Individueller Schutz vor Unwetterkatastrophen

Effiziente Warnsysteme stellen ein wichtiges Werkzeug für den Bevölkerungsschutz dar: Sie dienen dem Klimafolgenschutz, sichern kritische Infrastruktur und reduzieren die Folgekosten von Unwetterschäden.

Seit Oktober 2008 ist im süddeutschen Ort Mering der Prototyp eines neuartigen Frühwarnsystems im Einsatz. Das System „SAFE“ sendet Warnungen, die auf die Bedürfnisse der Nutzer individuell zugeschnitten sind. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, dem Bürgermeister von Mering, Hans Dieter Kandler, sowie dem Finanzvorstand der Fraunhofer-Gesellschaft, Dr. Alfred Gossner, präsentierten die Projektpartner vom Fraunhofer ISST und von der Versicherungskammer Bayern am Montag Ergebnisse des Pilotprojekts.

Steigende Kosten durch Naturkatastrophen

Neben der Bedeutung des Systems für den Bevölkerungsschutz unterstrichen die Projektpartner vor allem die ökonomische Relevanz des neuen Frühwarnsystems. So ist der versicherte Schaden durch Naturgewalten in den letzten fünf Jahrzehnten auf das Vierzehnfache gestiegen. In Deutschland betrug der Schaden von 1970 bis 2007 insgesamt rund 42 Milliarden Euro, davon war etwa ein Drittel versichert. Zudem häufen sich die Indizien, dass der sich abzeichnende Klimawandel die Gefahr künftig verstärkt. „Ein System, das Unwettergefahren frühzeitig erkennt und die Bevölkerung warnt, ist für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Politik gleichermaßen von hohem Interesse“, sagt Dr. Franz Kühnel, Vorstandsmitglied der Versicherungskammer Bayern.

Ortsbasierte Dienste zur Gefahrenabwehr

„Die bloße Kenntnis von Gefahren schafft noch keinen Schutz“, so Ulrich Meissen, Projektleiter von „SAFE“ beim Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST und Fachmann für Location-based Services (ortsbasierte Dienste). „Der besondere Vorteil von SAFE liegt darin, dass das System nicht nur Gefahren erkennt, sondern auch gezielt Maßnahmen in die Wege leitet.“ Dafür greift „SAFE“ auf eine Vielzahl von Wetterdaten zurück: Einerseits werden die Daten durch ein dichtes Netzwerk aus kostengünstigen Sensoren, das zum Beispiel rund um einen Ort oder eine Industrieanlage liegt, erfasst. Andererseits ergänzen überregionale Wetterinformationen, beispielsweise von Satelliten oder Radareinrichtungen, den Datenbestand. Die Daten werden an ein IT-System übertragen, dort ausgewertet und im Ernstfall über so genannte „ortsbasierte Dienste“ als Warnungen ortsgenau und individuell weitergeleitet. Damit besonders gefährdete Einrichtungen wie Industrieanlagen sofort gesichert werden, kann das System außerdem automatische Gebäudeschutzmechanismen in Gang setzen, zum Beispiel das Schließen von Fenstern und das Steuern von Schleusen.

Individuelle Warnungen für Bürger und Rettungskräfte

Neben dem automatischem Schutz sicherheitskritischer Anlagen bietet das System noch einen weiteren Vorteil: Es nutzt unterschiedliche Warnkanäle, um die individuellen Bedürfnisse und Situationen der betroffenen Personen zu berücksichtigen. So können über Set-Top-Boxen Warnungen in das laufende Fernsehprogramm eingeblendet werden, Warnsirenen informieren nachts in Privatgebäuden oder zum Beispiel in Schulen, Kindergärten und in Industrieanlagen die betroffenen Personen. Zudem wird am Freizeitsee bei Mering kostengünstig eine Sturmwarnleuchte über SAFE angesteuert, die Surfer und Schwimmer rechtzeitig vor Gefahren warnt. Auch mobil über SMS oder im Büro über E-Mail sind Warnungen zugänglich. Einsatzkräfte können schließlich auf ein spezielles System zugreifen, das ihnen auch Lagebild, Positionsanzeige der Kollegen und Warnkarten auf dem Handy zeigt.

„SAFE“ im Einsatz

Während eines starken Unwetters am 26. Mai 2009 in Mering konnte die Leistung des Prototyps von „SAFE“ bereits unter Extrembedingungen gezeigt werden. Am frühen Abend zogen dichte Wolken mit zum Teil orkanartigen Böen über den Ort. Frühzeitig informierte „SAFE“ Bürger und Einsatzkräfte über drohenden „extremen Niederschlag und Hagel“. Außerdem generierte das System wenig später punktuelle Warnungen zum Beispiel zu „Kanalüberläufen“ in einzelnen Straßenzügen. Nach den positiven Ergebnissen der ersten Pilotphase in Mering ist ein weiterer Ausbau für andere Kommunen in den nächsten Jahren geplant. Neben Unwetterwarnungen lassen sich die Komponenten des Systems zudem für verbesserte Warnungen bei Katastrophen wie Sturmfluten und Großunfällen nutzen. Dies wird vom Fraunhofer ISST und dem Verband öffentlicher Versicherer zurzeit im Landkreis Aurich im Projekt KATWARN ausgearbeitet.

Statements:

„SAFE ist ein wichtiger Schritt zu einer neuen Generation Frühwarnsysteme. Angesichts zunehmender Unwetterkatastrophen und des sich wandelnden globalen Klimas bietet das System dringend notwendigen Bevölkerungsschutz und hilft, Folgekosten erheblich zu reduzieren“, so Wolfgang Deiters, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik ISST.

„Erste Erkenntnisse aus SAFE zeigen, dass Klimafolgeschäden gemindert werden können. Wir setzen uns deshalb für eine Ausweitung von SAFE nach Ende des Forschungsprojektes ein“, so Dr. Franz Kühnel, Vorstandsmitglied der Versicherungskammer Bayern.

Projektleitung
– Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Projektpartner
– Institut für Automation und Kommunikation e.V. Magdeburg (ifak)
– Meteomedia GmbH
– Thies Clima GmbH
– Kisters AG
– Regnauer Fertigbau GmbH & Co. KG
– Versicherungskammer Bayern
– Wacker Chemie AG
– Marktgemeinde Mering
Anwendungspartner
– e*Message GmbH
– Prometheus Beteiligungs GmbH
– Somfy GmbH
Das Projekt SAFE wird finanziert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

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Niklas Reinhardt idw

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