Energie, sicher und leicht transportiert – Adaptive Verarbeitung komplexer Steuerungsdaten

Tapewickelprozess Bildquelle: Fraunhofer IPT

Rohre, die in der Tiefsee zur Gas- oder Ölförderung dienen, müssen extremen Belastungen durch Wellengang und Druck standhalten und dauerhaft beständig gegenüber Korrosion und Verwitterung bleiben. Gewickelte Rohre aus faserverstärkten Kunststoffen eignen sich daher besonders gut für Riser-Systeme mit denen sich Öl und Gas zukünftig auch im Ultra-Deep-Water-Bereich fördern lassen.

Der Vorteil des Materials gegenüber dem Einsatz von Metall in diesen Strukturen: Durch die hochbelastbaren und sehr korrosionsfesten faserverstärkten Kunststoffe können metallische Verstärkungsschichten in mehrlagigen Riser-Rohren eingespart werden, sodass sich das Eigengewicht der Rohre insgesamt deutlich reduziert – bei zwei bis drei Kilometer langen Rohren ein deutlicher Gewinn für die Leistungsfähigkeit des gesamten Rohrsystems.

Alles geregelt: Laser und Wickelanlage stimmen sich ab

Der Laser, der beim Wickelprozess zum Aufschmelzen des Matrixmaterials genutzt wird, muss zum richtigen Zeitpunkt eine genau vorgesehene Menge an Energie in die Prozesszone einbringen. Gleichzeitig sind das System und das sogenannte Halbzeug, also das noch nicht verschmolzene Ausgangsmaterial, während des laufenden Betriebs dauernd in Bewegung.

Große Mengen an Steuerungsdaten müssen in Echtzeit berechnet und übertragen werden, damit der Wickelprozess kontinuierlich läuft. Nur so ist gewährleistet, dass einerseits der Werkstoff nicht überhitzt und andererseits die einzelnen Lagen dennoch ausreichend miteinander verschweißt werden.

Um alle Systemkomponenten optimal aufeinander abzustimmen, werden die thermischen Charakteristiken in der Prozesszone mit einer Hochgeschwindigkeits-Wärmebildkamera aufgezeichnet und mit einer Simulationssoftware und Data-Mining-Algorithmen bereits während des Prozesses analysiert. Auf diese Weise lässt sich präzise die Wärmeenergie bestimmen, die für den Schweißvorgang im nächsten Augenblick erforderlich ist.

Die Maschinensteuerung kann in Verbindung mit einer neu entwickelten Laseroptik auf Grundlage der Datenanalyse die Leistung und die Intensitätsverteilung der Wärmequelle sofort regeln und anpassen. Eine gleichzeitige kontinuierliche Überwachung der Wickelqualität direkt hinter der Prozesszone stellt sicher, dass sich das Produktionssystem immer mehr der optimalen Prozessgeschwindigkeit annähern kann.

Qualitätsüberwachung und Reaktion in Echtzeit

Die Online-Qualitätsüberwachung, die mit dem Regelungssystem verknüpft ist, gibt dem Anwender anhand einer neu entwickelten Mensch-Maschine-Schnittstelle direkte Rückmeldung über den laufenden Prozess und den Zustand des Bauteils und erlaubt es ihm, bei Bedarf direkt in den Prozess einzugreifen. So können die Fertigungsprozesse bis an ihre Grenzen ausgereizt werden, ohne die Bauteilqualität zu gefährden.

Die Vernetzung sämtlicher System- und Softwarekomponenten durch geeignete Schnittstellen und Datenverarbeitung ist dafür die Grundvoraussetzung. Die Daten werden kontinuierlich und strukturiert in Datenbanken importiert, sortiert und mit geeigneten Analysemethoden ausgewertet. Dazu zählen beispielsweise Verlässlichkeitsanalysen, mit denen die Standzeit der Gesamtanlage verlängert werden kann, aber auch Lebensdauerbetrachtungen für die gefertigten Produkte, die vor- und nachgelagerte Prozessschritte berücksichtigen.

Die Entwicklungsarbeiten zu den einzelnen Modulen des neuen Systems sind beinahe abgeschlossen. Nun sollen diese am Fraunhofer IPT in eine funktionsfähige Tapewickelanlage integriert und an die modellbasierte Steuerung angebunden werden. Dann wollen die Projektpartner mit dem ambliFibre-System Rohre und Druckbehälter fertigen, deren Belastbarkeit mit konventionell hergestellten Bauteilen verglichen wird.

Die gewickelten Rohre aus faserverstärkten Kunststoffen sollen dann im sogenannten Upstream auch unkonventionelle Quellen für Öl und Gas erschließen und sind mit ihren Eigenschaften darüber hinaus optimal für den Einsatz als Pipeline für den Transport geeignet. Druckbehälter, die mit dem Wickelverfahren hergestellt werden können, sind besonders für die Automobilindustrie interessant und müssen aktuell einen inneren Druck bis zu 15 bar aushalten. In der Zukunft kann diese Technologie auch bei der Fertigung von Wasserstofftanks angewendet werden, wenn die Brennstoffzellen-Technologie verbreitet Einzug hält.

Projektpartner

– Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen, Deutschland (Koordinator)
– Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, Aachen, Deutschland
– Pultrex Ltd., Manningtree, Vereinigtes Königreich
– University of Twente, Enschede, Niederlande
– MACH4 Lab Srl, Cologno Monzese, Italien
– Video Systems Srl, Codroipo, Italien
– New Infrared Technologies S.L., Madrid, Spanien
– Ixun Lasertechnik GmbH, Aachen, Deutschland
– Life Cycle Engineering Srl, Turin, Italien
– HBN-Teknik A/S, Ringsted, Dänemark
– GE Oil & Gas UK Ltd., Newcastle upon Tyne, Vereinigtes Königreich
– Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS), RWTH Aachen, Deutschland
– Lehr- und Forschungsgebiet Konstruktion und Entwicklung von Mikrosystemen (KEmikro), RWTH Aachen, Deutschland

Dieses Projekt erhält Förderung durch das »Horizon 2020« Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union unter Grant Agreement No. 678875.

Kontakt

Martin Schäkel M.Sc.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Steinbachstraße 17
52074 Aachen
Telefon +49 241 8904-147
martin.schaekel@ipt.fraunhofer.de
www.ipt.fraunhofer.de

Diese Pressemitteilung und druckfähiges Bildmaterial finden Sie auch im Internet unter
www.ipt.fraunhofer.de/de/presse/Pressemitteilungen/20170516_energie-sicher-und-leicht-transportiert-adaptive-verarbeitung-komplexer-steuerungsdaten-im-leichtbau.html

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Media Contact

Susanne Krause Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

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