Rostschutz aus der Nanokapsel

Nanocontainer, die korrosionshemmende Substanzen enthalten, lassen sich in Lacken für Metalle einbetten. Sie geben die Stoffe ab, wenn die Schicht beschädigt wird und Korrosion das Metall angreift. Max-Planck-Chemiker synthetisieren die Kapseln aus einem leitfähigen Polymer mithilfe der Miniemulsionstechnik. Anschließend dekorieren sie die Container mit Metall-Nanopartikeln, damit diese die Veränderung des elektrochemischen Potenzials bei Einsetzen der Korrosion spüren und sich chemisch öffnen. Sobald die Korrosion stoppt, schließen sich die Kapseln wieder. In solche Kapseln haben die Forscher auch Stoffe eingeschlossen, die Defekte in der Schutzschicht heilen.<br><br>© Advanced Materials 2013<br>

Gegen Rost könnte es bald ein besonders raffiniertes Mittel geben. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Eisenforschung in Düsseldorf und für Polymerforschung in Mainz haben zwei große Schritte hin zu einer selbstheilenden Rostschutzschicht getan.

In einer Arbeit lagerten sie in einen Lack wenige 100 Nanometer große Polymerkapseln ein, die korrosionshemmende Substanzen enthielten. Die Schicht trugen sie auf ein Metall auf und setzten das Metall durch einen Riss in der Schicht der Korrosion aus. Die Kapseln öffneten sich daraufhin und gaben die schützenden Stoffe ab. Sobald der korrosive Angriff endete, schlossen sich die Container wieder.

Wiederverschließbar waren auch die Nanokapseln, die das Team in einer weiteren Arbeit synthetisierte und die sich ebenfalls in einen Lack einbetten lassen. Darin schlossen die Forscher Substanzen ein, die kleine Risse und Löcher in der Schutzschicht eines Metalls heilen können. Die Forscher wiesen nach, dass die Container im Fall einer einsetzenden Korrosion chemisch verändert würden und die heilenden Stoffe freisetzten. Am Ende eines korrosiven Angriffes würden sie sich wieder schließen.

Die Haut von Mensch und Tier setzt in vielerlei Hinsicht Maßstäbe. Materialwissenschaftler beeindruckt vor allem, dass sie sich bei Verletzungen selbst heilt. Sie möchten Rostschutzschichten mit eben dieser Fähigkeit ausstatten, damit feine Risse und kleine Löcher in einem Lack einem darunter liegenden Metall nicht über kurz oder lang zum Verhängnis werden. „Auf dem Weg zu einem intelligenten Korrosionsschutz haben wir jetzt zwei Durchbrüche erzielt“, sagt Michael Rohwerder, Leiter einer Gruppe am Max-Planck-Institut für Eisenforschung sind Wissenschaftler.

Gemeinsam mit ihren Kollegen des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung testeten die Düsseldorfer Forscher Kapseln aus dem leitfähigen Polymer Polyanilin als Container für korrosionshemmende Substanzen. Die Kapseln hatten sie mit Metall-Nanopartikeln dekoriert, um einen geeigneten elektrischen Kontakt zwischen den Containern und dem Metall zu schaffen, auf das sie die Nanokapseln als Bestandteile einer Lackschicht auftrugen. Durch einen Defekt der Schutzschicht setzten sie das Metall nun einem korrosiven Angriff aus, indem sie einen Tropfen Salzwasser auf die offene Stelle in der Schutzschicht träufelten. Doch die Attacke blieb wirkungslos, weil die Wände der Polymerkapseln porös wurden und die Stoffe austreten ließen, die den Sauerstofffraß abblockten.

Das elektrochemische Potenzial ist der zuverlässigste Kapselöffner

„Entscheidend ist dabei, das richtige Signal zu wählen, das die Kapselwand öffnet“, sagt Michael Rohwerder. So können die Kapseln rein mechanisch aufgebrochen werden, wenn die Schutzschicht angekratzt wird. Oder sie können auf einen steigenden pH-Wert reagieren, der mit der Korrosion einhergehen kann. Das Max-Planck-Team setzte jedoch auf das elektrochemische Potenzial als Kapselöffner, der die Polyanilinhülle durch einen chemischen Umbau löcherte. „Dieses Potenzial sinkt immer, wenn die Korrosion einsetzt“, erklärt Rohwerder. „Es gibt also das zuverlässigste Signal, um die Kapseln zu öffnen.“ Und damit die Kapseln den elektrochemischen Alarm auch mitbekommen, braucht es den elektrischen Kontakt, den die Metall-Nanopartikel zwischen Kapselwand und Metall herstellen. Auf genau demselben Informationsweg erfahren die Kapseln, wenn die Korrosion stoppt, weil das Potenzial dabei stets steigt. Die Kapselwand strukturiert sich dann um, und die Poren werden wieder versiegelt.

Ähnlich öffnen und schließen sich auch die Container, in denen die Forscher Heilmittel für eine Polymerhaut einschlossen. Diese Stoffe können in einem Defekt polymerisieren und den Riss oder das Loch abdichten. In dieser Arbeit trugen sie die Kapseln jedoch nicht mit einem Lack auf ein Metall auf, um sie beim Rostfraß zu testen. Daher ahmten sie die chemischen Bedingungen bei einsetzender oder endender Korrosion mit reduzierenden sowie oxidierenden Substanzen nach und öffneten beziehungsweise schlossen die Kapseln auf diese Weise. „Mehr als 80 Mal konnten wir diesen Redox-Prozess mit den Polyanilin-Kapseln wiederholen“, sagt Daniel Crespy, der die Arbeit als Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Polymerforschung betreute.

In einer Miniemulsion lassen sich ölige Flüssigkeiten verkapseln

Aus der Sicht des Chemikers ist es aber vor allem bemerkenswert, dass sich die heilenden Substanzen überhaupt gezielt verkapseln lassen. Möglich macht das eine Technik, die Forscher um Katharina Landfester am Mainzer Max-Planck-Institut entwickelt haben. Sie erzeugen eine Emulsion aus einer wässrigen Lösung, in der Öltröpfchen schweben. Was bei der Milch aber nur leidlich funktioniert – nach einer Weile setzt sich der Rahm schließlich an der Oberfläche ab –, haben die Chemiker perfektioniert. In ihrer Miniemulsion sind die Öltröpfchen nicht nur alle ähnlich klein, sie bleiben dank einiger chemischen Tricks auch fast unbegrenzt stabil.

Bevor Daniel Crespy und seine Kollegen die ölige Flüssigkeit in der wässrigen Lösung durch Rühren und mit Ultraschall fein emulgieren, mischen sie die Bausteine für die Polymerkapseln in das Öl hinein. Zu den langen Kettenmolekülen reagieren die Komponenten aber erst, wenn die Chemiker zu der fertigen Emulsion eine weitere chemische Zutat tropfen, die sich in Wasser löst und genau an der Oberfläche der Öltröpfchen die Polymerisation einleitet. „Auf diese Weise können wir ölige Flüssigkeiten in einer wässrigen Umgebung verkapseln“, sagt Daniel Crespy. Was sich nach einem einfachen Rezept anhört, ist im Detail recht schwierig. Denn während der Polymerisation ändert sich das chemische Milieu der Emulsion, sodass sich die Öltröpfchen gerne zusammenschließen und über dem Wasser absetzen würden. „Wir haben aber einen Weg gefunden, die Emulsion zu stabilisieren“, so Crespy.

Die korrosionshemmenden Substanzen müssen wirkungsvoller werden

Auch der Nachweis, dass die Kapseln, wenn nötig, aber auch nur dann die Heilmittel für Defekte in einem Lack abgeben, ist nicht gerade simpel. Zu diesem Zweck mussten die Mainzer Forscher die Kapseln nach jedem Schritt isolieren, mit geeigneten Lösungsmitteln versetzen und mithilfe der Kernspinresonanzspektroskopie analysieren, die Aufschluss über die Mengen der in den Kapseln enthaltenen Substanzen gibt.

Mit den beiden aktuellen Arbeiten hat das Team der Düsseldorfer und Mainzer Forscher Nanokapseln einige Funktionen gegeben, die eine selbstheilende Korrosionsschutzschicht mitbringen muss. „Nun wollen wir die Substanzen, die Defekte heilen, und die korrosionshemmenden Stoffe zusammen in Kapseln einschließen“, sagt Crespy. Denn nur beide gemeinsam schützen umfassend vor dem zerstörerischen Werk des Rosts. Während die korrrosionshemmenden Stoffe diesem schnell Einhalt gebieten, so wie auch eine Blutung bei einer Verletzung zunächst provisorisch gestoppt wird, stellen die heilenden Substanzen den dauerhaften Korrosionsschutz des Lacks wieder her, brauchen dafür aber wie eine heilende Wunde etwas länger. „Beide Substanzen lassen sich bisher nicht unter denselben chemischen Bedingungen verkapseln“, sagt Daniel Crespy. Das wollen er und seine Kollegen nun ändern.

Michael Rohwerder sieht zudem zwei weitere Herausforderungen, die es auf dem Weg zum selbstheilenden Korrosionsschutz noch zu bewältigen gilt. „Zum einen müssen wir hemmende Substanzen identifizieren, die etwa so wirkungsvoll sind wie Chromate“, sagt der Wissenschaftler. Chromate setzen als Bestandteile von Korrosionsschutzschichten derzeit noch Maßstäbe, werden aber in immer mehr Anwendungen verboten, weil sie giftig sind. „Zum andern müssen wir dafür sorgen, dass die heilenden Substanzen schneller und in größeren Mengen zu einem Defekt gelangen“, so Rohwerder. Bisher bremst sie der Umstand, dass sie selbst nicht gut wasserlöslich sind, Korrosion aber nur zuschlägt, wenn Wasser einen Defekt benetzt. Wenn die Forscher in diesen Punkten vorankommen, werden es Lacke auf Metallen in puncto Selbstheilungskraft bald vielleicht mit der lebenden Haut aufnehmen können.

Ansprechpartner

Dr. Michael Rohwerder
Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf
Telefon: +49 211 6792-442
E-Mail: rohwerder@­mpie.de
Dr. Daniel Crespy
Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz
Telefon: +49 6131 379-484
E-Mail: crespy@­mpi-mainz.mpg.de
Originalpublikation
Ashokanand Vimalanandan, Li-Ping Lv, The Hai Tran, Katharina Landfester, Daniel Crespy und Michael Rohwerder
Redox-Responsive Self-Healing for Corrosion Protection
Advanced Materials, online veröffentlicht 24. September 2013; DOI: 10.1002/adma.201302989
Li-Ping Lv, Yi Zhao, Nicole Vilbrandt, Markus Gallei, Ashokanand Vimalanandan, Michael Rohwerder, Katharina Landfester und Daniel Crespy
Redox Responsive Release of Hydrophobic Self-Healing Agents from Polyaniline Capsules

Journal of the American Chemical Society, 20. August 2013; DOI: 10.1021/ja405279t

Media Contact

Dr. Michael Rohwerder Max-Planck-Institut

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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