Analyse komplexer Biosysteme mittels High-Performance-Computing
Für die Forschung in den Biowissenschaften ist auch heute noch ein weitgehend qualitativer und empirischer Ansatz charakteristisch. Es geht um die Frage, wie biologische Systeme mit einer riesigen Anzahl von Teilprozessen funktionieren.
Um diese Verflechtungen zu verstehen, kommt es darauf an, die unterschiedlichen Akteure zu identifizieren und ihre Wechselwirkungen untereinander zu erforschen. Nur so gelingt es komplexe Systemeigenschaften wie die Regulation und Kontrolle biologischer Systeme, deren Steuerbarkeit und Verhalten zu beschreiben und zu verstehen.
Die Modellierung von Lebensprozessen verspricht dabei ein großes Anwendungspotenzial. Dieser interdisziplinäre Forschungsansatz, der die Biologie mit der Informatik, der Mathematik und den System- und Ingenieurwissenschaften zu einer „Systembiologie“ verbindet, kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Systembiologie zielt mit ihrer ganzheitlichen Sichtweise darauf ab, realitätsnahe Modelle von physiologischen Vorgängen in der Biologie zu entwickeln und somit ein ganzheitliches Verständnis der wesentlichen Prozesse zu erlangen.
„In vivo, in vitro, in silico“ gilt als Dreisatz der Systembiologie, in der es darum geht die komplexen und dynamischen Abläufe in biologischen Prozessen zu verstehen und abzubilden. Die große Fülle von Daten von biologischen Zusammenhängen und Funktionen, muss in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang (Datenexploration) gebracht und im Computer nachgebildet werden, so dass Simulationen und Vorhersagen auch ohne Experimente im Labor möglich werden.
Im Bereich der Biofilmsimulation stellen die Entstehung und Ausprägung pathogener Biofilme und der damit einhergehende Einfluss antiinfektiver Therapien auf Krankheitserreger sowie die Simulation von Mehrphasen-Strömungen hochgradig nichtlineare und rechenintensive Probleme dar.
Derartige Simulationen wachsen in dem Maße in Größe und Komplexität wie Wissenschaftler und Ingenieure versuchen die natürlichen Eigenschaften des Problems mit höherer Präzision und Genauigkeit in einem Modell abzubilden. Ohne diesen hohen Anspruch an Detailgenauigkeit besteht stets die Gefahr, die Realität nur unzureichend im Modell abzubilden.
Daraus ergibt sich die Forderung, notwendiger denn je, an eine höhere Diskretisierung der Simulationsräume durch feinere Netze und anspruchsvollere physikalischer Materialmodelle, was zwingend zu numerisch extrem aufwendigen Simulationen mit hoher physiko- und biochemischer Komplexität führt.
Der Schlüssel um derartige Simulationen zu ermöglichen liegt im High-Performance-Computing (HPC). Modellierungsverfahren und Simulationsmethoden mit Hochleistungsrechnern entwickeln sich neben der Theoriebildung und dem Experiment zum entscheidenden Faktor für eine international wettbewerbsfähige Forschung in Wissenschaft und Technik. Am Rechenzentrum der TU Ilmenau wurde zu diesem Zweck ein moderner und leistungsstarker Rechencluster mit 144 Cores installiert, der den Wissenschaftlern des iba Heiligenstadt e.V. via Internet zur Verfügung steht.
Wesentlicher Untersuchungsgegenstand im laufenden Forschungsvorhaben ist die Komplexität von hierarchisch strukturierten, mikrobiologischen Biofilmen (Abb. 1), wie sie zum Beispiel als Plaque in der Mundhöhle des Menschen zu finden sind sowie 3-dimensionale Zell-aggregate, sogenannte Sphäroide (Abb. 2), als Modellsysteme für Tumorerkrankungen, die mittels selektiver und sensitiver Impedanzspektroskopie untersucht werden können.
Die adressierten Applikationen sind u. A. auf die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und die Wirkstoffforschung mittels der Modellierung und Simulation in silico ausgerichtet.
Durch HPC-Ansätze können dabei in Zukunft Entwicklungsschritte für notwendige neue Lösungen in der Medizintechnik wesentlich schneller und vor allem ohne regulative Restriktionen (ethische Grenzen, Tierversuche) konzipiert und geprüft werden.
* Das vom Freistaat Thüringen geförderte Vorhaben wurde durch Mittel der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) unter dem Förderkennzeichen: 2016 FGI 0001 kofinanziert.
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