Kamerageführte Roboter erhöhen den Durchsatz in Verpackungslinien

Seit der Einführung von Robotern zur Automatisierung arbeits- und kostenintensiver, sich wiederholender Aufgaben in der Automobilindustrie in den 60er und 70er Jahren haben sie sich zu immer intelligenteren, schnelleren und kostengünstigeren Werkzeugen weiterentwickelt.

Weil sich Industrieroboter für eine Vielfalt von Aufgaben einsetzen lassen, sind sie ideal für die Lösung anspruchsvoller Anwendungen, bei denen sie in der Lage sein müssen, zu sehen und beliebige Teile zu handhaben und neu auszurichten. Ein Marktsegment, das von diesen Entwicklungen besonders profitiert, ist die Verpackungsindustrie.

Typische kamerageführte Verpackungsanwendungen erfordern, dass der Roboter im Materialfluss durcheinander liegende Teile aussortiert. Um diese Aufgabe erledigen zu können, muss der Roboter die Lage und Ausrichtung der zu handhabenden Produkte erkennen. Dies erfordert intelligente Bildverarbeitungssysteme, die idealerweise in die Bewegungssteuerung des Roboters fest integriert sind.

Erkennungsprozess von Ausleuchtungsschwankungen unabhängig machen

Adept Technology war in den 80er Jahren Wegbereiter dieser Integration von Bildverarbeitung und Bewegungssteuerung. Der Roboter mit eingebauter Bildverarbeitung benutzt entweder Zeilenkameras oder flächenabtastende Kameras, um die Produkte auf einem sich bewegenden Förderband zu erkennen. Er verfolgt die Position des Transportbands mit Hilfe eines Förderband-Drehgebers.

Anhand der Position der Produkte auf dem Förderband, die durch das Bildverarbeitungssystem und die Position des Förderbands im Raum bestimmt wird, weiß der Roboter zu jedem Zeitpunkt, wo sich die Produkte im Raum befinden, und kann sie somit am Förderband positionsgenau abgreifen.

Einer der Hauptaspekte, um den Robotern das Sehen zu ermöglichen, ist eine genaue Objekterkennung. In der Vergangenheit verwendete man eine einfache Kleckserkennung, um die Position und Ausrichtung eines Produkts zu bestimmen. Diese hat natürlich den Nachteil, dass sie eine sehr deterministische Ausleuchtung des Bildobjekts erfordert und die Erkennung sich berührender Teile schwierig macht. Daher war eine gewisse Vorab-Ausrichtung und Vereinzelung der Produkte erforderlich.

Zur Teile-Erkennung benutzt das Bildverarbeitungssystem Adept-Sight einen Positionsgeber für geometrische Gegenstände. Heutige Bildverarbeitungssysteme verwenden meist das Konzept der geometrischen Objektlage-Bestimmung, das auf einem Graustufen- oder Farbbild basiert und bestimmte Objektmerkmale für Erkennungszwecke benutzt. Dies macht den Erkennungsprozess weitestgehend unabhängig von Ausleuchtungsschwankungen und ermöglicht die Erkennung sich berührender Objekte.

Qualitätskontrolle kann direkt am Förderband durchgeführt werden

Ein interessanter Nebeneffekt beim Benutzen der Bildverarbeitung zum Führen des Roboters ist die Möglichkeit, die ankommenden Produkte visuell zu überprüfen und eine Qualitätskontrolle direkt am Förderband durchzuführen. Bei Verwendung spezifischer Bildverarbeitungswerkzeuge nach dem Erkennen der Produkte kann eine Gut/Schlecht-Entscheidung getroffen werden, und der Roboter greift nur die Produkte ab, die bestimmte Kriterien erfüllen.

Verpackungsanwendungen können sehr dynamisch sein. Zahlreiche Anlagen erfordern, dass jeder Roboter bis zu 140 Produkte pro Minute handhabt, wobei eine komplette Verpackungslinie für einen Durchsatz von beispielsweise 1000 Produkten pro Minute sorgt. Weil die Rohprodukte und fertigen Verpackungen durch die Linie fließen müssen, sind hohe Förderband-Geschwindigkeiten erforderlich. Recht häufig benötigt man Geschwindigkeiten von 20 bis 30 m/min. Es wurden auch schon Anwendungen mit Bandgeschwindigkeiten von 60 m/min realisiert.

Steuerung und Bilderfassung sind fest synchronisiert

Daher muss die Bilderfassung mit der Robotersteuerung, welche die Position des Förderbands verfolgt, fest synchronisiert sein. Der Roboter muss die genaue Position des Bands zu dem Zeitpunkt kennen, an dem das Bild von der Kamera aufgenommen wird. Ein Flattern von beispielsweise nur 1 ms während der Bilderfassung würde bei einer Bandgeschwindigkeit von 1 m/s zu einer Ungenauigkeit von 1 mm führen. Typischerweise muss jedoch die Gesamtgenauigkeit des Systems im Bereich von 1 bis 2 mm liegen, so dass bei der Synchronisation Verzögerungszeiten von mehreren Mikrosekunden nötig sind, um die Genauigkeitsanforderungen zu erfüllen.

Wie bei jeder anderen kamerageführten Robotikanwendung müssen die Kameras auf den Roboter kalibriert werden. In Verpackungsanwendungen, bei denen Objekte von den sich bewegenden Förderbändern aufgenommen werden, müssen auch die Bänder selbst auf den Roboter kalibriert werden. Eine Lösung mit in die Bewegungssteuerung integrierter Bildverarbeitung bietet bereits fertig abrufbereite Kalibriermethoden. Dies macht es dem Maschinenbauer leicht, eine Anlage schnell und mühelos aufzustellen.

Flexibilität ist beim Verpacken Trumpf

Die beschriebene Technik lässt sich für einen weiten Anwendungsbereich in der Verpackungsindustrie nutzen. Bekannt ist der Einsatz von Robotern zum Verpacken von Pralinen oder Keksen. Der typische Durchsatz pro Roboter beträgt etwa 45 Teile pro Minute. Die Pralinen werden von einem Zuführband abgegriffen, an dem sie durcheinanderliegend ankommen.

Das Bildverarbeitungssystem ermittelt die Position und Ausrichtung, der Roboter greift die Praline vom Förderband ab und legt sie in die Blisterpackung auf dem Hauptförderband in der Mitte. Dort kommt es auf Flexibilität an, denn der Pralinenhersteller kann auf ein und derselben Produktionslinie eine Vielfalt an verschiedenen Mischungen fahren, mit nur wenigen Änderungen an Software und Greifer.

Das gleiche Konzept wurde auch eingesetzt, um Shampoo-Flaschen mit unterschiedlicher Form und Größe einer Flaschenabfüllanlage zuzuführen. Da eine eigene Zuführvorrichtung für jeden Flaschentyp nicht wirtschaftlich wäre, wurde mit kamerageführten Robotern ein flexibles Zuführsystem gebaut. Die leeren Flaschen werden einem Förderband zugeführt und das Bildverarbeitungssystem erkennt die Position und Ausrichtung.

Roboter mit Kinematiken beim Verpacken auf dem Vormarsch

Es prüft außerdem, ob die richtigen Flaschen zugeführt werden, und nur die richtigen Flaschen werden vom Band abgegriffen. Diese werden anschließend um 90° gekippt und senkrecht in einen Becherkettenförderer gestellt. Die tadellos ausgerichteten Flaschen werden dann zur weiteren Verarbeitung zur Abfüllstation transportiert. Auch dort ist Flexibilität ein Schlüsselwort. Einige Softwareänderungen sowie eine geringfügige Greifermodifikation erlauben eine schnelle Anpassung des Systems an neue Flaschentypen.

Mehrzweck-Scara-Roboter wurden bereits häufig in Verpackungsanwendungen eingesetzt. Während der vergangenen Jahre verschob sich die Entwicklung aber hin zum Einsatz von Robotern mit Kinematiken, die speziell für Hochgeschwindigkeitsanwendungen mit geringem Arbeitsaufwand maßgeschneidert wurden. Überall, wo Mehrzweck-Scara-Roboter beim Greifen und Ablegen einzelner Produkte auf eine Durchsatzleistung von etwa 60 bis 80 Teile pro Minute begrenzt sind, eignen sich parallele Roboter-Kinematiken wesentlich besser.

Delta-Roboter – bei hohen Geschwindigkeiten besonders wirtschaftlich

Diese Delta-Roboter benutzen beispielsweise drei parallele Arme, um eine Plattform im X-Y-Z-Koordinatensystem zu bewegen, und verwenden eine Teleskopwelle, um eine Theta-Drehung durchzuführen. Diese Robotertypen können etwa 120 Teile pro Minute handhaben und ermöglichen dadurch eine wirtschaftlichere Lösung bei Hochgeschwindigkeitsanwendungen. Das Konzept der Delta-Roboter ist heute in der Verpackungsindustrie etabliert.

Vier parallele Arme erhöhen Leistungsfähigkeit um 20%

Um den Durchsatz beim Hochgeschwindigkeits-Verpacken auf rund 140 bis 150 Teile pro Minute zu erhöhen, hat Adept einen neuen Typ von Roboterkinematik entwickelt, der einem Delta-Roboter ähnelt, aber anstelle von drei parallelen Armen und einer Teleskopwelle vier parallele Arme benutzt, um eine mit Gelenken versehene Plattform im Raum zu bewegen.

Dieser Quattro-Roboter, wie auch der Delta-Roboter, bietet vier Freiheitsgrade, um ein Teil in X-, Y- und Z-Richtung zu bewegen und es um seine Theta-Achse zu drehen. Durch die vier parallelen Arme ist die Leistungsfähigkeit des Quattro um etwa 20% höher als bei einem Delta-Roboter und bietet daher eine bessere Wirtschaftlichkeit in Verpackungslinien, bei denen mehrere Roboter im Einsatz sind.

Zur weiteren Steigerung der Wirtschaftlichkeit wurden die Servoverstärker für die Motoren vollkommen in den Roboter integriert. Dies ermöglicht es, einen beachtlichen Anteil an der teuren Grundfläche für den Schaltschrank der Verpackungslinie einzusparen, weil man dort nur die sehr kompakte Robotersteuerung einzubauen braucht. Für den Betrieb einer kompletten Verpackungslinie mit einem Durchsatz von 1000 Produkten in der Minute sind effiziente Software-Entwicklungswerkzeuge besonders wichtig.

Vorzugsweise wird die Last für die gesamte Produktionslinie gleichmäßig auf alle Roboter verteilt. Zur Maximierung der Durchsatzleistung muss jeder Roboter nahe der Höchstgeschwindigkeit arbeiten, ohne dass Teile unabgegriffen an den Robotern vorbeiziehen. Anschließend muss man sicherstellen, dass jede vom Roboter gefüllte Packung die gleiche Anzahl von Produkten enthält. Alle Roboter müssen als Team zusammenarbeiten. Speziell für diese Aufgabe bietet Adept eine Verpackungssoftware.

Miniaturisierung der Steuerungen ist Trend

Die weitere Miniaturisierung der Steuerungen ist einer der reizvollsten Bereiche heutiger Entwicklungen. Das Ziel besteht darin, die externe Robotersteuerung abzuschaffen und sie stattdessen, mitsamt der zugehörigen Bildverarbeitung, im Roboter selbst zu integrieren. Schließlich führt dies zu intelligenten, vernetzbaren Handhabungsgeräten, die eine leichte Integration und eine kostengünstige Art ermöglichen, Verpackungslinien zu bauen.

Dipl.-Ing. Joachim Melis ist Vice President Europe bei der Adept Technology GmbH in Dortmund.

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Joachim Melis MM MaschinenMarkt

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