Plasmagestützte Oberflächenbehandlung lässt sich automatisieren

Welche Energie man mit Plasmen freisetzen kann, demonstrieren Blitze, elektronische Entladungen in der Gasatmosphäre der Erde. Beim technischen Einsatz von Gasentladungen soll es natürlich nicht so heiß hergehen. Im prominentesten Beispiel, bei der Neonröhre, nutzt man seit langem nur die Leuchterscheinung bei gleichzeitig geringer Wärmeentwicklung.

Heute hat die Industrie gelernt, das Werkzeug Plasma zur Änderung der Oberflächeneigenschaften einzusetzen. „Wir haben vieles erforscht und umgesetzt“, berichtet Dr. Reinar Grün, Vorsitzender des Arbeitskreises Industrielle Plasma-Oberflächentechnik im VDMA. „Nun müssen wir weiter bei industriellen Anwendungen punkten.“

Diesbezüglich ist man auf einem guten Weg. Der Markt für plasmagestützte Verfahren zur Oberflächenbehandlung entwickelt sich positiv. Das hat eine Umfrage der VDMA-Fachabteilung Oberflächentechnik ergeben, die den Arbeitskreis ins Leben rief.

So befinden sich die deutschen Verfahrensanbieter im fünften Wachstumsjahr in Folge. In dieser Zeit ist der Auftragseingang kontinuierlich gestiegen. Vor allem im vergangenen Jahr hat er – so die Fachabteilung – „einen großen Sprung“ hingelegt: auf etwa 1,5 Mrd. Euro, nachdem er im Jahr zuvor die 1-Mrd.-Hürde übersprang.

Absatz von Anlagen zur Plasma-Oberflächenbehandlung wächst dynamisch

Dabei zeigte sich der Anlagenbau besonders dynamisch. Aber auch bei der Lohnbehandlung und der Komponentenlieferung wurden deutlich mehr Aufträge verbucht. Diese drei Bereiche machen in der Regel das Geschäft der Verfahrensanbieter aus, wobei heute im Durchschnitt etwa zwei Drittel auf Anlagen, knapp ein Viertel auf die Lohnbehandlung und der Rest auf Komponenten entfällt.

In dieser Dreiteilung liegt für Grün die Basis, um weitere Anwendungen zu gewinnen. Der Einstieg erfolgt meist über die Lohnbehandlung. Erst später geht es um den Anlagenbau, dessen Entwicklung trotz der Dynamik im Auftragseingang weiterhin zyklisch sein wird.

Außerdem verläuft sie je nach Verfahren unterschiedlich. So sieht Grün „noch ein großes Anwendungspotenzial, das sich für die Plasma-Oberflächentechnik erschließen lässt“.

VDMA diskutiert Plasmanitrieren und Plasma-CVD

Auf dem VDMA-Praxistag „Intelligenter Produzieren“ Anfang Mai in Frankfurt am Main hat der Vorsitzende des Arbeitskreises Industrielle Plasma-Oberflächentechnik dieses Potenzial bei Verfahren der Plateg GmbH, Siegen, präsentiert, dessen Geschäftsführer er ist – beim Plasmanitrieren und Plasma-CVD, bei der Oberflächenaktivierung, Feinstreinigung und Plasmapolymerisation. Diese Verfahren machten im vergangenen Jahr in der Plasma-Oberflächentechnik etwa 20% des Auftragseingangs aus.

Der große Rest entfiel auf PVD (Physical Vapour Deposition), die physikalische Abscheidung von Feststoffen aus der Gasphase. Sie profitiert von einer steigenden Nachfrage nach Großflächenbeschichtung, zum Beispiel bei Flachbildschirmen, Displays und Architekturglas (Wärmeschutzverglasung).

„Bei diesen Produkten wird mit anspruchsvoller Technik Fläche produziert“, berichtet Grün. Entsprechend hoch sind die Anlageninvestitionen und damit der Auftragseingang in diesem Anwendungsbereich. „Demgegenüber zählt in anderen Bereichen mehr die Größe des Kammervolumens“, erläutert der Plateg-Geschäftsführer: „Bei plasmagestützten Behandlungsverfahren sind in der Regel Vakuumbedingungen und somit eine Kammer erforderlich.“

Plasmagestützte Oberflächenbehandlung macht bisher viel manuelle Arbeit nötig

Daher sei man an eine Chargenbehandlung gebunden, was die Anwendung nicht einfacher mache. Der Grund dafür liegt in der manuellen Anlagenbeschickung und -entladung. Sobald von Hand be- und entladen werden müsse, gehe viel Wirtschaftlichkeit verloren.

Daher arbeitet man an der Automatisierung von Handlingprozessen. So gibt es für das Plasmanitrieren schon Systeme, mit denen sich laut Grün die Produktivität steigern lässt.

Damit wird vor allem die Forderung in der Automobilindustrie nach automatischen Abläufen erfüllt. Dort herrscht Großserienfertigung, die Anlagenverfügbarkeit beträgt 95%.

Automobilindustrie ist Vorreiter beim Plasmanitrieren mit automatischer Handhabung

„Die Automobilindustrie kommt heute ohne das Plasmanitrieren mit automatischer Handhabung nicht mehr aus“, sagt der Plateg-Geschäftsführer. Dagegen hält man sich in anderen Branchen, wo die Serien kleiner sind, mit Anwendungen zurück. Dort würden robotergeführte Systeme als zu teuer angesehen, heißt es – jedoch teuer sei die manuelle Be- und Entladung der Vakuumanlagen auch.

Dabei führt schon der Prozess einer plasmagestützten Oberflächenbehandlung zu mehr Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftlicher wird das behandelte Produkt. Dieser Vorteil kann nach der Erfahrung von Grün ein manuelles Handling rechtfertigen.

Das ist insbesondere bei Verschleißschutz-Anwendungen der Fall. Sie waren im vergangenen Jahr für gut 30% des Auftragseingangs verantwortlich und wurden damit nur von der Großflächenbeschichtung (63%) übertroffen.

Plasmagestützte Oberflächenbehandlung für Verschleißschutz interessant

Beim Verschleißschutz haben plasmagestützte Verfahren teilsweise schon einen hohen Anwendungsgrad erreicht. So basiert der Auftragseingang bei Werkzeugschichten laut Grün „vor allem auf Substitutionsprozessen“. Aber auch bei Bauteilen verweist der Plateg-Geschäftsführer auf verbesserte Verschleißschutzschichten.

Der Ansatz dazu wird in weiter reduzierten Temperaturen für die Feststoffabscheidung bei CVD-Verfahren (Chemical Vapour Deposition) gesehen. Schon die Reduzierung auf 500 bis 520 °C beim Plasma-CVD erweiterte deren Anwendungsbereich. Damit ist zum Beispiel ein allseitiges Beschichten von Stahlkontaktfedern mit elektrisch leitendem Titannitrid möglich, ohne die Federkraft zu verlieren.

Bei so genannten DLC-Schichten soll sogar eine Senkung bis auf 200 °C aufgrund des Energiepotenzials von Plasmen erreichbar sein. Und zum Abscheiden quarzartiger Korrosionsschutzschichten reicht beim Plasma-CVD laut Grün eine Oberflächentemperatur weit unter 100 °C aus.

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Josef Kraus MM MaschinenMarkt

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