Angeborene Herzfehler beeinflussen Entwicklung bis ins Jugendalter
So weisen Jugendliche viele Jahre nach der Operation am Herzen ein kleineres Hirnvolumen auf als Gleichaltrige. Sie haben zudem häufiger Lernprobleme oder motorische Schwierigkeiten, wie Forschende des Kinderspitals Zürich belegen.
Etwa eins von hundert Neugeborenen in der Schweiz kommt mit einem Herzfehler auf die Welt. Rund die Hälfte davon muss operiert werden. Die meisten Kinder, auch solche mit den schwersten Herzfehlern, überleben dank der fortgeschrittenen Kinderherzchirurgie gut. Heute richtet sich das Augenmerk der Forschung weniger auf das Überleben aus, als auf mögliche Langzeitfolgen und die damit verbundene Lebensqualität.
Nach einer komplizierten Operation am Herzen können neben kardialen Folgen auch Entwicklungsprobleme auftreten. So können Kinder später an motorischen, sprachlichen oder schulischen Schwierigkeiten leiden. Die Ursachen dieser Probleme sind vielfältig, unklar ist der Zusammenhang mit der Herzoperation, die den Kreislauf belastet und die Hirndurchblutung verschlechtern kann. Nun zeigen Forschende des Kinderspitals Zürich erstmals: Auch viele Jahre nach der Operation eines angeborenen Herzfehlers sind morphologische Veränderungen des Gehirns nachweisbar und können sich langfristig auf die Hirnentwicklung auswirken.
Geringeres Hirnvolumen bei schweren Herzfehlern
Unter der Leitung der Pädiaterin Bea Latal untersuchte der Postdoktorand Michael von Rhein eine Gruppe von 39 ehemaligen Herzpatientinnen und -Patienten im Alter von 14 Jahren. Diese wurden in den 90-er Jahren als Säuglinge oder Kleinkinder an der Herz-Lungen-Maschine operiert. Die Jugendlichen absolvierten Tests zur Einschätzung ihrer kognitiver und motorischer Fähigkeiten. Zudem wurde das Volumen ihres gesamten Gehirns sowie spezieller Hirnregionen mittels zerebraler Magnetresonanztomographie gemessen. «Es zeigte sich, dass diese ehemaligen Herzpatienten ein etwa 10 Prozent kleineres Gehirnvolumen hatten als gesunde Jugendliche», erklärt Michael von Rhein. Von dieser Volumenminderung waren insbesondere Patienten mit schwereren Herzfehlern am stärksten betroffen.
Die Forschenden konnten zudem belegen, dass ehemalige Herzpatienten häufiger Lernschwierigkeiten und motorische Schwierigkeiten aufwiesen als gesunde Kontrollpersonen. Diese Schwierigkeiten waren umso ausgeprägter, je grösser die Hirnvolumenminderung war. In der Regel konnten die jugendlichen Patienten aber trotz dieser Schwierigkeiten eine normale Schule besuchen und ihre Lebensqualität war dadurch nicht eingeschränkt.
In einer anderen, kürzlich erschienenen Studie belegte die Entwicklungspädiaterin Bea Latal und der Kinderkardiologe Walter Knirsch vom Kinderspital Zürich, dass die Entwicklung von herzkranken Kindern schon unmittelbar nach der Geburt verzögert sein kann und sich leichtgradige Hirnveränderungen zeigen können, weit vor einer erforderlichen Herzoperation. «Offenbar können die früh nachweisbaren Veränderungen des Gehirns bestehen bleiben und die weitere Entwicklung bis ins Jugendalter beeinflussen», beurteilt Bea Latal die Studienergebnisse.
Literatur:
M. von Rhein, A. Buchmann, R. Huber, P. Klaver, C. Hagmann, W. Knirsch, B. Latal. Smaller brain volume correlates with neurodevelopmental function in adolescents after bypass repair for congenital heart disease. Brain. November 25, 2013, doi:10.1093/brain/awt322
S. Bertholdt, B. Latal, R. Liamlahia, I. Scheer, R. Prêtre, R. Goetti, H. Dave, V. Bernet, A. Schmitz, M. von Rhein, W. Knirsch, and the Research Group Heart and Brain. Cerebral lesions on MRI correlate with preoperative neurological status in neonates undergoing cardiopulmonary bypass surgery. European Journal of Cardio-Thoracic Surgery, 2013, doi:10.1093/ejcts/ezt422
C. Schaefer, M. von Rhein, W. Knirsch, R. Huber, G. Natalucci, J. Caflisch, M. Landolt, B. Latal B. Neurodevelopmental outcome, behavior and quality of life in adolescents with congenital heart disease. Dev Med Child Neuro. 2013, doi: 10.1111/dmcn.12242
Hintergrund
Die aktuell veröffentlichte Studie ist Teil der interdisziplinären Forschungsgruppe «Heart and Brain» des Kinderspital Zürichs und der Universität Zürich. In dieser forschen Kliniker und Grundlagenwissenschaftler verschiedener Fachrichtungen gemeinsam, um Ursachen, Verlauf und Behandlung von Entwicklungsstörungen bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern besser zu verstehen. Ziel ist es, die Versorgung von betroffenen Kindern und deren Familien zu optimieren, mögliche Risikofaktoren zu identifizieren und bei auftretenden Entwicklungsproblemen frühzeitig Hilfe anzubieten. Damit neben den sehr guten operativen Erfolgen Kinder mit angeborenen Herzfehlern auch langfristig eine gutes Leben führen können.
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