Europäisches Projekt zur verstärkten Verwendung von recycelten Kunststoffen in Elektronik-Produkten gestartet

Die Projektpartner entwickeln neue datenbasierte Sortiersysteme, die verhindern, dass potenziell gefährliche Stoffe in den Kreislauf des Kunststoff-Recyclings gelangen.
© Fraunhofer IZM

Als Teil des EU-Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft wurde im Jahr 2018 die Strategie für Kunststoffe verabschiedet: Ihr Ziel ist es, den Anteil recycelter Kunststoffe in neuen Produkten zu erhöhen. Als zentrales Element soll sichergestellt werden, dass bis 2025 zehn Millionen Tonnen recycelter Kunststoffe in neuen Produkten in den europäischen Markt einfließen*, während es 2016 noch weniger als vier Millionen Tonnen waren**.

Hintergrund

2016 sind lediglich 5,3 Millionen Tonnen Kunststoff-Material in die EU-Recyclinganlagen eingegangen. Nach dem Recyclingprozess verringert sich die Ausbeute an Recyclingkunststoffen üblicherweise nochmals um die Hälfte. Es gilt also, die Sammelquote sowie Ausbeute deutlich zu steigern und mehr gesammeltes Material in die Anlagen einzuspeisen, so dass es nicht verbrannt, deponiert oder exportiert wird. Darüber hinaus ist es wichtig, die Nachfrage nach recyceltem Kunststoff, besonders bei höherwertigen Anwendungen wie Elektro- und Elektronikgeräten (EEE), anzukurbeln. Derzeit werden recycelte Kunststoffe vorwiegend im Baugewerbe (46%), der Verpackungsindustrie (24%) und in der Landwirtschaft (13%) eingesetzt – nur 2% der Rezyklate landen aktuell in den EEE. Dies entspricht circa 80.000 Tonnen recycelter Kunststoffe in neuen elektrischen und elektronischen Geräten, das theoretische Marktpotenzial in der EU beträgt dabei jährlich rund 2.100.000 Tonnen***.

Über das Projekt

Das INCREACE-Projekt wird von der Europäischen Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales (HaDEA) der Europäischen Kommission im Rahmen des Horizon Europe Cluster 4 Programms gefördert.

Mit dem Projekt soll der Einsatz recycelter Kunststoffe in verschiedenen Produkten mittels innovativer und interdisziplinärer Lösungen entlang der Recycling-Wertschöpfungskette gesteigert werden. Dieser systemische Rahmen ist in den EEE-Kontext eingebettet. Mit dem Einsatz der Kunststoffe aus EE-Altgeräten (WEEE) werden im INCREACE-Projekt Bereiche adressiert, in denen der Gebrauch recycelter Kunststoff-Materialien heute noch marginal ist: Im Mittelpunkt des Projekts stehen fünf Anwendungsfälle, die mitunter komplexe Aspekte im EEE-Bereich wie Lebensmittelkontakt, Medizinanwendungen, Elektrostatische Entladung (ESD) und UL94-Entflammbarkeitsnormen und Hightech-Kunststoffkomponenten in Elektro- und Elektronikgeräten abdecken. Um die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen zu meistern, bringt INCREACE Schlüsselakteure verschiedener Sektoren wie Forscher*innen, Recycler*innen, Produktdesigner*innen, Komponenten- und EEE-Hersteller*innen, Softwareentwickler*innen, ein Extended Producer Responsibility-System sowie Berater*innen zusammen. Technologien und Methoden aus den unterschiedlichen Disziplinen werden kombiniert, um zu demonstrieren, dass gezielte Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine effektive Lösung sind, um mehr Post-Consumer-Kunststoffe in EEE einzusetzen.

Der Ansatz

Die Projektpartner entwickeln neue datenbasierte Sortiersysteme, die verhindern, dass potenziell gefährliche Stoffe in den Kreislauf des Kunststoff-Recyclings gelangen. Zudem kombinieren sie komplementäre Recyclingtechnologien (mechanisch, chemisch und lösungsmittelbasiert), um die Gesamtausbeute bei der Verwertung zu erhöhen. Die Rückverfolgbarkeit der Materialien spielt dabei eine entscheidende Rolle. Daher stützt sich INCREACE auf einen innovativen Blockchain-Ansatz. Das gesamte Konzept wird auf konkrete Fallbeispiele angewandt und danach validiert.

Ebenfalls werden in INCREACE die Auswirkungen systematischer Transformationen in der Kunststoffindustrie aus wirtschaftlichem, regulatorischem, technologischem und materiellem Blickwinkel analysiert. Darüber hinaus soll das Projekt Menschen und Gemeinden dazu anregen, die eigene Rolle bei der Umstellung auf Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Kunststoffe zu stärken: Beispielsweise durch eine optimierte Sammlung von Kunststoffabfällen und eine Steigerung der Nachfrage nach Produkten mit Kunststoffrezyklateinsatz.

Im weiteren Verlauf kann die Wirksamkeit der erworbenen Kenntnisse durch gezielte Anregungen zur Standardisierung (z.B. Definition von Rezyklaten, Rückverfolgbarkeit und Prüfverfahren, Qualitätskontrolle, Beurteilung der Anwendbarkeit für bestimmte Produkte, etc.), im Rahmen politischer Entscheidungsfindung ebenso wie für die aktive und umfassende Einbindung aller relevanten Interessengruppen als Akteure im Transformationsprozess hin zum Kunststoffkreislauf gesteigert werden. Auf dieser Grundlage leistet INCREACE Beiträge zur EU-Kunststoffstrategie, zum ersten und zweiten Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft sowie zum Green Deal, der im Besonderen Maßnahmen für ressourcenintensive Branchen wie die Elektronik und den Kunststoffsektor vorsieht****.

In den nächsten Monaten werden die Projektpartner technische Anforderungen sowie für die Produktion von Recyclingprodukten notwendige Mengen von Kunststoffabfall definieren, Stakeholder und Wertschöpfungsketten für die einzelnen Fallbeispiele erfassen, um dann geeignete Recyclingtechnologien für jede Produktlinie zu identifizieren. Der interdisziplinäre und datenbasierte Ansatz verspricht, aktuelle Herausforderungen zu meistern und eröffnet die Perspektive, Rezyklate zum neuen Rohstoff der Zukunft werden zu lassen.

Projektpartner
• Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung – (Fraunhofer IZM Koordinator, Fraunhofer IVV)
• Vlaamse instelling voor technologisch onderzoek (VITO)
• Katholieke Universiteit Leuven – KU Leuven
• Pezy Group
• Plastika Skaza
• Vorwerk Elektrowerke GmbH
• Neste Oyj
• Partners for Innovation
• Mirec
• Cabka Spain Sociedad Limitada
• PAS Deutschland GmbH
• Universiteit Maastricht
• SAP SE
• EGEN
• Philips Electronics Nederland
• Erion Compliance Organization S.c. a r.l.

* European Commission (2018) – A European Strategy for Plastics in a Circular Economy – Annex III (1)
** European Commission (2019) – Assessment report of the voluntary pledges under Annex III of the European Strategy for Plastics in a Circular Economy
*** PlasticsEurope (2019) – The Circular Economy for Plastics – A European Overview (p. 26)
**** European Commission COM(2019) 640 final – The European Green Deal

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Gergana Dimitrova l Telefon +49 30 46403-7963 l gergana.dimitrova@izm.fraunhofer.de |
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM I Gustav-Meyer-Allee 25 | 13355 Berlin | www.izm.fraunhofer.de |

Originalpublikation:

https://www.izm.fraunhofer.de/de/news_events/tech_news/europaeisches-projekt-zur…

Media Contact

Susann Thoma Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer