Krawallmacher oder Konsumenten?

Ein Forschungsprojekt der Universität Hannover untersucht die Rolle von Jugendlichen im öffentlichen Raum

Ein wogendes Feld von 2700 Luftballons verwandelte am Samstag, den 20. Juli 2002 die Atmosphäre auf dem sonst eher tristen Raschplatz in Hannovers City. Neugierige Jugendliche ließen die Ballons fliegen, pflückten sie wie Blumen oder nahmen sie mit. „Die Aktion hat den Platz leicht und freundlich gemacht und die Reaktionen der Jugendlichen waren durchweg positiv“, so Prof. Hille von Seggern, eine der Initiatorinnen des Projektes.
Die Installation am Raschplatz war indes nur ein Teil des Forschungsprojektes „Zur Aneignung und Nutzung urbaner öffentlicher Räume durch Jugendliche“. Insgesamt sechs unterschiedliche Orte in Hannover – Plätze, Parks, Straßen, Brachen – haben die Wissenschaftlerinnen vom Institut für Freiraumentwicklung und Planungsbezogene Soziologie an der Universität Hannover sechs Monate systematisch beobachtet und dann experimentell mit Angeboten für die Jugendlichen verändert. „Wir wollten erst wissen, was die Jugendlichen machen, was gut ist, was schlecht ist an der örtlichen Situation, damit wir mit unseren Veränderungen auch die richtige Stimmung treffen“, erläutert Prof. Hille von Seggern, die zusammen mit Prof. Ulfert Herlyn das Projekt leitet. So wurden nach Expertengesprächen aus 126 Plätzen sechs verschiedene ausgewählt und ein halbes Jahr systematisch beobachtet. Dabei wurde schnell klar: Die Jugendlichen sind besser als ihr Ruf – so registrierten die Beobachter nur etwa bei einem Prozent der jungen Leute am Vahrenwalder Park ein „zerstörungsbetontes Verhalten“. „Wir haben allerdings auch Orte ausgewählt, die nicht von vornherein als konfliktbelastet gelten“, betont von Seggern. Wertschätzung der Jugendlichen und Toleranz auf seiten der Erwachsenen fehle statt dessen oft: „Jugendliche sind oft nur als Konsumenten erwünscht – fallen sie auf, gelten sie schnell als Krawallmacher.“

Nach der Beobachtungsphase begann im Sommer dieses Jahres die Phase der Experimente – die Räume wurden verändert und die Wissenschaftler beobachteten, wie die Jugendlichen reagierten. „Bisher durchweg positiv“, berichtet Hille von Seggern. Ob Trommeln auf Ölfässern an der Brache am Südbahnhof, Sichtschutz und Sonnensegel zum Selberaufstellen im Vahrenwalder Park – bereits kleine Veränderungen reichten aus, um die Stimmung der Plätze positiv zu verändern.

Die Ergebnisse der Experimente und der ausführlichen Beobachtungen werden ausgewertet und in raumbezogenen Entwürfen und allgemeinen Empfehlungen münden, wie öffentliche Räume für Jugendliche attraktiver gestaltet werden können.

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Dipl.Geogr. Stefanie Beier idw

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