Globaler Wettbewerb: Ruhrgebiet schneidet überraschend gut ab
In einem internationalen Vergleich mit Metropolen wie New York, Tokio und Madrid schneidet das Ruhrgebiet als IT-Standort überraschend gut ab. Gleichwohl bestehen erhebliche Mängel für den Aufbruch in die Informationsgesellschaft sowie im Standortmarketing.
In einem internationalen Vergleich mit Metropolen wie New York, Tokio und Madrid schneidet das Ruhrgebiet als IT-Standort überraschend gut ab. Das hat eine Studie ergeben, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von der Arbeitsgruppe für Internetökonomie und elektronische Märkte im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Wuppertal durchgeführt wurde. Gleichwohl bestehen nach Ansicht des Projektleiters Dr. Frank-H. Witt erhebliche Mängel bei der Aktivierung für den Aufbruch in die Informationsgesellschaft sowie im Standortmarketing. Die Ergebnisse der Studie zur Digitalen Wirtschaft werden am 19. April 2002 auf einer internationalen Fachtagung im Dortmunder Kongresszentrum Westfalenhallen der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.
Der Wirtschaftsstandort New York zeigt in fünf der zehn wichtigsten Erfolgsfaktoren für die untersuchten Regionen im globalen Wettbewerb, Tokio in drei und das Ruhrgebiet in zwei Fällen die jeweilige Best Practice bei den Rahmenbedingungen für Gründung und Expansion von Unternehmen der New Economy. Der dritte Rang in der Gesamtplatzierung ist auch Folge relativ ausgeprägter Leistungslücken gegenüber dem jeweils besten und einer nur hauchdünnen Überlegenheit in den beiden ersten Rängen.
New York schneidet mit großem Abstand bei vier von fünf der wichtigsten Benchmarks als Klassensieger ab. New York ist in acht und Tokio in fünf von zehn Fällen besser positioniert als das Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet ist nur bei zwei von zehn Benchmarks, nämlich technischer Infrastruktur und Support Service und auch dort nur sehr knapp Klassenbester vor New York und Tokio. Dabei steht der Support Service in der Relevanz aller Benchmarks am neunten von zehn Rängen.
Im Vergleich etwa zu Madrid weist das Ruhrgebiet mit Ausnahme des Standortmarketings in allen anderen Benchmarks die günstigeren Rahmenbedingungen auf. Die Dynamik der Entwicklung der New Economy in Spaniens Hauptstadtregion ist trotz des bislang kaum vorhandenen öffentlichen Bewusstseins einer umfassenden Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft dennoch groß, wird aber im Moment noch getragen von den großen Unternehmen, darunter dem zweitgrößten Telekommunikationsunternehmen Europas, Telefonica SA., und den ebenfalls in Madrid stark vertretenen Multis wie Siemens, Phillips u.a.. Der Umbruch im Bildungssystem Spaniens sorgt außerdem dafür, dass die Quoten der für die Entwicklung der New Economy relevanten Hochschulabgänger jetzt schon höher sind als in Deutschland allgemein und auch als im Ruhrgebiet. Die Voraussetzungen dafür, dass Madrid ein Sprung nach vorn gelingt, sind deshalb nicht schlecht.
Den größten Aufholbedarf gegenüber New York, Tokio und Madrid hat das Ruhrgebiet beim Standortmarketing. Das führen die Wirtschaftsforscher um Dr. Witt einerseits auf die besonders ungünstige Ausgangslage für eine Vermarktung des Ruhrgebiets als Hightech- und Dienstleistungsstandort zurück und stellen einen geringen Bekanntheitsgrad im Ausland und wegen der anhaltenden Identifizierung mit Kohle und Stahl im Inland ein im Vergleich zu den wirklichen Standortbedingungen eher schlechtes Image fest. Andererseits kritisieren sie die in Bezug zur Entwicklung der New Economy wenig zielführenden Kampagnen wie „Der Himmel über der Ruhr ist wieder blau“ oder „Der Pott kocht“. Dr. Witt: „Negativ wirkt sich auch aus, dass Initiativen auf vielen Ebenen – Landesregierung, Kommunalverbände, das Ruhrgebiet insgesamt, einzelne Städte – unkoordiniert unkoordiniert wirken und eher miteinander konkurrieren als an einem Strang ziehen.“
Es mangele an öffentlicher Präsenz von Vorzeigeunternehmern und -unternehmen, an symbolischen Großprojekten und Pionieranwendungen sowie an der Aktivierung von Bevölkerung und Institutionen in Bezug auf den Gesamtkomplex Informationsgesellschaft und Ruhrgebiet. New Economy im Ruhrgebiet könne sich nicht aus sich selbst heraus und auf breiter Front entwickelt werden: Das Ruhrgebiet besitze nicht die Standortvorteile der durch ihren Charakter als internationale Handels- und Finanzmetropolen geltenden Vergleichsregionen, die Entwicklungsmöglichkeiten für nahezu jede Branche der New Economy böten, sondern müsse sich in Schwerpunkten auf vorhandene Kernkompetenzen stützen.
Die Studie empfiehlt, die Vorteile des Ruhrgebiets als nationaler Ballungsraum in Bezug auf die Bildung von Kompetenzclustern für Anwendungslösungen (Software, E-Service), E-Commerce, Mobile Commerce (mit besonderer Bedeutung, da Europa in der Technologieverfügbarkeit vor den USA liegt) und E-Logistics beschleunigt auszunutzen, um frühzeitig Entwicklungskerne mit einer im internationalen Wettbewerb relevanten kritischen Masse zu schaffen. Gleichzeitig müssten Potentiale in der Bevölkerung und im Bildungssystem durch beispielgebende Initiativen erschlossen und ausgebaut werden (E-Government, virtuelle Bildungsangebote, Verkehrsinformatik).
Die Untersuchung „New Economy – Erfolgsfaktoren für Regionen im globalen Wettbewerb“ wurde jetzt von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben.
Kontakt: Dr. Frank-H. Witt, Telefon 0202/439-2772, Fax -2471, E-Mail fwitt@uni-wuppertal.de
Mobil 0170 798 96 58
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