Keramikschichten für Hochtechnologien: Bayreuther Wissenschaftler optimieren neues Sprühverfahren

Mit aerosolbasierter Kaltabscheidung erzeugte Keramikschicht auf einer porösen gasdurchlässigen Elektrode, wie sie für Brennstoffzellen benötigt wird. Bild: Jörg Exner

Mit der aerosolbasierten Kaltabscheidung (Powder Aerosol Deposition, PAD) lassen sich dichte Keramikschichten auf sehr verschiedene Arten von Materialien aufbringen, wie etwa auf Stahl, Glas, Silizium oder sogar auf Kunststoff.

Dafür wird zunächst ein trockenes keramisches Pulver mithilfe eines Trägergases in ein Aerosol, das heißt in eine Mischung aus Gas und festen Partikeln, überführt.

Anschließend wird das Aerosol in einer Vakuumkammer durch eine Düse auf mehrere 100 Meter pro Sekunde beschleunigt und auf das zu beschichtende Material gelenkt. Beim Aufprall brechen die winzigen Keramikpartikel auf.

Die dadurch entstehenden, wenige Nanometer großen Bruchstücke besitzen frische aktive Oberflächen. Sie bilden fest haftende dichte Beschichtungen mit einer Dicke zwischen einem und 100 Mikrometern.

„Dank ihrer dichten Feinstruktur weisen die Beschichtungen bereits direkt nach dem Aufsprühen hervorragende mechanische Eigenschaften auf. Sie sind außerordentlich hart und besitzen eine gute chemische Beständigkeit“, erklärt Dr.-Ing. Jörg Exner, der Erstautor der Studie, der die Forschungsarbeiten zur PAD an der Universität wesentlich vorangetrieben hat.

Wie sich allerdings herausgestellt hat, bleiben funktionelle Eigenschaften der Beschichtungen, insbesondere die elektrische Leitfähigkeit, ohne weitere Schritte unzureichend. In ihrer neuen Studie berichten die Bayreuther Ingenieurwissenschaftler jetzt aber über erfolgreiche Wege zur Optimierung.

Kristalline Strukturen sind dabei von entscheidender Bedeutung. Der heftige Aufprall der Keramik-Partikel auf den Materialien verursacht Strukturdefekte in den entstehenden Bruchstücken. Darunter leiden nicht nur die elektrische Leitfähigkeit, sondern auch weitere Funktionseigenschaften.

„Durch eine Nachbehandlung mit Wärme, dem sogenannten Tempern, lassen sich diese Defekte fast vollständig beheben. Wir konnten zeigen, dass die hierfür erforderlichen Temperaturen in der Regel weitaus geringer sind als beim konventionellen Sintern. Die Vermeidung dieser extrem hohen Temperaturen macht ja gerade die aerosolbasierte Kaltabscheidung so attraktiv. Es bleibt deshalb dabei: Diese Technologie bietet ein sehr hohes industrielles Potenzial, insbesondere wenn qualitativ hochwertige Keramikschichten gefragt sind“, resümiert Exner.

Von den beabsichtigten technologischen Anwendungen hängt es ab, welche keramischen Werkstoffe jeweils aufgesprüht werden: Für Kondensatoren eignen sich dielektrische Keramiken, für Sensoren werden elektrisch leitfähige Funktionskeramiken bevorzugt, und in Hochtemperatur-Brennstoffzellen kommt Yttrium-stabilisiertes Zirkoniumoxid zum Einsatz. Selbst Lithiumionen-Batterien lassen sich damit herstellen.

Das an der Universität Bayreuth entwickelte wissenschaftliche Verständnis der Keramikstrukturen und deren Funktionseigenschaften wird wesentlich dazu beitragen, dass hochwertig beschichtete Bauelemente auf schonende Weise in komplexe Systeme eingebaut werden können.

Neue Technologien, etwa auf Gebieten der Energiespeicherung und -umwandlung oder zum Zweck des Umweltmonitoring, können daher von Anwendungen der aerosolbasierten Kaltabscheidung erheblich profitieren.

Prof. Dr.-Ing. Ralf Moos
Lehrstuhl für Funktionsmaterialien
Universität Bayreuth
Telefon: +49 (921) 55-7400
E-Mail: funktionsmaterialien@uni-bayreuth.de

Jörg Exner, Tobias Nazarenus, Dominik Hanft, Jaroslaw Kita, Ralf Moos: What Happens during Thermal Post-Treatment of Powder Aerosol Deposited Functional Ceramic Films-Explanations Based on an Experiment-Enhanced Literature Survey. Advanced Materials (2020), doi: https://doi.org/10.1002/adma.201908104

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