Warum Nickelate supraleitend sind

Das zusammengesetzte Bild zeigt links die Raster-Transmissionselektronenmikroskopie-Aufnahme des Neodym-Nickelat-Films auf einem Strontiumtitanat-Substrat mit atomarer Auflösung.
In der Mitte abgebildet ist das Strukturmodell aus den quantenmechanischen Computersimulationen. Blau ist Nickel, rot Titan, hellgrau Neodym, dunkelgrau Strontium, und die kleinen lila Kugeln entsprechen Sauerstoff. Die Simulation zeigt, dass sich an der Grenzfläche eine gemischte Schicht aus Titanat und Nickelat bildet. Diese kompensiert die Ladungsfehlanpassung an der Grenzfläche und stimmt überein mit der rechts im Bild überlagerten elementspezifischen Analyse aus den Elektronen-Energieverlustspektren.
© Cornell University
Ursache gefunden:
Supraleiter übertragen elektrischen Strom verlustfrei über jede Entfernung und spielen eine wichtige Rolle bei Quantencomputern und medizinischer Bildgebung. Ein vielversprechendes Material sind Nickelate, Oxidverbindungen auf Nickel- und Neodymbasis. Sie wurden 2019 entdeckt; die Mechanismen, die sie supraleitend machen, waren bisher nicht geklärt. Die Ursache gefunden hat nun ein internationales Team unter Leitung der US-amerikanischen Cornell University. Zu ihm gehörten auch eine Physikerin und ein Physiker der Universität Duisburg-Essen (UDE). Die Entdeckung könnte helfen, neue verbesserte Supraleiter herzustellen. Die Ergebnisse wurden soeben in Nature Materials* veröffentlicht.
„Supraleiter sind die Stars unter den elektrischen Leitern“, erklärt Rossitza Pentcheva, Professorin für Computergestützte Materialphysik an der UDE. „Doch sie funktionieren meist nur bei extremer Kälte, was technische Anwendungen erschwert. Die Wissenschaft sucht daher nach neuen Materialklassen, die bei höheren Temperaturen supraleitend sind.“ Im Fokus sind seit einigen Jahren so genannte Nickelate, die erstmalig an der Stanford University hergestellt wurden.
Das Besondere dabei ist, dass die Supraleitung bislang ausschließlich in Proben nachgewiesen werden konnte, die als sehr dünne, kristalline Filme – weniger als 20 Nanometer dick – auf einem Trägermaterial aufgezogen wurden. Vermutet wurde, dass die Supraleitung nur dort stattfindet, wo der dünne Nickel-Oxid-Film auf das Substrat trifft, auf dem er gewachsen ist.
Das internationale Physikteam, an dem Pentcheva und ihr Mitarbeiter Dr. Benjamin Geisler beteiligt sind, wollte das genauer wissen. Es kombinierte für seine Analysen experimentelle und theoretische Methoden, u.a. die Raster-Transmissions-Elektronenmikroskopie, die Elektronen-Energieverlust-Spektroskopie und quantenmechanische Computersimulationen auf Hochleistungsrechnern. Dadurch ist es erstmals gelungen, die atomare Struktur der Grenzfläche zwischen den beiden Materialien aufzulösen. „Zwischen dem Nickelat-Film und dem Strontiumtitanat-Substrat haben wir eine unerwartete Zwischenverbindung entdeckt“, so Geisler. „Sie schwächt die elektronische Ladungsanhäufung an der Grenzfläche ab.“
Damit steht fest: Nicht die Grenzfläche ist die Quelle der Supraleitung, wie bislang vermutet, sondern es ist die Nickelat-Schicht selbst. Prof. Pentcheva betont: „Die enge Verzahnung experimenteller und theoretischer Methoden war entscheidend für die Entdeckung. Sie stößt weitere Forschung an, so dass neue Materialverbindungen für technologische Anwendungen entstehen können.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Rossitza Pentcheva, Computational Materials Physics, Tel. 0203/37 9-2238, rossitza.pentcheva@uni-due.de
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41563-023-01510-7
Weitere Informationen:
https://news.cornell.edu/stories/2023/03/origin-superconductivity-nickelates-rev…
https://www.uni-due.de/2023-03-28-warum-nickelate-supraleitend-sind
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