Mediendichtes Umspritzen von Metallteilen ohne Haftvermittler

Die Kombination von Kunststoffen und Metallen beim Spritzgießen ist heute Stand der Technik. Diese Werkstoffkombination findet man beispielsweise bei Strukturteilen und Steckersystemen. Für die Herstellung der Kunststoff-Metall-Hybridteile wurden unter anderem bereits Möglichkeiten zur Vermeidung der Gratbildung erarbeitet. Allerdings wird immer häufiger auch eine Mediendichtigkeit an den Schnittstellen zwischen Metall und Kunststoff gefordert, um die Funktion der Hybridteile über deren gesamte Lebensdauer zu gewährleisten.

Komplexität der Baugruppe steigt durch Mehrfachsicherung oder Mehrfachabdichtung

Diese Forderung wird heute oftmals nach dem Hosenträgerprinzip erfüllt: durch Mehrfachsicherung oder Mehrfachabdichtung. Dabei steigen jedoch Teilevielfalt, Materialbedarf und Komplexität der Baugruppe. Einfacher ist dagegen das direkte Umspritzen metallischer Einlegeteile mit thermoplastischen Kunststoffen inklusive der Erzeugung einer mediendichten Verbindung zwischen Werkstoffen, die chemisch keine Affinität zueinander haben. Daher kann es beim direkten Umspritzen der Metallteile zu einer Spaltbildung kommen, die aufgrund der Kapillarwirkung zu einem Eindringen eines Mediums führt. Die Folge ist ein Ausfall des Bauteils, der Baugruppe oder gar des Gesamtprodukts.

Verwendung von Haftvermittler wirtschaftlich nicht optimal

Um das zu vermeiden, werden heute üblicherweise Haftvermittler auf das Metallteil aufgebracht, die zu einer Steigerung der Dichtigkeit des Kunststoff-Metall-Verbunds führen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist das nicht optimal. Daher ist es das Ziel beim Umspritzen metallischer Einlegeteile, auf die meist kostenintensive Applikation von Haftvermittlern zu verzichten und eine Steigerung der Dichtigkeit allein durch die Auswahl des umspritzenden Kunststoffs zu ermöglichen.

Genau diesem Ziel hat sich das Verbundprojekt „Umspritzen von Metallteilen“ gewidmet, das zwei Jahre lang vom Kunststoff-Institut Lüdenscheid durchgeführt und von 38 Unternehmen unterstützt wurde. Im Rahmen dieses Projekts wurden Maßnahmen entwickelt, anhand derer die Projektteilnehmer Rückschlüsse auf eigene Prozesse und Produkte ziehen konnten.

Füllstoffanteil im Kunststoff hat hohen Einfluss auf die Dichtigkeit

Bei den im Projekt erstellten Metall-Kunststoff-Verbindungen wurden Stanzgitter aus einer Kupferlegierung (CuSn6) mit verzinnter Oberfläche in die Versuchsreihen eingebunden. Um den Einfluss auf die erreichbare Dichtigkeit deutlich zu machen, wechselte man den Kunststoff, änderte man die Verfahrensparameter und die Temperatur der metallischen Einlegeteile.

Ferner wurde die Auswirkung von Haftvermittlern und zusätzlichen Fertigungsschritten auf die Dichtigkeit betrachtet. Zur Lokalisierung von Leckagen kam Luft zur Anwendung, es wurde die Differenzdruckmethode angewendet. Zudem mussten die Versuchsteile nacheinander drei unterschiedlichen Klimawechseltests standhalten. Die Ergebnisse gaben Aufschluss über die Alterung, wobei man sich bei der Beurteilung des Stressverhaltens an Normen orientierte, die für Automobilinterieur- oder Motorraumteile üblich sind.

Füllstoffanteil des Kunststoffs beeinflusst Dichtigkeit des Hybridteils

Die Untersuchungen zeigten, dass der Füllstoffanteil des Kunststoffs einen großen Einfluss auf die Dichtigkeit des Hybridteils hat. Glasfasergefüllte Kunststoffe offenbarten dabei mit Zunahme des Füllanteils eine größere Leckage, die durch Verwendung von Glaskugeln reduziert werden kann. Ferner kamen im Rahmen der Untersuchungen verschiedene Haftvermittler zur Anwendung. Sie führen üblicherweise zu einer prägnanten Steigerung der Dichtigkeit im Vergleich zu einer unbehandelten Referenz-Verbindung.

So wurde durch Beschichten des Stanzgitters mit einem Haftvermittler eine so hohe Dichtigkeit bei einer Polyamid-Umspritzung (PA 66) erzeugt, dass man am entstandenen Verbund keine Leckage detektieren konnte. Die Eignung eines Haftvermittlers hängt dabei von Aspekten wie der chemischen Kompatibilität zum Kunststoff, den Verarbeitungsbedingungen und dem späteren Stressverhaltens des Hybridteils ab.

Hohe Dichtigkeit des Verbunds trotz Bauteilstress

Soll auf Haftvermittler verzichtet werden, muss der Kunststoff für eine hohe Dichtigkeit der Verbindung sorgen. Die Untersuchungen zeigten Kunststoffe, die trotz Bauteilstress einen sehr guten Verbund mit dem metallischen Einleger erzeugen. So wurde beim Umspritzen mit einem Hochleistungskunststoff keine Undichtigkeit festgestellt. Dagegen führten die Klimawechseltests bei konventionellen technischen Kunststoffen zu Grobleckagen in der Grenzfläche. In diesem Zusammenhang wurde ferner anhand eines PPS-Werkstoffs festgestellt: Eine Einfärbung des Kunststoffs, die das Schwindungsverhalten und andere Eigenschaften beeinflusst, hat Auswirkung auf die Dichtigkeit des Verbunds.

Im Rahmen des Verbundprojekts wurde in Kooperation mit dem Kunststofferzeuger BASF ein Polyamid entwickelt, das besondere Dichteigenschaften hat. Dieser technische Thermoplast kann somit hervorragend als dichtender Vorspritzling verarbeiten werden. Dieser Kunststoff stand zunächst für die Projektteilnehmer exklusiv zur Verfügung und wird nun von BASF unter dem Handelsnamen Ultramid Seal-Fit auf dem Markt vertrieben.

In einem weiteren Versuchsaufbau wurde die Möglichkeit eines nachträglichen Abdichtens undichter Hybridteile eruiert. Zur Anwendung kamen dabei duroplastische Vergussmassen auf Basis von Polyurethan, Epoxid, Silikon und Methacrylat. Die Dichtigkeit der nachbehandelten Verbindungen wurde analog zu den bisherigen Untersuchungen nach jedem der drei Klimawechseltests erfasst und bewertet. Dabei zeigte sich, dass der Verguss zu einer höheren Dichtigkeit des Verbundes führen kann.

Wenige Vergusssysteme hielten drittem Klimawechseltest stand

Außerdem offenbarten die Ergebnisse, dass nur wenige Vergusssysteme dem dritten Klimawechseltest standhielten. Die meisten Vergussmassen lösten sich dagegen vom metallischen Einlegeteil. Es kam zu Undichtigkeiten. Prinzipiell muss beachtet werden, dass einige Vergussmassen bei niedrigen Temperaturen verspröden. Diese duroplastischen Werkstoffe sind somit nicht in der Lage, auftretende Spannungen ausgleichen zu können.

Aufgrund der Ergebnisse, des zunehmenden Marktinteresses sowie neuer Entwicklungen im Bereich der Vergusstechnik hat das Kunststoff-Institut Lüdenscheid sich entschlossen, ein Verbundprojekt mit dem Namen Hotmeltverarbeitung anzubieten. Dieses Forschungsprojekt wird sich speziell mit der Verarbeitung und den Eigenschaften von thermoplastischen Vergusssystemen im Zusammenhang mit der Kapselung elektronischer Baugruppen und der Prozessführung beschäftigen.

Prozessführung beim Umspritzen hat großen Einfluss auf das Ergebnis

Weil aus der Erfahrung heraus sich die Prozessregelung beim Umspritzen von Metallteilen erheblich auf die Eigenschaften von Hybridteilen auswirkt, wurde der Einfluss der Verfahrensparameter auf die Dichtigkeit des Kunststoff-Metall-Verbunds ermittelt. Dazu bediente man sich der statistischen Versuchsplanung. Sie ermöglicht eine strukturierte Planung und Auswertung der Versuche und führt in der Regel zu einer Verringerung des Versuchsumfangs.

Auf Basis der statistischen Versuchsplanung wurden zusätzlich zu den Haupteffekten einzelner Prozessparameter auch Wechselwirkungen zwischen mehreren Parametern detektiert. So wurde bei Variation der Verfahrensparameter die Dichtigkeit der Umspritzung mit PA 66 ermittelt. Die Luftleckage der Differenzdruckprüfung bei 0,5 bar Prüfdruck reichte von 1,3 cm3/min bis zu nicht mehr messbaren Leckagen. Das verdeutlicht den enormen Einfluss der Prozessführung auf die Dichtigkeit des Verbunds.

Aufgrund der Vielzahl an Untersuchungen und ermittelten Ergebnissen innerhalb des Projekts wurde eine Dichtigkeitsdatenbank erstellt, die in Abhängigkeit von der Bauteilgeometrie alle ermittelten Leckraten über den Verlauf der Klimawechseltests dokumentiert. Diese Auflistung der Ergebnisse ermöglicht, bei eigenen Entwicklungen zielgerichtet nach den getesteten Werkstoffkombinationen zu suchen und davon die besten „herauszugreifen“. Die Datenbank beinhaltet die Ergebnisse zweier Projekte, die man am Kunststoff-Institut Lüdenscheid in einem Zeitraum von vier Jahren durchgeführt hat.

Kunststoffe mit Affinität zu Metallen sollen für absolute Dichtigkeit sorgen

Als Ergänzung ist seit Mai dieses Jahres ein Projekt am Laufen mit dem Ziel, Hybridteile mit hochdichten Verbindungen zwischen Kunststoff und Metall ohne Haftvermittler herzustellen. Im Blickpunkt stehen dabei Kunststoffe, die eine Affinität zu metallischen Werkstoffen haben. Außerdem wird untersucht, wie sich Additivwerkstoffe auf die Eigenschaften des Metall-Kunststoff-Verbunds auswirken. Die Beeinflussung der Dichtigkeit durch die Verfahrensparameter wird in diesem Projekt detailliert ermittelt und analysiert. Darüber hinaus werden Sonderverfahren, zum Beispiel die Verarbeitung von Hotmeltformmassen sowie das chemische Schäumen, näher betrachtet.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Kapselung elektronischer Komponenten durch thermoplastische Spritzgussformmassen. Dazu soll den Teilnehmern des Projekts ein Überblick über den Stand der Technik sowie über Neuigkeiten am Markt gegeben werden. Besonders die Auswahl eines geeigneten Werkstoffs, der eine schonende Ummantelung empfindlicher elektronischer Bausteine ermöglicht, findet dabei besondere Beachtung. Das Anschlussprojekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren, wobei der Einstieg von Unternehmen jederzeit möglich ist.

Dipl.-Ing. Marius Fedler leitet den Bereich Verfahrensentwicklung am Kunststoff-Institut Lüdenscheid. B. Eng. Timo Schulz ist Mitarbeiter am Institut.

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Marius Fedler und Timo Schulz MM MaschinenMarkt

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