Vielsurfer haben an Finanzportale im Internet hohe Erwartungen

Marketingforscher der Universität Mannheim ermitteln Qualitätsanforderungen von Nutzern an Online-Finanzportale – Speziallösungen gewinnen an Bedeutung

Dem Kunden möglichst viele Leistungen aus einer Hand anbieten – das ist das Ziel aller Bank- und Finanzdienstleister. Und dass das Internet dabei als Kommunikations- und Vertriebskanal eine ebenso erhebliche wie zunehmende Bedeutung besitzt, ist in der Branche ebenfalls unumstritten. Fast alle Bank- und Finanzdienstleister behaupten mittlerweile, ihre Webseiten zu Finanzportalen ausgebaut zu haben. Doch welche Merkmale machen eine Website tatsächlich zum Portal und welche Kriterien bestimmen dessen Qualität aus Nutzersicht?
Diese Fragen haben Hans H. Bauer, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing II an der Universität Mannheim, und sein Mitarbeiter Maik Hammerschmidt in ihrer vom Institut für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) der Schlosshochschule herausgegebenen Studie „Finanzportale im Internet – Geschäftsmodell, Kundenbindungspotenziale und Qualitätsanforderungen“ einer empirischen Untersuchung unterzogen. Die zentralen Ergebnisse der Mannheimer Marketingforscher: Internetnutzer beurteilen die Qualität eines Finanzportals auf Basis von sechs grundlegenden Qualitätsdimensionen. Und gerade Vielsurfer nutzen in der Regel nicht die gesamte Angebotspalette des Portals, sondern sind an Speziallösungen interessiert.
„Portale integrieren die grundlegenden Internet-Funktionen, die „4 Cs des Internet“ – Context, Content, Communication und Commerce – in ein umfassendes Geschäftsmodell“, erläutern Bauer und Hammerschmidt. Nicht jede Banking-Website ist daher schon ein Finanzportal. „Davon ist erst dann zu sprechen, wenn alle Phasen eines Finanzgeschäftes im Internet unterstützt und auf der Portal Site abgebildet werden“, so die Autoren. Finanzportale lösen somit online alle mit Finanzfragen zusammenhängenden Kundenprobleme vollständig aus einer Hand. Sie lassen sich als ganzheitliche Problemlösungen charakterisieren, die das ALUEDA (Alles unter einem Dach)-Prinzip ins Internet übertragen. „Im Idealfall besteht für die Nutzer keine Notwendigkeit mehr, andere Einzelseiten zu nutzen“, erklären die Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler.
Auf Basis einer Online-Befragung bei 280 Finanzportal-Usern identifiziert die Studie sechs grundlegende Qualitätsdimensionen, die Kunden für ihre Entscheidung, ein Portal zu nutzen und diesem treu zu bleiben, heranziehen: „Sicherheit und Vertrauen“, „Basisleistungen“, „Cross Selling-Leistungen“, „Added Values“, „Transaktionsunterstützung“ und „Beziehungsqualität“. Jede dieser sechs Dimensionen wird dabei durch eine Vielzahl konkreter Qualitätskriterien erfasst. „Die Studie liefert damit ein praktisch handhabbares Instrument zur Messung der Qualität von Finanzportalen, mit dem sich existierende Portallösungen aus Sicht der Kunden bewerten und verbessern lassen“, betonen Bauer und Hammerschmidt.
Es zeigt sich allerdings, dass die Qualitätsdimensionen von verschiedenen Kundengruppen ganz unterschiedlich gewichtet werden. Die Studie identifiziert fünf große Nutzergruppen: „Profi-User“, „Convenience-Orientierte“, „Sicherheitsfanatiker“, „Fun-Seeker“ und „Portal-Pessimisten“. Die Personalisierbarkeit aller Portalfunktionen stellt nach Ansicht der Autoren eine zentrale Voraussetzung dar, um diesen (zunehmend) heterogenen Nutzerbedürfnissen durch eine Portal-Site Rechnung zu tragen. „Dieses Prinzip erlaubt es dem Kunden, eine eigene virtuelle Bank mit einem individuell zugeschnittenen Produkt- und Contentangebot zu gestalten“, so Bauer und Hammerschmidt.
Sie belegen, dass mit zunehmender Interneterfahrung und höherem Bildungsgrad eine stärkere Nutzung spezialisierter Einzelseiten erfolgt. Für Internetprofis (Viel-Surfer) werden ganzheitliche Systemlösungen durch Portale unwichtiger, Speziallösungen treten hingegen in den Vordergrund. Eine umfassende Portalnutzung erfolgt eher durch Internetanfänger und Wenig-Surfer, die aus Convenience-Motiven oder wegen fehlender Expertise eine All-in-One-Lösung suchen. „Wenn begründeterweise davon auszugehen ist, dass die Interneterfahrung exponentiell zunehmen und das Wissen über dieses Medium auch in die breite Masse der Bevölkerung hineindringen wird, dann kann die Hypothese aufgestellt werden, dass Portallösungen zumindest für einen bedeutenden Teil der Nachfrager auf elektronischen Märkten an Bedeutung verlieren. Insofern könnte sich das Prinzip einer Rückkehr zu den Kernkompetenzen auch auf die Internetökonomie ausdehnen“, folgern Bauer und Hammerschmidt. Ohnehin sind sie nicht der Ansicht, dass das Internet die klassische Bankfiliale vollständig verdrängen wird: „Es kann nicht heißen nur ’Click statt Brick’, also nur Internetauftritt statt dem Gebäude der Filiale. Es muss heißen ’Click und Brick’ und es muss in hohem Grade auf die segmentspezifischen Bedürfnisse und die persönlichen Bedürfnisse der Nachfrager eingegangen werden.“
Die komplette Studie Bauer, H. H. / Hammerschmidt, M.: „Finanzportale im Internet – Geschäftsmodell, Kundenbindungspotenziale und Qualitätsanforderungen“, Mannheim 2001 (ISBN 3-89333-270-7), kann beim Institut für Marktorientierte Unternehmensführung zum Preis von Euro 23.- bezogen werden. Kontakt: Institut für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU), Universität Mannheim, L 5, 1, 68131 Mannheim, Telefon (06 21) 181-1755, Telefax (06 21) 181-1556, E-Mail: service@imu-mannheim.de, Internet: www.imu-mannheim.de. Weitere Informationen: Maik Hammerschmidt, Tel.: 0621 / 181 – 1569; E-Mail: maik.hammerschmidt@bwl.uni-mannheim.de.
Rezensionsexemplare sind auf Anfrage erhältlich.

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Ralf Bürkle idw

Weitere Informationen:

http://www.imu-mannheim.de

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