Öffentlich-rechtliche Störerhaftung im Internet

Forschungsergebnisse an der Universität Hannover

Sind Provider, also Anbieter von Diensten im Internet, verantwortlich für die Inhalte der Webseiten ihrer Kunden? Mit dieser Thematik beschäftigte sich der Habilitationsvortrag von Dr. Jutta Stender-Vorwachs LL.M.(USA), Privatdozentin am Lehrgebiet für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Universität Hannover. Ausgangspunkt dieser erst seit kurzem geführten juristischen Diskussion sind so genannte Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber 90 nordrhein-westfälischen Providern. Diese bieten eine Publikationsmöglichkeit für zwei aus den USA stammenden Webseiten mit rechtsradikalem Inhalt.

Die Bekämpfung rechtsradikaler und kinderpornografischer Angebote im Internet mit Mitteln der ordnungsbehördlichen Gefahrenabwehr wirft jedoch vielfältige juristische Fragen auf.

Provider übermitteln lediglich Inhaltsdaten und haben auf den Angebotsinhalt einer Website keinen Einfluss. Sie nehmen eine reine Telekommunikationsdienstleitung vor. Auf diese ist aber das Telekommunikationsgesetz anwendbar, das die technische Vermittlung von Kommunikationsinhalten regelt.

Bereits die reine Frage nach der rechtlichen Grundlage einer Sperrungsverfügung ist umstritten. So wird etwa die im Mediendienstestaatsvertrag enthaltene Eingriffsnorm teilweise als nicht vereinbar mit der nach dem Grundgesetz garantierten Pressefreiheit angesehen. Zudem muss dieser Staatsvertrag in den einzelnen Bundesländern nochmals durch ein Gesetz umgesetzt werden, um Wirksamkeit gegenüber den Providern zu erlangen. Wird der Mediendienstestaatsvertrag aber tatsächlich angewendet, stellt sich die Frage, ob ein Provider nur dann in Haftung genommen werden kann, wenn er als so genannter Störer identifiziert wird. Besonders problematisch ist der Fall des Access Providers, also des Bereitstellers eines Dienstes, der den Zugang zum Internet ermöglicht. Er kann nur als Nichtstörer in Anspruch genommen werden. Und dies auch nur dann, wenn

  • die von ihm vermittelten Inhalte eine erhebliche gegenwärtige Gefahr darstellen und
  • verhältnismäßige Maßnahmen gegen Handlungs- und Zustandsstörer und
  • die Beseitigung der Gefahr durch die Behörden selbst nicht durchführbar sind.

Eine weitere Hürde stellt das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit dar. Die ergriffenen behördlichen Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und zumutbar sein. Zudem darf eine Sperrungsmethode nicht zu einer staatlichen Vorkontrolle aller übermittelten Angebote führen.

Die Frage der öffentlich-rechtlichen Haftung von Zugangsvermittlern rechtsradikaler und kinderpornographischer Inhalte im Internet wird in Zukunft durch die Verwaltungsgerichte in Hauptsacheverfahren zu klären sein. Noch ist der Ausgang dieser Klärung wegen der Abhängigkeit vom Einzelfall jedoch offen.

Media Contact

Dr. Stefanie Beier Universität Hannover

Weitere Informationen:

http://www.uni-hannover.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Kommunikation Medien

Technische und kommunikationswissenschaftliche Neuerungen, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der medienübergreifenden Kommunikation.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Interaktive Medien, Medienwirtschaft, Digitales Fernsehen, E-Business, Online-Werbung, Informations- und Kommunikationstechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Durchbruch bei CRISPR/Cas

Optimierte Genschere erlaubt den stabilen Einbau von großen Genen. Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es erstmals gelungen, sehr effizient große Gen-Abschnitte stabil und…

Rittal TX Colo: Das neue Rack für Colocation Data Center

Rittal TX Colo: Flexibel, skalierbar und zukunftssicher Mit der zunehmenden Digitalisierung und künftig auch immer mehr KI-Anwendungen steigt der Bedarf an Rechenleistung signifikant – und damit boomt der Colocation-Markt. Unternehmen…

Neue Dropbox Features

Nahtlose Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, gemeinsame Dokumentenerstellung für Microsoft, erweiterte Dropbox Replay-Funktionen und vieles mehr. Dropbox Inc. (NASDAQ: DBX) kündigt heute neue Funktionen für mehr Sicherheit, bessere Organisation sowie schnellere und bequemere Freigabeprozesse…

Partner & Förderer