten lässt.

Der Projektteil der Immunologen am Uniklinikum Jena beschäftigt sich mit den Mechanismen der Arthritis, insbesondere mit der Steuerung von Fibroblasten und Osteoklasten durch das autono-me Nervensystem. Diese Zellen sind maßgeblich an der fortschreitenden Gelenkerstörung beteiligt. „Wir wissen, dass die Aktivität von Lymphozyten und Makrophagen als wichtigen Zellen des Immunsystems vom autonomen Nervensystem moduliert werden. Noch ist unbekannt, ob das bei synovialen Fibroblasten und Osteoklasten auch der Fall ist“, beschreibt Prof. Dr. Thomas Kamradt seinen Ansatz. „Von der gezielten Beeinflussung der neuronalen Prozesse und der Kombination mit Wirkstoffen gegen die Entzündung und gegen den Gewebeabbau versprechen wir uns eine bessere Behandlung der Arthritis.“

Weitere Teilprojekte untersuchen zum Beispiel die Rolle des peripheren Nervensystems bei der Heilung von Knochenbrüchen, die typisch sind für Osteoporose, oder, wie das körpereigene Opioidsystem bei Arthritis reguliert wird. Zum Verbund gehört auch eine klinische Studie, die an der Charitè durchgeführt wird. Darin wollen die Berliner Rheumatologen testen, ob Entzündungsgrad und Schmerzen bei Arthritispatienten durch eine Gabe von Morphin direkt in das betroffene Gelenk gelindert werden können.

Das Forschungsprogramm der Wissenschaftler baut auf den Ergebnissen früherer gemeinsamer Kooperationen auf und zielt auf die Überführung im Labor gewonnener Erkenntnisse in klinische Projekte. „Wir arbeiten daraufhin, dass die Wechselwirkungen von Nerven- und Immunsystem bei muskoloskelettalen Erkrankungen größeren Eingang in umfassende klinische Studien finden“, so Professor Schaible.

Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Georg Schaible
Institut für Physiologie I,
Universitätsklinikum Jena
Tel.: 03641-938810
E-Mail: Hans-Georg.Schaible[at]med.uni-jena.de

http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4210.php#NEUROIMPA

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Dr. Uta von der Gönna idw - Informationsdienst Wissenschaft

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