Zerreißprobe für Brustimplantate

Für die Zugtests teilen die FAU-Wissenschaftler die Implantathülle in 12 Segmente. Bild: Siegfried Werner

Millionen Frauen weltweit lassen sich ihre Brüste mit Implantaten aus Silikon vergrößern oder hoffen auf eine Rekonstruktion nach Brustkrebs.

Nicht ungefährlich – das hat der Skandal um die französische Firma Poly Implants Prothèse (PIP) gezeigt. Sie hatte Implantate nicht mit für Medizinprodukte zugelassenen Silikonen hergestellt, sondern mit viel billigerem Industriesilikon. Die fatale Folge: Viele Implantate rissen.

Der Skandal vor zwei Jahren war der Ausgangspunkt der Forschungen über Silikon in Brustimplantaten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Seit Kurzem empfiehlt die EU-Kommission ein von Erlanger Wissenschaftlern um Prof. Dr. Dirk W. Schubert vom Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Polymerwerkstoffe) entwickeltes Verfahren, um die Qualität verschiedener Implantate zu vergleichen.

„Schon vor dem PIP-Skandal wurden Brustimplantate untersucht – allerdings deutlich schlechter als Gummidichtungen beim Auto“, stellt Prof. Dr. Schubert fest, der in einem Expertenteam die EU-Kommission zu Brustimplantaten berät. Das Versagen der PIP-Implantate hatte eine europaweite öffentliche Diskussion um bessere Qualitäts- und Überwachungsvorschriften ausgelöst, aber auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit Silikon-Implantaten.

Die Forscher der FAU begannen vor zwei Jahren mit Zugproben. Mit diesen testeten sie, wie reißfest die Hüllen der PIP-Implantate und die anderer Hersteller sind. Um Aussagen über das komplette Implantat treffen zu können, entnahmen sie mindestens 100 Proben pro Implantat. Ihre Forschungen zeigten, dass es sinnvoll ist, die Proben für die Zugtests auf ganz spezielle Weise zu entnehmen. Dazu wird die Implantathülle aufgeschnitten wie eine Orange, von oben nach unten, in zwölf Segmente.

Aus diesen werden die Zugproben dann ausgestanzt. Besonders entscheidend ist dabei die Richtung. Implantathüllen weisen meist einen Riss entlang der flachen Seite des Brustimplantats auf. Für bessere Ergebnisse stanzten sie deshalb die Zugproben quer zur potenziellen Rissrichtung aus. Das Ergebnis: Silikon-Implantate sind nicht an jeder Stelle gleich reißfest und Implantat ist nicht gleich Implantat. Die getesteten Implantate mit rauen Oberflächen rissen deutlich häufiger als die weniger rauen.

Beim Einzeichnen der Werte auf einer von Schubert neu entwickelten Karte zeigt sich: Die ermittelten Werte liegen in drei verschiedenen Regionen, sogenannten Produktclustern. Diese neuartige Kartierung zur Widerstandsfähigkeit der Implantathülle ermöglicht es, eine Grenze zu ziehen zwischen Silikon-Brustimplantaten mit hohem und solchen mit niedrigem Risiko für einen Riss.

„Kein Implantat hält ewig. Umso wichtiger ist es, das Wissen auch hinsichtlich der Faktoren, die auf das Versagen eines Implantats einwirken, zu vergrößern“, erklärt Prof. Dr. Schubert. Weitere Studien, die aktuell am Lehrstuhl laufen, bauen darauf auf: Derzeit untersuchen die FAU-Forscher das Hüllenmaterial, indem sie unterschiedliche Oberflächenstrukturen selbst herstellen und auf Reißfestigkeit prüfen. Auf diese Weise hoffen die Materialwissenschaftler das Silikon zu finden, das sich am besten für die Herstellung von Brustimplantaten eignet.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Dirk W. Schubert
Tel.: 09131/85-27752
dirk.schubert@ww.uni-erlangen.de

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Blandina Mangelkramer idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.fau.de/

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