Geschäftserfolg in der Software-Branche hängt von Menschen und Methoden ab

Strategien zur Steigerung des Geschäftserfolges für Software-Unternehmen standen im Mittelpunkt des IBM-EntwicklerTages, der am 19. November 2002 an der Technischen Universität in Kaiserslautern stattfand. Veranstalter waren das Fraunhofer IESE und IBM.

Es war die fünfte Veranstaltung dieser Art in Deutschland. Die große Resonanz unter IBM-Partnern, Software-Experten und Studenten übertraf alle Erwartungen: Mehr als 160 Personen hatten sich angemeldet. Ein Viertel davon nutzte die Gelegenheit, ihr Linux-Wissen durch das Linux Professional Institute zertifizieren zu lassen. Wie ein roter Faden zog sich das Thema „Qualität und Kostensenkung“ durch die Vorträge.

Dr. Willi Gotthard, im Böblinger IBM-Entwicklungszentrum leitender Manager für die Entwicklung von Content-Management-Systemen, erläuterte einige wichtige Faktoren der Software-Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung. Damit Software-Anwendungen weltweit einsetzbar seien, müsse man für jeden Sprachraum die geeignete sprachliche Unterstützung bieten. Um die Kosten dafür möglichst gering zu halten, sei es unabdingbar, die Sprachmodule eines jeden Software-Systems bereits als separate Komponenten im Fundament zu verankern. Damit werde erreicht, dass bei der Herausgabe neuer Versionen oder der Entwicklung von Produktvarianten der Aufwand zur sprachlichen Anpassung gering sei.

Kostenminimierung bei gleichzeitiger Qualitätsmaximierung sowie eine zeitgerechte Auslieferung des Produkts, das seien, so Gotthard, die Ziele eines jeden Software-Projektmanagers. Ein Unternehmen, dem der Spagat zwischen diesen teils widersprüchlichen Zielen gelinge, zähle zu den Premium-Softwarehäusern. Gotthard wies beispielhaft auf zwei wichtige Strategien hin, die zu diesem Ziel führen. Entscheidend sei einerseits ein durchdachtes Anforderungsengineering. Die erforderlichen Funktionen eines Systems müssten zu Projektbeginn präzise erfasst und kommuniziert werden. Doch auch im Laufe eines Projektes müsse es möglich sein, neue Anforderungen zu berücksichtigen, ohne das gesamte Projekt zu gefährden, da solche Änderungen bisweilen einen beträchtlichen Anteil am Gesamtprojekt erreichten.

Ein anderer wichtiger Aspekt bestehe in der frühzeitigen Erkennung und Beseitigung von Fehlern, sei es im Code oder in sonstigen Dokumenten. Auch bei IBM habe man die Erfahrung gemacht, dass die Kosten zur Fehlerbeseitigung von einer Entwicklungsphase zur nächsten (Anforderung, Spezifikation, Entwurf, Codierung, usw.) um jeweils eine Zehnerpotenz steigen. Früh erkannte Fehler seien daher die „billigsten Fehler“. Nicht das Codieren selbst koste am meisten, schilderte Gotthard die Verhältnisse bei IBM. Die Fehlerbeseitigung, mit einem Anteil von 30 Prozent an den gesamten Entwicklungskosten, bilde den größten Kostenfaktor.

Prof. Dr. Dieter Rombach, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering, ergänzte die Darstellung von Willi Gotthard durch ein engagiertes Plädoyer für die Einführung von Software-Engineering-Verfahren in die industrielle Praxis. Keines der Software-Häuser, die in den letzten Jahren mit Hilfe seines Institutes solche Methoden eingeführt hätten, sei durch die Wachstumskrise der IT-Branche ernsthaft bedroht worden. Er führe dies unter anderem auch darauf zurück, dass diese Unternehmen rechtzeitig damit begonnen hätten, ihre Prozesse und Methoden auf den neuesten Stand zu bringen.

Allgemein, so beklagte Rombach, sei der Reifegrad bei Software-Entwicklungsorganisationen jedoch bedrückend niedrig. Eine Umfrage, die vom Fraunhofer IESE im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt worden sei, habe ergeben, dass nur 30 Prozent der befragten Unternehmen einen nach Ingenieurskriterien definierten Entwicklungsprozess vorweisen könnten. Nur 22 Prozent würden sich durch Kooperation mit externen Forschungseinrichtungen bei der Einführung von innovativen Methoden helfen lassen. Angesichts dieser Tatsachen stelle sich die Frage, ob Software-Unternehmen die richtigen Prioritäten setzten, meinte Rombach. Vielfach machten diese den Fehler (ohne eine entsprechende Prozessreife erreicht zu haben) zuerst neue Technologien einzuführen, die sie dann aber häufig nicht beherrschen könnten. Richtig sei es dagegen, zuerst die eigenen Prozesse zu analysieren und zu optimieren und danach die geeigneten Technologien gezielt auszuwählen und nachhaltig einzuführen.

Rombach warnte davor, das Heil allein in neuen Technologien zu suchen. Bereits durch die Einführung einfacher Verfahren, wie zum Beispiel der Inspektion von Dokumenten und Code, sei es möglich, den Aufwand, der durch Nacharbeiten entstehe, und der normalerweise etwa 50 Prozent der Gesamtkosten ausmache, um etwa 90 Prozent zu senken. Auch durch die Einführung innovativer Architekturen könne der Aufwand bei Programmierung und Wartung dramatisch gesenkt werden.

Rombach wies auf einen weiteren aktuellen Trend in der Software-Entwicklung hin. Modellbasierte Programmentwicklung gehöre heute bei führenden Software-Häusern zum Stand der Technik. Anforderungen und Spezifikationen würden plattformunabhängig und auf einer hohen Abstraktionsebene formuliert. Dies erleichtere es, schnell und kostengünstig reale Anwendungen abzuleiten. Durch die Generierung von Produktvarianten könne man auf sich ändernde Marktbedingungen schnell reagieren oder spezifische Kundenwünsche in größerer Zahl und schneller erfüllen.

Die Einführung moderner Entwicklungsverfahren, so der Leiter des Fraunhofer IESE, sei aber kein Privileg für die Großen. Trotz großer Anstrengungen, Hemmschwellen abzubauen, bestünden unter kleinen und mittelständischen Unternehmen dennoch weiterhin Vorbehalte gegenüber der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen. Ein spezielles Förderprogramm des Landes ziele darauf ab, diese zu entkräften. Absicht sei es, kleinen und mittelständischen Firmen den Zugang zu Forschungsergebnissen zu erleichtern. Das Mittel dazu seien gemeinsame Forschungslaboratorien, in denen Firmenmitarbeiter und Wissenschaftler aus dem Fraunhofer IESE in Kleinprojekten ergebnisorientiert zusammen arbeiten würden. Firmen, die an diesem neuartigen Innovationskonzept interessiert seien, könnten sich unverbindlich an Prof. Rombach (rombach@iese.fhg.de) wenden.

Prof. Dr. Jürgen Nehmer, Lehrstuhlinhaber am Fachbereich der TU Kaiserslautern und Leiter der dort angesiedelten Arbeitsgruppe Systemsoftware griff in seinen Darlegungen über „Anwendungsorientierte Lehre und Forschung im Fachbereich Informatik der Universität Kaiserslautern“ das zuvor bereits von Prof. Rombach angesprochene Thema Produktlinienentwicklung wieder auf. Seit 1995 konzentriere sich die Grundlagenforschung im DFG-Sonderforschungsbereich 501 „Entwicklung großer Systeme mit generischen Methoden“ auf Fragestellungen, für die der Produktlinienansatz teilweise bereits praktische Lösungen biete. Im SFB 501 gehe es um die systematische Wiederverwendung von Artefakten und Code bei der Software-Entwicklung, um die Parametrisierung von Prozessen und Produkten, die Adaption und Komposition generischer Artefakte und die automatische Generierung von Programmcode.

Bis zu welchem Grad die Produktlinienentwicklung sich diesen Visionen nähert, erläuterte Nehmer am Beispiel der generischen Architektur für ein Heizungssteuerungssystem. Dabei wurde deutlich, wie mittels der Produktlinienmethodik Konstruktionspläne für Software-Architekturen erstellt werden, aus denen sich unterschiedliche Software-Produkte ableiten lassen, in diesem Fall Heizungssteuerungssysteme für unterschiedliche Gebäudetypen. Die Grundidee sei es, Konstruktionsmuster zu finden, die für alle denkbaren Varianten gelten und aus denen sich diese leicht ableiten ließen. Dieses sei im Prinzip klar. Offen sei jedoch noch die Frage, wie man solche Konstruktionsmuster beschreiben solle, um das Ziel einer automatischen Generierung von Programmcode am besten zu erreichen. Dieses sei ein Schwerpunktthema der aktuellen Forschung.

Nehmer zeichnete zum Abschluss seines Vortrages die Vision eines Software-Herstellungsprozesses, der sich durch zwei Stufen auszeichnet. Die oberste nimmt das Domänenengineering ein. Auf dieser Ebene werden generische Konstruktionspläne für Systemfamilien erstellt. Auf der darunter liegenden Ebene des Anwendungsengineering werden Konstruktionsmuster einer Systemfamilie für Anwendungsfälle konkretisiert. Nehmers Ausführungen war zu entnehmen, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis diese Vision zur industriellen Wirklichkeit wird.

Die Informatikausbildung an der TU Kaiserslautern, so der Hochschullehrer, habe sich längst auf die zu erwartende Zukunft eingestellt. Software Engineering nehme im universitären Curriculum einen zentralen Platz ein. Einerseits ziele die Ausbildung darauf ab, anwendungsnahes Wissen zu vermitteln, andererseits werde großer Wert darauf gelegt, den Absolventen ein solides Informatik-Allgemeinwissen mit auf den Weg zu geben. Software Engineering als Prozess- und Produkt-Modellierungswissenschaft stelle den unabdingbaren Rahmen für eine umfassende Ausbildung dar. Software Engineering bilde als Querschnittswissenschaft die integrative Klammer der am Fachbereich vertretenen Disziplinen, wie zum Beispiel Betriebssysteme, Kommunikationssysteme, Entwicklungswerkzeuge, Datenbanken, wissensbasierte Systeme und eingebettete Systeme.

Nach weiteren Vorträgen, in denen über Details der IBM-Vertriebsorganisation sowie Aktivitäten zur Unterstützung von IBM-Entwicklungspartnern berichtet worden war, nachdem auch das Thema Open-Source-Entwicklung beleuchtet worden war, klang der IBM EntwicklerTag mit einer Blauen Stunde aus. Angeregte Gespräche verrieten, dass die Gäste mit genügend Diskussionsstoff versorgt worden waren. IBM plant, auch im nächsten Jahr die Erfolgsserie der IBM EntwicklerTage an deutschen Universitäten fortzusetzen.

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Dipl.-Inform. Petra Steffens idw

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