Das ewige Duell

„Ich bin kein begnadeter Elfmeterschütze“ bekennt Georg Froese, Fußballer in der Berliner Landesliga. In der Theorie hingegen darf er sich als Spezialist bezeichnen, denn der Diplom-Psychologe forscht zum diesem Thema am Lehrstuhl Sozialpsychologie am Institut für Psychologie der Universität Leipzig. Ergebnis seiner Arbeit wird ein Programm zur Optimierung der Leistungen beim Elfmeterschießen sein.

Von derzeit rund 75 auf über 80 Prozent glaubt Froese mit einem gezielten Training der Schützen die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen. Wobei er dieses Training weniger aus der sportwissenschaftlichen Perspektive sieht und Faktoren wie den eigentlichen Zielschuss unbeachtet lässt. Ihm geht es um die psychologische Duellsituation zwischen Torwart und Schützen in den Augenblicken vor dem Schuss. „Mich fasziniert an dieser Situation die Einfachheit einerseits und die Kompliziertheit andererseits“, beschreibt Froese sein Forschungsthema.

Auf dieses Thema kam der seit 25 Jahren leidenschaftliche Fußballer zum einen durch die eigene sportliche Erfahrung mit dieser speziellen Drucksituation und zum anderen durch Prof. Henning Plessner, der den Lehrstuhl für Sozialpsychologie innehat und zu dessen Forschungsschwerpunkten das Urteilen und Entscheiden im sportlichen Kontexten zählt.

Froese begann seine Studien mit einer gründlichen Analyse der Fachliteratur und aller verfügbaren Statistiken zu Elfmeterschießen der vergangenen Jahrzehnte, unter anderem der rund 4.000 Elfmeter in der Bundesliga-Historie. Bereits aus diesem Untersuchungen konnte er erste Ergebnisse ableiten: „Wir haben herausgefunden, dass jene Mannschaft im Elfmeterschießen einen Vorteil hat, die das letzte Tor im Spiel erzielt. Spieler dieser Mannschaft zeigen sich treffsicherer und die Mannschaft gewinnt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Die Schützen jener Teams hingegen, die sich schon als Sieger wähnten, sind dieser Situation weniger gut gewachsen.“

Der nächste Schritt der Forschung waren Interviews mit erfahrenen Fußball-Profis, die beschrieben was ihnen bei diesem „Spiel im Spiel“ durch den Kopf geht. Wie genau macht sich der Druck bemerkbar? Inwieweit spielt die Persönlichkeit des Spielers eine Rolle? Wie beeinflusst seine Angst vor Misserfolg oder vor Zurückweisung durch andere die Trefferquote? Daraus entstanden die ersten Hypothesen: „Ich vertrete beispielsweise die Auffassung, dass Menschen die unter Druck starke körperliche Reaktionen zeigen in Duellsituationen angehalten werden sollten, eine ganz klare Strategie unbeirrt durchzuziehen. Also beispielsweise in eine vorher festgelegte Ecke zu schießen, ohne auf den Torhüter zu achten. Jene hingegen, die unter Druck flexibel bleiben und ihre Ressourcen bewahren, können es riskieren, den Torhüter zu verladen.“ Wenn ein Trainer diese Überlegungen bewusst anwendet und seine Spieler entsprechend einzuschätzen vermag, wird es ihm möglich, das Elfmeter-Potential seines Teams differenzierter auszuschöpfen. „Das könnte auch dazu führen“, so Froese, „dass nicht mehr automatisch die Spieler mit dem höchsten Prestige – also beispielsweise der Mannschaftskapitän – an den Elfmeterpunkt treten, sondern auch relativ unscheinbare Sportler, die aber über spezielle Elfmeter-Fertigkeiten verfügen.“

Nun geht es Froese und seinen Mitarbeitern darum, die Aussagen zu präzisieren und durch Studien zu untermauern.

So planen die Forscher für die Zeit der Fußball-WM eine Veranstaltung, die Event und Experiment gleichermaßen sein soll: Der „Elfmeterkönig von Leipzig“ wird ermittelt. Den aus ihrer Mitte zu krönen, sind alle Aktiven des engagierten Amateurfußballs eingeladen. „Wir hoffen auf rund achtzig Spieler und natürlich auch Spielerinnen sowie entsprechende Torhüter. Jeder der Teilnehmer wird zu Beginn einen Fragebogen ausfüllen, in dem relevante Persönlichkeitsmerkmale erfasst werden. Dann wird er vor den Augen des Leipziger Publikums bei verschiedenen Torhütern etwa 30 Schüsse absolvieren. Wir sind gespannt welche Persönlichkeit und welche Strategie am erfolgreichsten sein werden!“

Der letzte Schritt wird die Entwicklung eines typgenauen Trainingsplanes sein. Dazu muss ermittelt werden, welche der psychologischen Hintergründe eines erfolgreichen Schützen überhaupt trainierbar sind und welche als gegeben eingestuft werden müssen. Als ein wichtiges Ziel seiner Forschungsarbeit sieht Froese die Übertragung seiner Ergebnisse in die Praxis: „Ich möchte einen klaren und wissenschaftlich fundierten Eindruck vermitteln, wie man Elfmeterschützen erfolgreicher machen kann.“

Bleibt die Frage, ob das Elfmeterschießen nach dem geplanten Trainingsprogramm nicht langweilig wird? „Keinesfalls, denn dann wird sich die Psychologie dem Torwart-Training zuwenden“, hofft Georg Froese

Marlis Heinz

Weitere Informationen:
Georg Froese
Telefon: +49 341 97 35 958
E-Mail: froese@uni-leipzig.de
www.uni-leipzig.de/~sozpsy

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Dr. Bärbel Adams Universität Leipzig

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