Mechatronik im Einsatz

Acht Schweißroboter, zwei Brennerfahrwerke und zwei Handlingroboter umfasst die Fertigungszelle, die Cloos bei SSI Schäfer installierte. Dort sorgt sie für höheren Durchsatz in der Regalproduktion. Die Zelle liefert ein anschauliches Beispiel dafür, wie Mechatronik die Effizienz in der Fertigung steigern kann. Im Einsatz sind 74 Achsen.

Bereits seit den 50er-Jahren beschäftigt sich SSI Schäfer mit Lagerregalen. Heute gehört das expandierende mittelständische Unternehmen weltweit zu den führenden Anbietern von Lager- und Logistiksystemen. Das Leistungsspektrum reicht von der Konzeption über die Lagereinrichtung mit Produkten aus eigener Herstellung bis hin zur Realisierung komplexer Logistikprojekte als Generalunternehmer – vom Kleinteile- bis zum automatischen Hochregallager mit 45 Metern Höhe.

Bekannte Namen wie Otto-Versand, IKEA oder große Automarken wie BWM und Porsche nutzen die Kompetenz von SSI Schäfer beim Aufbau neuer Logistikstützpunkte. „Bei derartigen Anwendungen kommen oft Palettenregale zum Einsatz, etwa unser PR 600 als geschraubte Version und das PR 350 mit den geschweißten Rahmen“, erklärt Jörg Kassel, Betriebsleiter bei SSI Schäfer. Weil das Unternehmen diese Systeme nicht nur als Standardware, sondern auch kundenspezifisch fertigt – von der kleinsten Losgröße bis zu Riesenstückzahlen, in unterschiedlichen Lackierungen und Breiten – herrscht in den Produktionshallen reger Betrieb. „Zweischicht-Betrieb ist die Regel, manchmal müssen wir auch die dritte Schicht fahren, um die Aufträge zeitnah abarbeiten zu können“, so Kassel. Um die seit Jahren steigende Nachfrage bedienen zu können, suchen Kassel und sein Team permanent nach Optimierungsmöglichkeiten.

200 Regaltraversen pro Stunde

Nach einer Modernisierung der Lackierstraße nahm SSI Schäfer die vorgelagerte Schweißerei unter die Lupe: „Bei unseren hohen Stückzahlen kamen wir um eine Roboterlösung nicht herum.“ Im nahegelegenen Haiger, quasi direkt vor der Haustür, fand das Unternehmen einen passenden Spezialisten für Roboterschweißtechnik. „Mit den Cloos-Experten haben wir gemeinsam ein völlig neues Konzept entwickelt, das aus Schweiß- und Handlingrobotern sowie Brennerfahrwerken besteht“, erläutert Kassel. Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit, die möglichen Taktzeiten und die hohe Maßhaltigkeit der Endprodukte trieben die Techniker um. Schließlich sollte die neue Anlage 200 Regaltraversen in der Stunde schweißen können, die zwischen 900 und 4.500 Millimeter lang sind.

Die Lösung verblüfft sogar Fachleute: Zwei mal vier Schweißroboter plus zwei Handlingroboter und zwei Brennerfahrwerke arbeiten in der vier Meter hohen, eingehausten Fertigungszelle auf nur 16,5 Metern mal sieben Metern „Hand in Hand“ mit weiteren Handlingsystemen zusammen. Bedient wird diese komplexe Anlage von nur drei Mitarbeitern. Nachdem die gekanteten Profile von einem Kettenförderer auf den Rollengang der Fertigungszelle übergeben und positioniert sind, führen die beiden Handlingroboter die linke und rechte Einhängelasche exakt winkelgenau ans Profil, die dort von vier Robotern synchron verschweißt werden. Die beiden innenliegenden Brennerfahrwerke stabilisieren die Profile mit so genannten Stütznähten an mehreren Stellen, die je nach Länge der Profile variieren. „Durch diese Verbindungen konnten wir die Blechstärke auf nur 1,5 Millimeter reduzieren und gleichzeitig die Steifigkeit unserer Profile erhöhen“, sagt Jörg Kassel.

Der Transport zu den nachgeschalteten Schweißstationen der Roboterlinie erfolgt über ein Shuttlesystem, das die Profiltraversen dort sicher in eine Spannvorrichtung einlegt. Da die Traversen produktionstechnisch mit einer Längentoleranz bis maximal 0,5 Millimeter behaftet sein können, ist die Anlage mit einem Messsystem zur Luftspalt-Vermittlung ausgerüstet. Die jeweilige Längendifferenz wird an alle zehn Roboter übermittelt, die daraufhin ihre programmierten Bahnen entsprechend verschieben. „So stellen wir sicher, dass die verschweißten Traversen exakt gleich lang sind, damit sie später perfekt zwischen die Holme der Lagerregale passen“, erklärt Manfred Damm, Leiter des Unternehmensbereichs Sondermaschinen bei Cloos. Sollte ein Profil Übermaß haben, wird es ungeschweißt durchgeschleust.

Die Fertigungsqualität ist dank der folgenden 100-Prozent-Kontrolle dokumentiert und kann sich im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen: „Bei 1.000 Traversen müssen wir höchstens einmal nacharbeiten“, freut sich der Betriebsleiter. Außerdem sorge das spritzerarme Schweißergebnis für die gewünschte hochwertige Optik – und das bei einer Taktzeit von signifikant unter 20 Sekunden pro Traverse.

60 Roboterachsen und 14 Achsen für den Transport

Das System weist die stolze Anzahl von 74 NC-Achsen auf: 14 frei programmierbare für den Transport der Profile in der Anlage und 60 Roboterachsen. Damit alles reibungslos läuft, haben sich die Cloos-Techniker einiges einfallen lassen: Auf der Bühne oberhalb der Fertigungszelle stehen die Schaltschränke mit der übergeordneten Profibus-S7-SPS und den Rotrol-Robotersteuerungen aufgereiht. Ebenso sind hier die Fässer mit der Drahtzufuhr platziert. „140 Tonnen Schweißdraht verarbeiten wir hier im Jahr“, so Jörg Kassel. Die Cloos-HD-Antriebe führen den Brennern die Drähte über eine Entfernung von bis zu 13 Metern sicher zu.

Zwölf leistungsprogrammierte 350-A-Impulsstromquellen des Typs GLC 353 MC3-R sorgen für die richtigen Schweißströme. Die komplette Fertigungszelle wird komfortabel und übersichtlich über ein Tableau mit Zehn-Zoll-Touchscreen bedient. Die sechsachsigen Industrieroboter Romat 320 schweißen die Regalprofile im MAG-Verfahren. Da die Roboter und Peripherien der Anlage über Profibus vernetzt sind, werden die Daten der übergeordneten SPS direkt verarbeitet. So können Eingriffe und Korrekturen sowie Rüstzeiten auf ein Minimum reduziert werden. Etwa 900 Profiltypen von SSI Schäfer sind programmtechnisch möglich.

Die Steuerung verfügt über eine Kommunikationsschnittstelle für die schnelle Diagnose per Datenfernübertragung durch die Cloos-Techniker. Während des Automatikbetriebs können Korrekturwerte für Laschen und Schweißnähte einfach eingegeben werden. Die grafische Darstellung aller Endlagenschalter und die Statusmeldung der Bauteile in allen Stationen sorgen für eine hohe Übersichtlichkeit und Prozesssicherheit während der Fertigung. Eine frei programmierbare Schmierüberwachung des Shuttlesystems erhöht die Betriebssicherheit.

„Um mögliche Betriebsunterbrechungen zu minimieren, haben wir hier ein Servicelager mit allen wichtigen Ersatzteilen eingerichtet. Gemeinsam mit dem Cloos-Rundum-Service vom Werk Haiger sowie von der Werksvertretung Lixfeld in Siegen gab es bisher keine nennenswerten Probleme“, resümiert Jörg Kassel. Neben dem hohen Ausstoß und der gleichbleibenden Fertigungsqualität ist die Anlage auch wirtschaftlich ein Erfolg, denn die Investition in die neue Schweißanlage wird sich in kürzester Zeit amortisiert haben.

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Walter Lutz handling

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