Das Hinterspritzen von Metallfolien erhöht die Designfreiheit bei Kunststoffteilen

Zur Steigerung der Marktattraktivität von Produkten, beispielsweise für die Elektro-, Haushalts- und Automobilindustrie, geht der Trend zum individuellen Design und zu mehr Exklusivität. Dabei bieten Kunststoffteile aufgrund der großen Gestaltungsfreiheit, der Möglichkeit zur Massenproduktion sowie der Integration zusätzlicher Funktionselemente wirtschaftliche Vorteile.

Diese Vorteile führen teilweise zu einer Werkstoffsubstitution, zum Beispiel von Metallen. Dazu müssen Kunststoffteile jedoch die gesteigerten Anforderungen hinsichtlich Haptik und Optik erfüllen.

Um das zu erreichen, werden vermehrt Oberflächenveredelungsprozesse angewendet und hochwertige Dekormaterialien eingesetzt. Etablierte Veredelungsverfahren sind zum Beispiel das Bedrucken, Lackieren sowie Cubic-Printing. Für eine Metalloptik kommen auch das Galvanisieren, das Heißprägen sowie das Hinterspritzen von Kunststofffolien in Betracht.

Metallisches Aussehen für Kunststoffteile

Diese Verfahren erzeugen Oberflächen mit metallischer Optik, die sich von Metallteilen kaum noch unterscheidet. Allerdings ist es nicht möglich, das Empfinden einer metallischen Haptik, den sogenannten Cool-Touch-Effekt, zu erreichen.

Unter dem Cool-Touch-Effekt versteht man die bei der Berührung von Körpern empfundene Kältewirkung. Die Ursache dieses Effekts liegt in der Berührung (Kontakt), die Wirkungsweise basiert auf dem Kälteempfinden (psychologisch). Physikalisch betrachtet, lässt sich dieser Effekt durch die beim Berühren zweier Körper vorliegende Kontakttemperatur begründen.

Metallisches Gefühl beim Anfassen nur schwer mit Kunststoff erreichbar

Zur Erzielung eines metallisch, kalten Gefühls muss die Wärme über das Oberflächendekor schnell abgeführt werden. Die entscheidenden Einflussfaktoren sind dabei die thermischen Eigenschaften des Dekors, die Dekordicke sowie der Wärmeübergang vom Menschen zur Bauteiloberfläche.

Kunststoffe haben in der Regel eine niedrige Wärmeleitfähigkeit, so dass sich Veredelungsverfahren wie das Hinterspritzen von Kunststofffolien, das Bedrucken oder Lackieren ausschließen lassen. Näher betrachtet wurde daher der Einfluss einer metallischen Oberfläche.

Im Rahmen einer einfachen FEM-Betrachtung wurden der Einfluss der thermischen Eigenschaften sowie die Dekordicke analysiert. Sie zeigen, warum für einen Cool Touch-Effekt eine bestimmte Metallschichtdicke erforderlich ist.

Der Kunststoff wirkt als Isolator. Die vom Finger in das Dekor einfließende Wärmemenge kann bei einem dickeren Dekor besser abgeführt werden, was zu einem kälteren Empfinden führt. Die Kontakttemperaturen ganz dünner Stahlschichten liegen nur knapp unter derjenigen homogener Kunststoffteile.

Aluminium fühlt sich kälter an als Stahl

Die Kontakttemperatur bei Aluminiumoberflächen liegt deutlich unter derjenigen aus Stahl. Die Ergebnisse verdeutlichen auch, warum metallpigmentierte Schichten und sogar verchromte Schichten mit Dicken von 15 bis 40 µm keinen Cool Touch-Effekt liefern.

Allerdings spielt das persönliche Empfinden, das eher subjektiv ist und sich daher physikalisch nicht beschreiben lässt, ebenfalls eine wichtige Rolle. In einem nicht repräsentativen, aber interessanten Versuch wurden 30 Personen bezüglich ihres Kälteempfindens bei fünf Aluminiumstreifen der Dicken von 20-100 µm befragt.

Lediglich beim Aluminiumstreifen mit einer Dicke von 100 µm schätzten insgesamt 70% der Befragten diesen als metallisch bis mittelkalt ein. Auch diese einfache Abschätzung zeigt zumindest, dass eine Mindestdicke für eine metallische Haptik vorhanden sein muss.

Metallische Haptik bislang nur mit viel Aufwand erreichbar

Um eine metallische Haptik zu erreichen, werden derzeit Bauteile oft aus Vollmetall eingesetzt oder Metallbänder im Dickenbereich von 400 bis 700 µm um ein thermoplastisches, spritzgegossenes Trägerteil gebördelt. Das ist jedoch mit hohen Energiebedarf und Fertigungskosten verbunden.

Die Hybridtechnik als Verbindung von Kunststoff- und Metallkomponenten für strukturelle Anwendungen lässt jedoch auch auf dekorative Anwendungen übertragen. Ziel ist eine Preis- und Gewichtsreduktion im Vergleich zu monolithischen Metall- oder gebördelten Verbundteilen.

Möglichkeiten dazu bietet das Hinterspritzen von Metallfolien. So erschließt dieses Spritzgießverfahren Vorteile, die bereits vom Hinterspritzen von Kunststofffolien bekannt sind. Die Metallfolien, zum Beispiel aus Edelstahl oder Aluminium, haben eine Dicke bis 0,4 mm und werden mit Kunststoff hinterspritzt.

Hinterspritzen von Metallfolien verleiht gewünschte Eigenschaften

Sie bilden die Bauteiloberfläche und verleihen den gewünschten Metalllook und Cool-Touch-Effekt beim Berühren der Teile. Der Kunststoff bildet den Unterbau. Das Hinterspritzen ermöglicht die Integration weiterer Funktionselemente, zum Beispiel von Schnapphaken und Befestigungsdomen.

Bei Metallfolien geringerer Dicke (bis 0,3 mm) können durch den Spritzdruck gleichzeitig Werkzeugoberflächenstrukturen auf die Bauteile abgeformt werden. Dadurch ergeben sich weitere Designmöglichkeiten. Mit hohem Automatisierungsgrad und Integrationspotenzial lassen sich somit dekorative Bauteile erzeugen.

Vielfalt an Anforderungen erfordert spezifische Tests

Die Anforderungen an Dekorbauteile sind sehr unterschiedlich. Je nach Anwendung müssen spezifische Bauteiltests bestanden werden, zum Beispiel Temperatur- und Klimawechseltests, Prüfung des splitterfreien Bruchverhaltens, der UV- und Chemikalienbeständigkeit. Allen Anwendungen gemeinsam ist die Forderung nach optisch und haptisch einwandfreien Teilen, nach guter Haftung zwischen Metallfolie und Kunststoff sowie nach Verzugsfreiheit.

Ein Schutzlack oder eine Eloxalschicht schützt die Aluminiumfolie vor Korrosion, Chemikalien und UV-Bestrahlung und erhöht die Kratzfestigkeit der Oberfläche.

Edelstahl erhält Schutzfolie statt Schutzlack

Bei Edelstahl wird in der Regel auf einen Schutzlack verzichtet. Zur Vermeidung des bekannten Finger-Print-Effekts wäre eine Beschichtung notwendig. Edelstahl wird vielfach mit Schutzfolie geliefert, um eine Oberflächenbeschädigung bei Verarbeitung und Transport zu verhindern.

In der Regel gibt es die Metallfolien mit verschiedenen Oberflächenstrukturen – von glänzend bis strukturiert. Weil diese Strukturen über den Walzprozess eingebracht werden, steht nur eine bestimmte Auswahl zur Verfügung.

Metallfolien haben hohe mechanische Empfindlichkeit

Zu beachten ist die erhöhte mechanische Empfindlichkeit der Metallfolien. So können Staubpartikel, Handling und Positionierung im Werkzeug im Gegensatz zu Kunststofffolien die Folienoberfläche sichtbar beeinträchtigen.

Allen Halbzeugen gemeinsam ist der Haftvermittler auf der Kontaktseite zum Kunststoff. Er muss vor dem Hinterspritzen auf die Metallfolie aufgebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Lacksystem, das direkt beim Metallfolienlieferanten aufgetragen wird, oder um Klebefilme zum Aufkaschieren.

Der Haftvermittler ist je nach hinterspritztem Kunststofftyp auszuwählen. Seitens der Prozesstechnik spielen dabei Werkzeug- und Massetemperatur eine große Rolle, weil die Ansprechtemperatur des Haftvermittlers erreicht werden muss. Gegebenenfalls sind dazu Vorversuche erforderlich.

Kunststoffträger darf sich bei mechanischer Belastung nicht verformen

Der Kunststoffträger muss eine ausreichende Härte haben, um eine plastische Verformung des Dekors bei punktueller mechanischer Belastung zu vermeiden. Außerdem beeinflussen die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Aluminium und Kunststoff sowie ein erhöhtes Schwindungspotenzial des Kunststoffs den Bauteilverzug. Zur Minimierung der Verzugneigung werden daher in der Regel faserverstärkte Kunststoffe eingesetzt.

In Untersuchungen am IWK wurden Metallfolien aus Edelstahl und Aluminium mit unterschiedlichen Haftvermittlern mit verschiedenen Kunststoffen hinterspritzt. Dabei wurden sowohl die Prozessparameter beim Spritzgießen als auch beim Aufkaschieren von Klebefolien variiert.

Als Kunststoffträger wurde ein ABS/PC und ein PA 6.6 verwendet. Die Prüfung der Haftung zwischen der Metallfolie und dem Kunststoffträger wurde in einem Rollenschälversuch in Anlehnung an die DIN 53289 oder DIN 53530 durchgeführt.

Der als relevant gekennzeichnete Bereich dient der Auswertung des Trennwiderstands. Es ist zu erkennen, dass der vertiefte Schriftzug, der sich im anschließenden Bereich befindet, zu einer leichten Erhöhung des Trennwiderstands aufgrund der mechanischen Verkrallung führt.

Trennwiderstand sinkt im Angussbereich stark

Das Ergebnis verdeutlicht, dass im Angussbereich der Trennwiderstand stark abfällt, was auf Auswaschungen beim Haftvermittler zurückzuführen ist. Es gibt auch Haftsysteme, bei denen der Effekt gerade entgegengesetzt gerichtet ist. Das heißt: Sie haben eine Trennwiderstand-steigernde Wirkung. Dies kann auf die erhöhte Temperatur im Angussbereich zurückgeführt werden.

Unterschiedliche Trennwiderstände in Abhängigkeit vom Haftvermittler, Metallfolien- und Kunststofftyp. Bislang liegen noch keine Erkenntnisse vor, welcher Trennwiderstand für eine ausreichende Haftung über die Gebrauchsdauer mindestens erreicht werden muss. Dies hängt wahrscheinlich von der jeweiligen Bauteilanwendung ab und ist daher in Zusammenarbeit mit Industriepartnern anhand der jeweiligen Pflichtenhefte zu untersuchen.

Oberflächenstrukturierung während des Hinterspritzens

Wie bereits erwähnt, ermöglichen dünne Metallfolien bis etwa 300 µm, durch den Spritzdruck Werkzeugstrukturen direkt im Spritzgießprozess abzuformen. Dadurch können kostengünstig Schriftzüge und Designelemente im Bauteil ohne Nachfolgeprozesse wie Ätzen oder Prägen, realisiert werden.

Bei der Entwicklung der Designstrukturen ist zu beachten, dass der Einspritzdruck vom Anguss bis zur Fliessfront stetig abnimmt. Dies kann je nach Strukturtiefe und -breite zu ungleichmäßiger Abformung führen, weil in angussfernen Bereichen der Spritzdruck zur Ausformung nicht mehr ausreicht. Daher ist bei der Werkzeugauslegung das Fliessweg-Wanddicken-Verhältnis des verwendeten Kunststoffs zu berücksichtigen.

Nur eingeschränkter Spielraum für Strukturen des Kunststoffteils

Außerdem dürfen die Strukturen nicht zu scharfkantig, zu hoch oder zu tief sein. Ist das der Fall, kann der Schutzlack oder sogar die Metallfolie reißen. Diese teilweise nicht sichtbaren Risse sind potenzielle Schwachstellen für einen Korrosionsangriff. Aktuelle Untersuchungen am IWK sollen dazu dienen, Auslegungsrichtlinien für erhabene und vertiefte Strukturen zu erarbeiten.

Erste Untersuchungen wurden mit einer 0,2 mm dicken Aluminiumfolie durchgeführt. Es zeigte sich, dass im Bauteil vertiefte Strukturen weniger kritisch sind als erhabene Strukturen. Weitere Untersuchungen mit Metallfolien unterschiedlicher Dicken sollen Informationen über maximale Höhen oder Tiefen und die notwendigen Radien liefern.

Erzeugen des Umbugs erfolgt separat oder prozessintegriert

Dekorteile grenzen meist an andere Bauteile an. Daher ist es wichtig, dass die Metallfolie nicht eben ausläuft, sondern einen schönen Radienabschluss an der Seite hat. Kennzeichnend für Metall- im Vergleich zu Kunststofffolien ist ein anderes Tiefziehverhalten. Sie haben eine geringere Bruchdehnung und sind daher im Umformgrad wesentlich eingeschränkter.

Wichtige Einflussfaktoren sind der minimale Oberflächen- und Eckradius in Abhängigkeit der Umbugtiefe. Metallfolien können in einem vorgelagerten Prozess vorgeformt und anschließend hinterspritzt werden.

Spritzdruck zur Ausformung des Umbugs nutzen

Bei einfacheren Bauteilgeometrien lässt sich auch der Spritzdruck zur Ausformung des Umbugs nutzen. Anschließend muss das Bauteil entweder im Spritzgießprozess direkt oder in einem nachgelagerten Prozess – zum Beispiel durch Stanzen – vom umlaufenden Metallrand befreit werden.

Wichtig ist, dass beim Umformen von Aluminiumfolien der Schutzlack oder die Eloxalschicht nicht zerstört wird, weil dabei Schwachstellen entstehen, die korrodieren können. Dies steht natürlich im Widerspruch zur Forderung eines harten Schutzlacks zur Erzielung einer hohen Kratzfestigkeit.

Ziel derzeitige Entwicklungen ist es daher, einen vernünftigen Kompromiss zu finden.

Substitution von Metallblenden gewinnt an Attraktivität

Das Metallfolien-Hinterspritzen ist eine junge Fertigungstechnik. Erste Serienanwendungen gibt es zwar schon seit mehreren Jahren, aber fast ausschließlich in der Automobilindustrie – sowohl mit Aluminium- als auch mit Edelstahloberfläche. Ein großes Anwendungspotenzial liegt überall dort, wo sich zusätzliche Funktionselemente ins Bauteil und Fertigungsschritte in den Spritzgießprozess integrieren lassen.

Daher wird in der Automobilindustrie zunehmend der Ersatz von Metallblenden diskutiert, die zur Befestigung speziell umgeformt oder an die Zusatzteile angeschweißt werden müssen. Ebenfalls attraktiv ist die Substitution der Verchromung bei Kunststoffteilen, wodurch ein zumeist ausgelagerter Veredelungsprozess durch das Metallfolien-Hinterspritzen in die eigene Produktion integriert werden kann.

Anwendungsgebiete finden sich überall dort, wo Blenden im Metalldesign erforderlich sind, zum Beispiel im Bereich der Elektro- und Kleinelektrogeräte, Weißer Ware und im Sanitärbereich. Die Anwendung des Metallfolien-Hinterspritzens ist insbesondere dann interessant, wenn es sich um hohe Stückzahlen handelt, weil doch einige Investitionen für Vorformwerkzeuge, Vorformpresse und Handling getätigt werden müssen.

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