Strukturen der Laubholz-Röhren und Nadelholz-Netze


Biomorphe Keramik für technische Anwendungen

Wasserleitung, Stützgerüst, Stoffwechselapparat und Vorratsspeicher – Holz als natürlicher Verbundwerkstoff ist darauf eingerichtet, für lebende Pflanzen vielerlei Funktionen zu übernehmen. Kann das Wachstum von Holz aber auch so beeinflusst werden, dass es als Ausgangsmaterial für zelluläre Keramiken besonders günstige Strukturen mitbringt, und wie verändern sich die Eigenschaften solcher Keramiken, wenn das Holzgewebe, das die Form vorgibt, variiert? Die Arbeitsgruppe Biomimetik (Leiter: Dr. Heino Sieber) am Lehrstuhl für Glas und Keramik der Universität Erlangen-Nürnberg und das Institut für Holzforschung an der Technischen Universität München (Projektleiter: Prof. Dr. Jörg-Helmut Fromm) wollen diese Fragen gemeinsam klären. Die DFG fördert dieses Verbundvorhaben im Rahmen ihres interdisziplinären Programms „Vom Molekül zum Material“.

Verschiedene Zelltypen formen den Verbundwerkstoff Holz, wobei das Vorkommen und die Anordnung der Zellen je nach Baumart unterschiedlich sind. Laubhölzer sind generell anders aufgebaut als Nadelhölzer. Das Holz der Nadelbäume wird fast ausschließlich aus Tracheiden gebildet, langgestreckten, parallel zur Stammachse ausgerichteten Faserzellen, die auch für die Wasserversorgung zuständig sind. Im Querschnitt gesehen, formen sie ein engmaschiges, relativ einheitliches Netz. Der Durchmesser der Tracheiden beträgt maximal 50 mm; er schwankt in Abhängigkeit von der Jahreszeit und von den Wachstumsbedingungen.

Typisch für Laubbäume sind dagegen eigene Wasserleitungsgefäße, die Tracheen, die einen zehnmal höheren Durchmesser erreichen können und Röhren bis zu einer Länge von mehreren Zentimetern bilden. Andere Zellstrukturen ermöglichen einen Stofftransport quer zu Stammachse. Darüber hinaus sind die Zellen durch Wandunterbrechungen miteinander verbunden. So entsteht ein dreidimensionales, offen poröses Transportsystem, das weit weniger homogen ist als das Zellsystem der Nadelhölzer.

Pappel und Kiefer als Prototypen

Wegen dieser Verschiedenheiten wurden für das Forschungsprojekt zwei Holzarten als Modellsysteme gewählt, die Pappel als Beispiel für Laubholz und die Kiefer als Vertreterin der Nadelhölzer. Die wichtigsten Biomoleküle – Cellulose als Gerüstsubstanz der unverholzten Zellwand, Hemicellulosen, die lange Zuckerketten bilden, und die als Verholzungsstoff bekannte Mischsubstanz Lignin – sind in unterschiedlichen Mengenverhältnissen vertreten. Kohlenstoff und Sauerstoff machen insgesamt mehr als 90 Prozent der elementaren Zusammensetzung von Holz aus. Der hohe Gehalt an Kohlenstoff ist die Grundlage des Biotemplating, der Hochtemperatur-Umsetzung zu Biokohlenstoffformen.

Bio-Templating:

Die Zellstruktur von Holz (oder anderen natürlich gewachsenen Materialien) kann dazu genutzt werden, neuen keramischen Werkstoffen eine innere Struktur zu geben. Ein Weg dazu führt über das Bio-Templating. Die wichtigsten Biomoleküle, aus denen Holz besteht – Cellulose, Hemicellulosen und der Verholzungsstoff Lignin – sind etwa zur Hälfte aus Kohlenstoff aufgebaut. Bei Hochtemperatur-Umsetzungsreaktionen bleiben Kohlenstoffstrukturen übrig, die wie die Holzzellen angeordnet sind. Sie bilden ein poröses Gitterwerk, in dem das Zellgerüst, einzelne Zellwände und die daraus aufgebauten Fasern noch erkenntlich sind.

Die Pyrolyse, die Zersetzung durch Wärme, geschieht in einem Hochtemperaturofen bei bis zu 1800°C in einer Stickstoffatmosphäre. Da dabei reine Kohlenstoffstrukturen entstehen, wird dieser Vorgang als Carbonisierung bezeichnet. Die Biokohlenstoffformen, auch CB-Template genannt, werden anschließend bei 1600°C mit flüssigem Silicium infiltriert. Dazu ist kein Druck nötig, da zellulär aufgebaute Transportsysteme Flüssigkeiten spontan weiterleiten, in sich „aufsaugen“. Silicium und Kohlenstoff verbinden sich, und innerhalb von vier Stunden hat sich die Kohlenstoffstruktur völlig in Siliciumkarbid umgewandelt. In den Porenkanälen bleibt unreagiertes Silicium zurück, so dass ein zellulärer Si/SiC-Verbundwerkstoff entsteht.

Vierjährige Vorarbeit an zellulären Werkstoffen

Mit diesem neuartigen Verfahren zur Werkstoffsynthese befasst sich die Arbeitsgruppe Biomimetik am Lehrstuhl von Prof. Dr. Peter Greil seit rund vier Jahren. Keramische Bauteile mit Porendurchmessern im Mikrometerbereich eignen sich besonders als Isolations- und Katalysatorträgerstrukturen. Hier kommen vorwiegend Laubhölzer als innere Formgebungswerkzeuge in Frage. Nadelhölzer, deren Tracheiden bei der Infiltration meist vollständig mit Silicium gefüllt werden, sind eher zur Herstellung von Bauteilen mit hoher Dichte, Festigkeit und Steifigkeit geeignet.

In dem Kooperationsprojekt wird untersucht, inwiefern die Eigenschaften von biomimetischen Keramiken sich verändern bzw. zu steuern sind, indem das Holzwachstum gezielt beeinflusst wird. Zur Regulierung des Wachstumsprozesses setzt das Münchner Institut für Holzforschung chemische und mechanische Methoden ein. Die Erlanger Werkstoffwissenschaftler stellen die Keramiken aus den unterschiedlichen Ausgangshölzern her, analysieren die Mechanismen der Strukturabformung für Zellgerüst, Zellwand und Cellulosefasern und setzen die jeweiligen Eigenschaften der zellularen SiC-Keramiken mit den spezifischen Gewebestrukturen der Ausgangsmaterialien in Beziehung.

Kontakt:
Dr. Heino Sieber
Arbeitsgruppe Biomimetik, Lehrstuhl Glas und Keramik
Martensstraße 5, 91058 Erlangen
Tel.: 09131/85 -27553, Fax: 09131/85 -28311
E-Mail: heino@ww.uni-erlangen.de

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Heidi Kurth idw

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