Polymerelektronik an der Schwelle zum praktischen Einsatz

Seit mehr als 20 Jahren ist bekannt, dass es Polymerkunststoffe gibt, die Halbleitereigenschaften haben. Der Amerikaner Allan J. Heeger, der Neuseeländer Alan G. Mac Diarmid und der Japaner Hideki Shirakawa haben dafür im Jahr 2000 den Nobelpreis erhalten. Weltweit ist ein intensiver Forschungswettbewerb in Gang, um der Polymerelektronik zum praktischen Einsatz zu verhelfen, verspricht sie doch Billigstschaltkreise für vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Denkbar sind z.B. Funk-Etiketten für elektronische Preisschilder für die Erfassung der eingekauften Waren im Supermarkt, als Marker zur Materialidentifizierung von Kleidungsstücken in der Waschmaschine, als elektronische Anhänger zur Verfolgung von Gepäck auf Flughäfen und vieles mehr. Solche Funk-Etiketten werden allgemein als Ident-Tags bezeichnet.

Den Siemens-Forschern in Erlangen ist es gelungen, integrierte Schaltkreise herzustellen, die vollständig aus Polymeren bestehen (Integrated Plastic Circuits – IPC). Dabei haben sie mit 0,2 cm2/Vs den weltweit höchsten Wert für den Schlüsselparameter „Ladungsträger-Beweglichkeit“ erreicht. Die bisher realisierten logischen Gatter wie NAND- und NOR-Schaltungen, Flip-Flops und ein Ringoszillator sind die Basisbausteine für komplexere Systeme wie z.B. Ident-Tags.

Grundlage dieser integrierten Schaltungen ist, ähnlich wie der Siliziumtechnik, ein Feldeffekt-Transistor (organischer Feldeffekt-Transistor – OFET). Der erste Feldeffekt-Transistor, bei dem zumindest die halbleitende Schicht aus organischen Material bestand, wurde 1986 vorgestellt. Mittlerweile konzentriert sich die Forschung auf OFETs, die ausschließlich aus organischen Material aufgebaut sind. So bestehen die Siemens-OFETs aus vier dünnen Schichten, die nacheinander auf ein flexibles Substrat aufgebracht werden. Die unterste Schicht ist strukturiert und bildet die Source- und Drain- Elektrode. Darauf werden die halbleitende Polymerschicht und die Isolatorschicht aufgebracht. Die oberste Schicht, die Gate- Elektrode, ist ebenfalls strukturiert und überdeckt den Bereich zwischen Source- und Drain-Elektrode. Durch Anlegen einer negativen Spannung am Gate entsteht zwischen Source und Drain ein leitfähiger Kanal, d. h. durch Änderung der Gate-Spannung lässt sich der Stromfluss zwischen Source und Drain steuern. In der Sprache der Halbleitertechnik handelt es sich bei dem organischen Transistor (OFET) um „p-Kanal normally off“ – Transistoren. Alle Schichten, also Substrat, Halbleitermaterial, Isolator und Gate-Elektrode können aus Polymerkunststoffen bestehen. Somit ist diese Elektronik extrem flach und flexibel.

Der große Vorteil der Polymerelektronik ist die billige Herstellung. Die Polymermaterialien können in geeigneten Lösungsmitteln gelöst und dann wie elektronische Tinte durch Druckverfahren strukturiert aufgebracht werden. Man benötigt für die spätere Fertigung weder komplizierte Hochtemperatur-, bzw. Vakuumprozesse noch aufwendige Lithographietechnik. Der gesamte Herstellprozess einer integrierten Schaltung aus Polymerelektronik läuft kontinuierlich in kurzer Zeit ab, ähnlich wie beim Zeitungsdruck. Die Fertigung eines Silizium-ICs besteht aus aufeinanderfolgenden Einzelprozessen und dauert Wochen. Durch diese neuen Herstellungsverfahren werden die Polymerelektronikbauteile wesentlich preisgünstiger sein als die konventionelle Silizium-Elektronik.

Es ist nicht zu erwarten, dass Polymertransistoren in absehbarer Zeit die Leistungsfähigkeit von Siliziumschaltungskreisen erreichen werden. Sie können aber eine Billigstelektronik möglich machen, das heißt integrierte Schaltungen, die nur Pfennige oder sogar nur Bruchteile von Pfennigen kosten, und damit völlig neue Märkte erschließen.

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Dr. Hartmut Runge Presseref. Corporate Technology

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