Nano-Materialien für medizinische Messgeräte
Drei Forschungsteams an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben gemeinsam eine neue Art magnetoelektrischer Sensoren entwickelt, mithilfe derer die Nutzung dieser wichtigen Technologie in Zukunft möglich sein soll. Der wissenschaftliche Durchbruch: Die neuen Sensoren funktionieren im Gegensatz zu herkömmlichen magnetoelektrischen Messtechniken ohne Kühlung und ohne äußeres magnetisches Stützfeld. Im Fachmagazin Nature Materials werden die neuen Verbundwerkstoffe beschrieben.
„Unsere Verbundwerkstoffe mit Austauschkopplung sind ein internationaler Meilenstein in der Forschung über magnetoelektrische Materialien“, sagt Professor Eckhard Quandt, Senior-Autor der Studie und Sprecher des Kieler Sonderforschungsbereiches 855 Magnetoelektrische Verbundstoffe – biomagnetische Schnittstellen der Zukunft (SFB 855).
„Mit der Unabhängigkeit von externen magnetischen Stützfeldern haben wir ein ganz wesentliches Hindernis für medizinische Anwendungen von magnetoelektrischen Sensoren wie Magnetokardiographie und Magnetoenzephalographie beiseite geräumt.“ Da sich die Sensoren wegen ihres besonderen Aufbaus nicht gegenseitig störten, seien nun auch Messarrays aus Hunderten Messeinheiten denkbar. Damit ließen sich flächige Karten von Herz- oder Hirnströmen erstellen.
Die neuartigen Verbundwerkstoffe bestehen aus einer komplexen Abfolge von etwa hundert Materialschichten, von denen jede einzelne nur wenige Nanometer dick ist. „Unsere magnetoelektrischen Sensoren enthalten sowohl magnetostriktive als auch piezoelektrische Schichten, die sich einerseits durch ein zu messendes magnetisches Feld verformen und zeitgleich durch diese Verformung eine elektrische Spannung erzeugen, die dann als Messsignal verwendet wird. Aber solche hochempfindlichen Messungen funktionierten mit den herkömmlichen Schichtsystemen bislang nur, wenn am Sensor ein ‚stützendes‘ Magnetfeld anliegt“, erläutert der Doktorand Enno Lage den Hintergrund der Studie, an der er seit 2010 arbeitet.
„Das Besondere an unseren Verbundwerkstoffen sind antiferromagnetische Hilfsschichten aus Mangan-Iridium, die im Inneren des Werkstoffs wie Magnetfelder wirken“, ergänzt Lage. „Das Stützfeld für die Messung wird also direkt im Sensor erzeugt und muss nicht mehr von außen angelegt werden.“ Ein vollständiger Sensor misst typischerweise wenige Millimeter und trägt eine Multischicht eines solchen neuen Werkstoffs, die etwa einen Tausendstel Millimeter dick ist. Die neuen Verbundstoffe wurden im Reinraum des Kieler Nano-Labors hergestellt. „Nur in dieser extrem staubfreien Umgebung kann man solche Sensorsysteme erfolgreich herstellen“, sagt Dr. Dirk Meyners, der Lage während der Promotion wissenschaftlich betreut.
Mit dem Entwicklungsschritt hin zur Unabhängigkeit magnetolektrischer Messungen von externen Stützfeldern erreichen die Arbeitsgruppen um die Professoren Lorenz Kienle, Reinhard Knöchel und Eckhard Quandt ein wichtiges Teilziel des SFB 855, der seit Januar 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Im SFB sollen neuartige Verbundwerkstoffe entwickelt und in eine voll funktionsfähige, biomagnetische Schnittstelle zwischen Mensch und Außenwelt implementiert werden. Quandt weist auf zukünftige Chancen hin: „Über die Möglichkeiten des SFB hinaus könnten wir im derzeit in Planung befindlichen Exzellenzcluster Materials for Life ganz gezielt eine Reihe weiterer Anwendungen auf der Basis dieser Verbundstoffe voran bringen, zum Beispiel als Sensoren für eine nicht-invasive Gehirnstimulation.“
Originalpublikation:
Lage, E., Kirchhof, C., Hrkac, V., Kienle, L., Jahns, R., Knöchel, R., Quandt, E. and Meyners, D.: Exchange biasing of magnetoelectric composites, Nature Materials doi:10.1038/nmat3306, http://www.nature.com/nmat/journal/vaop/ncurrent/full/nmat3306.html
Folgende Fotos zum Thema stehen zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2012/2012-121-1.jpg
Bildunterschrift 1: Querschnittsaufnahme mittels Elektronenmikroskopie eines neuen magnetoelektrischen Verbundsensors aus piezoelektrischem Material (untere Hälfte) und magnetostriktivem Material mit integrierten Hilfsschichten (obere Hälfte)
Foto: Christiane Zamponi
Copyright: Uni Kiel/ Institut für Materialwissenschaft
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2012/2012-121-2.jpg
Bildunterschrift 2: Dirk Meyners, Eckhard Quandt und Enno Lage (v.l.n.r.) im Kieler Nano-Labor
Foto: Stefanie Maack
Copyright: Uni Kiel
http://www.uni-kiel.de/download/pm/2012/2012-121-3.jpg
Bildunterschrift 3: Das Kieler Nano-Labor bietet exzellente Bedingungen für Forschung und Entwicklung.
Foto: Jürgen Haacks
Copyright: Uni Kiel
Kontakt:
Institut für Materialwissenschaft
Professor Eckhard Quandt
Tel. 0431 880-6200
E-Mail: eq@tf.uni-kiel.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2012/2012-121-biomagnetische-sensoren.shtmlAlle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften
Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.
Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.
Neueste Beiträge
Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft
Forschende an der ETH Zürich haben Bakterien im Labor so herangezüchtet, dass sie Methanol effizient verwerten können. Jetzt lässt sich der Stoffwechsel dieser Bakterien anzapfen, um wertvolle Produkte herzustellen, die…
Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren
Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…
Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht
Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…