Nachwuchswissenschaftler der TU Dresden erforscht Hightech-Fasern aus Papier
Muhannad Al Aiti, Nachwuchswissenschaftler an der TU Dresden und am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V., hat erforscht, wie Kohlenstofffasern aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden müssen, um den hohen Anforderungen von Automobilindustrie und Windenergie-Branche zu entsprechen.
Seit mehr als 60 Jahren versuchen Forscher aus der ganzen Welt hochwertige Fasern aus biogenen Abfallprodukten herzustellen, seit 20 Jahren konzentriert sich die Forschung auf Lignin. Aber erst jetzt – durch die Forschungsergebnisse von Al Aiti – ist umfänglich bekannt, wie nachhaltige Hochleistungsfasern erfolgreich hergestellt werden können. Damit ist der Startschuss für eine ökologische, kostengünstige und massentaugliche Alternative aus Sachsen zu klassischen Kohlenstofffasern gefallen.
Besonders leicht und äußerst stabil: Kohlenstofffasern, auch Carbonfasern genannt, sind das aktuelle Lieblings-Material vieler Ingenieure. Automobilindustrie, Windenergie-Branche sowie Raum-, Luft- und Schifffahrt nutzen das Verbundmaterial aus Kohlen- und Kunststoff bevorzugt für Leichtbauanwendungen. So kann Gewicht und Kraftstoff gespart und die Leistung gesteigert werden. Bisher werden Kohlenstofffasern jedoch überwiegend aus Erdöl oder Pech hergestellt. Das ist teuer, verbraucht endliche Ressourcen und kann die steigende Nachfrage bald nicht mehr decken.
Al Aiti hat sich für die Herstellung von Kohlenstofffasern auf der Basis des nachwachsenden Rohstoffes Lignin entschieden. Lignin macht ca. 20 bis 30 Prozent der Trockenmasse verholzter Pflanzen aus. Es ist ein Abfallprodukt der Papierindustrie, das massenhaft und kostengünstig zur Verfügung steht. „Jedes Jahr fallen etwa fünfzig Millionen Tonnen Lignin in der Papierindustrie an, die bisher fast vollständig wieder verbrannt werden.
Schon lange versuchen Wissenschaftler weltweit, massentaugliche Lignin-basierte Kohlenstofffasern herzustellen. Mich hat interessiert, wie Lignin kostengünstig aufbereitet und zu Fasern verarbeitet werden kann, um dem Massenmarkt zu genügen. Die hohen Herstellungskosten der etablierten Kohlenstofffasern blockieren den Durchbruch am Markt bisher“, so Al Aiti.
Schon Edison suchte 1882 für seine Glühbirne nach Kohlenstofffasern aus nachwachsenden Rohstoffen. In den 1950er Jahren nahm die Forschung nach alternativen Ausgangsstoffen für die Hightech-Fasern insbesondere in der Luft- und Raumfahrt wieder Fahrt auf. Seither suchen Ingenieure, Werkstoffwissenschaftler und Chemiker weltweit nach geeigneten Rohstoffen und Produktionsbedingungen, um ökologische Kohlenstofffasern herstellen zu können – mit bestimmten mechanischen Eigenschaften und zu einem Preis, der vor allem für die Automobilindustrie und Windenergie-Branche attraktiv sein muss. Bisherige Forschungen konzentrieren sich dabei auf die chemische Zusammensetzung.
Der Nachwuchswissenschaftler aus Dresden hat einen anderen Ansatz verfolgt: Muhannad Al Aiti hat sich Material und Produktionsprozess aus physikalischer und chemischer Perspektive angeschaut und jeden einzelnen Herstellungsschritt untersucht. Dadurch konnte er einen umfangreichen Kriterienkatalog erstellen, an dem Wissenschaft und Wirtschaft nun ablesen können, wie erfolgsversprechend die eigenen ökologischen Kohlenstofffasern sind.
Aktuell forscht Al Aiti weiter am Produktionsprozess der nachhaltigen Hightech-Fasern. Ab Mitte August wird er Experimente an der Technischen Universität Tampere (Finnland) durchführen. Nur dort kann er die Lignin-basierten Kohlenstofffasern mit einem speziellen Spinnverfahren herstellen. Ziel ist, Lignin in einem industrialisierbaren Prozess so aufzuarbeiten, dass daraus leistungsfähige, kostengünstige und massentaugliche ökologische Kohlenstofffasern entstehen. Die Forschungsergebnisse dazu sollen noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
Muhannad Al Aiti ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden (TUD) und führt die experimentellen Arbeiten zu seiner Promotion am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF) unter der Betreuung von Prof. Gert Heinrich durch. Einen Teil der Forschungsergebnisse hat Al Aiti gemeinsam mit einem interdisziplinären Team aus TUD und IPF kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Progress in Materials Science“ veröffentlicht.
„Muhannad Al Aiti konnte seine Forschungsergebnisse in der weltweit zweitwichtigsten Fachzeitschrift im Bereich Werkstoffwissenschaften veröffentlichen. Das erreichen sonst nur gestandene Wissenschaftler. Der Beitrag unseres Doktoranden Muhannad Al Aiti wurde von internationalen Gutachtern als bedeutend eingeschätzt und sehr schnell zur Veröffentlichung angenommen. Das ist ziemlich beeindruckend und zeigt die große internationale Bedeutung der Forschungsergebnisse“, kommentiert sein Doktorvater Prof. Heinrich, Seniorprofessor für Polymerwerkstoffe an TUD und IPF. Dieses Projekt ist zugleich ein Beispiel für die enge Kooperation der TU Dresden mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen des Wissenschaftsverbundes DRESDEN-concept.
Das große internationale Interesse an der Forschungsarbeit von Al Aiti führte sofort nach der Veröffentlichung zu etlichen Vortragseinladungen, der Anfrage zu einem Forschungsaufenthalt in Australien und nach einem gemeinsamen Forschungsprojekt auf EU-Ebene.
Muhannad Al Aiti kam im Jahr 2009 als Stipendiat von Syrien nach Deutschland. Seit zwei Jahren (2016) besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Bildunterschrift: Das braune Lignin ist ein Abfallprodukt der Papierindustrie. Schon bald soll es zur Herstellung von ökologischen Kohlenstofffasern eingesetzt werden. Die etablierten schwarzen Kohlenstofffasern werden auf der Basis von Erdöl oder Pech produziert.
M. Sc. Muhannad Al Aiti
TU Dresden
Fakultät Maschinenwesen
Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik
Tel.: +49 (0)351 463 42770 oder +49 (0)351 4658 479
E-Mail: aiti@ipfdd.de
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