Wasserstoff lässt Metalle brechen
Es gibt vermutlich kaum jemanden, der sich nicht an K.I.T.T. erinnern kann – das legendäre sprechende Superauto aus der US-Fernsehserie »Knight Rider«. Ein Wasserstoff-Turbomotor trieb das Fantasie-Fahrzeug an und schickte es mit fast 500 Stundenkilometern auf Verbrecherjagd.
Künftig werden Autos nicht nur im Film, sondern auch im realen Leben mit einem Wasserstoffantrieb ausgestattet sein. Im Verkehrs- und Energiebereich gilt Wasserstoff als Alternative zu fossilen Energierohstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Doch für Metalle wie Stahl, Aluminium und Magnesium, die gerade in der Fahrzeug- und Energietechnik häufi g verwendet werden, ist Wasserstoff nicht unbedenklich. Er kann sie spröde machen, die Festigkeit des Metalls wird reduziert. Seine Verformbarkeit lässt nach. Dies kann zu plötzlichem Versagen von Bauteilen und Komponenten führen. Neben dem Autotank selbst oder Teilen der Brennstoffzelle können auch Bauteile wie Kugellager betroffen sein. Diese fi nden sich nicht nur im Auto, sondern auch in Großlagern von Windkraftturbinen. Darüber hinaus kann Wasserstoff die Schweißnähte im Karosseriebereich angreifen.
Das leichteste der chemischen Elemente gelangt nicht nur beim Beladen des Tanks in die Werkstoffe, sondern durch unterschiedliche Prozesse. Auch durch Korrosion oder beim Verchromen von Autoteilen kann sich Wasserstoff im Metallgitter einlagern. Beim Schweißen, Walzen oder Pressen ist ein Eindringen ebenso möglich. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Das Material kann ohne Vorwarnung reißen oder brechen. Teure Schäden sind die Folge. Um Risse und Brüche künftig auszuschließen, nehmen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg die Wasserstoffversprödung unter die Lupe. Ihr Ziel ist es, Wasserstoff geeignete Werkstoffe und Fertigungsverfahren zu fi nden. »Mit unserem neuen Speziallabor untersuchen wir, wie und mit welcher Geschwindigkeit Wasserstoff durch ein Metall wandert. Wir können erkennen, an welchen Stellen im Material sich das Element ansammelt und wo nicht«, sagt Nicholas Winzer, Forscher am IWM.
Da das Risikopotenzial zumeist vom diffusiblen, also beweglichen Anteil des Wasserstoffs ausgeht, ist es erforderlich, diesen am gesamten Wasserstoffgehalt zu bestimmen. Durch eine Wärmebehandlung, bei der Proben kontinuierlich aufgeheizt werden, setzen die Forscher den beweglichen Anteil frei und messen ihn gleichzeitig. Darüber hinaus belasten die Experten die Materialproben mechanisch. So können sie feststellen, wie sich der Wasserstoff im Metall bei zusätzlicher Spannung verhält. Hierfür verwenden die Wissenschaftler spezielle Zugprüfmaschinen, die eine gleichzeitige mechanische Belastung und Beladung mit Wasserstoff erlauben. Anschließend bestimmen sie wie beanspruchbar das Material ist. »In der Industrie müssen Bauteile der kombinierten Belastung durch Temperatur, Zug, Druck und Wasserstoff standhalten. Mit dem neuen Speziallabor können wir die erforderlichen Analyseverfahren zur Verfügung stellen«, erläutert Winzer die Besonderheit der Simultantests.
Die Ergebnisse aus den Labortests nutzen die Forscher für die Computersimulation, mit der sie die Wasserstoffversprödung in Metallen berechnen. Dabei setzen sie die atomistische und die FEM-Simulation ein, um die Wechselwirkung zwischen Wasserstoff und Metall nicht nur im atomaren, sondern auch im makroskopischen Maßstab untersuchen zu können. »Durch die Kombination von Speziallabor und Simulationswerkzeugen haben wir herausgefunden, welche Werkstoffe Wasserstoff geeignet sind und wie sich Fertigungsverfahren verbessern lassen. Mit diesem Wissen können wir Unternehmen aus der Industrie unterstützen«, freut sich Dr.-Ing. Wulf Pfeiffer, Leiter des Geschäftsfeldes Prozess- und Werkstoffbewertung am IWM.
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