Hitze verkürzt das Leben – Neues Konzept verbessert Lebensdaueranalysen von Elastomerbauteilen

Prüfung von Materialproben auf unabhängigen Prüfachsen, angetrieben von elektro-mechanischen Aktuatoren.

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF sind der temperaturabhängigen Ermüdungslebensdauer von Elastomerbauteilen auf den Grund gegangen. Innerhalb des AiF-Forschungsprojektes „Thermomechanische Schädigungsmechanismen Elasto-Opt“ konnten sie die entscheidende Rolle der Temperatur bei der Lebenszyklusprognose von Elastomerkomponenten nachweisen.

Mit diesem Ansatz integrierten die Wissenschaftler die Temperatur als beeinflussenden Parameter in allen Bereichen der rechnerischen Betriebsfestigkeitsanalyse. Damit eröffnen sich der Automobilindustrie neue Möglichkeiten, die Lebensdauer von Bauteilen zu prüfen.
Immer höher werden die Ansprüche an die Aussagekraft numerischer Lebensdaueranalysen, wenn Bauteile betriebsfest konstruiert und ausgelegt werden.

Um diese Anforderung zu erfüllen, müssen die in der Industrie angewandten rechnerischen Methoden noch stärker auf alle für die Betriebsfestigkeit maßgeblichen Einflussfaktoren eingehen. Speziell für Elastomere ist dies nicht nur die mechanische, sondern zu einem signifikanten Anteil auch die thermische Beanspruchung. So verhindern beispielsweise immer kleinere Einbauräume das Abkühlen von Baugruppen durch den Luftstrom.

Strahlungswärme vom Motor und aus dem Abgassystem führt zu einer größeren Erhitzung der umliegenden Komponenten, was bei Elastomerkomponenten zu einer Verringerung der Ermüdungsfestigkeit führt.

Erfassung des Temperatureinflusses

Heute kommen bei der Lebensdauerabschätzung von Elastomerbauteilen standardisierte Verfahren wie die Schadensakkumulation nach Palmgren-Miner zum Einsatz. Dabei stehen die mechanischen Beanspruchungen im Vordergrund, sie gehen aber nicht auf etwaige Temperaturänderungen während des Betriebes ein. Gerade diese sind aber bei Elastomerbauteilen von Bedeutung. Wärme und ihre Folgen standen beim Forschungsprojekt „Elasto-Opt“ im Fokus.

Sie kann durch die Umgebung, wie beispielsweise durch die Abstrahlwärme des Motors, oder durch die eigene Bewegung entstehen. Elastomere haben ein viskoelastisches Materialverhalten und können je nach Mischung große Dehnungen ohne Probleme ertragen. Bei möglichst großer oder schneller Beanspruchung erwärmt sich das Material durch innere Reibung. Dieses Verhalten hat bei Versuchen mit Werkstoffproben unter Raumtemperatur zu Oberflächentemperaturen von über 80°C geführt.

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Elasto-Opt“ konnten die LBF-Wissenschaftler zeigen, wie sich Temperaturänderungen auf die Lebensdauer von Werkstoffproben und Bauteilen auswirken. Anhand einer Elastomermischung auf Naturkautschukbasis bestimmten sie mit Materialtests das Zusammenspiel zwischen der Oberflächentemperatur, Lastamplitude und Belastungsfrequenz.

Die Ergebnisse zeigten anhand der Werkstoff-Wöhlerlinien einen deutlichen Lebensdauerabfall bei erhöhter Oberflächentemperatur. Um die nötigen Rückschlüsse herstellen zu können, absolvierten die Darmstädter Forscher ein umfangreiches Versuchsprogramm mit einer einfachen Werkstoffprobe und zwei im Automobilbereich üblichen Elastomerlagertypen. Alle Versuche wurden jeweils mit einer niedrigen und einer hohen Oberflächentemperatur durchgeführt. Es entstand eine Vielzahl temperaturkonstanter Wöhler- und Gaßnerlinien.

Neues Konzept zur temperaturabhängigen Lebensdaueranalyse

Alle experimentellen Ergebnisse zog das Fraunhofer LBF anschließend für einen Vergleich numerischer Methoden zur Lebensdauerabschätzung heran. Anhand der gewonnenen Daten erstellte das Team ein Konzept zur temperaturabhängigen Lebensdaueranalyse, das die üblichen Methoden zur Schätzung der Ermüdungslebensdauer modifiziert.

Das Konzept wurde auf seine grundlegende Funktionalität hin überprüft und mit den aus dem Projekt entstandenen experimentellen Daten validiert. Damit lässt sich die Ermüdungslebensdauer der Komponenten mit Hilfe des örtlichen Konzepts und temperaturabhängiger Werkstoff-Wöhlerlinien als Basis vorhersagen. Dieser neue Ansatz integriert die Temperatur als beeinflussenden Parameter in allen Bereichen der rechnerischen Betriebsfestigkeitsanalyse.

Angesichts des Potentials dieser Konzeptidee ist ein Folgeprojekt bei der AiF beantragt. Darin soll das erarbeitete Konzept durch Untersuchungen an weiteren Elastomermischungen und Bauteilen validiert werden. Darüber hinaus sollen im Projekt Anwendungsempfehlungen abgeleitet und Konzeptgrenzen identifiziert werden.

Das Fraunhofer LBF entwickelt, bewertet und realisiert im Kundenauftrag maßgeschneiderte Lösungen für maschinenbauliche Komponenten und Systeme, vor allem für sicherheitsrelevante Bauteile und Systeme. Der Leichtbau steht dabei im Zentrum der Überlegungen. Neben der Bewertung und optimierten Auslegung passiver mechanischer Strukturen werden aktive, mechatronisch-adaptronische Funktionseinheiten entwickelt und proto-typisch umgesetzt.

Parallel werden entsprechende numerische sowie experimentelle Methoden und Prüftechniken vorausschauend weiterentwickelt. Die Auftraggeber kommen aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, dem Bauwesen, der Medizintechnik, der chemischen Industrie und weiteren Branchen. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der rund 500 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 11 560 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche an den Standorten Bartningstraße und Schlossgartenstraße.

Redaktion:
Anke Zeidler-Finsel
Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Institutsleiter (komm.): Prof. Dr.-Ing. Tobias Melz
Bartningstraße 47
64289 Darmstadt
Telefon +49 6151 705-268
www.lbf.fraunhofer.de  
anke.zeidler-finsel@lbf.fraunhofer.de

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