Pflanzenvielfalt hat Einfluss auf die Wechselwirkung zwischen Vegetation und Klima

Das Bild zeigt Restbestände von Akazien im Ennedi Plateau im Nordosten des Tschad<br>Foto: Stefan Kröpelin, Universität Köln <br>

Die terrestrische Biosphäre und das Klima beeinflussen sich gegenseitig. Einerseits benötigen Pflanzen Sonnenlicht und Regen, andererseits ändert Vegetation die Wärmeflüsse zwischen Boden und Atmosphäre sowie die Verdunstung und die Wasserspeicherung im Boden.

Diese Wechselwirkung kann so stark sein, dass es zu plötzlichen Verschiebungen im Ökosystem und im Klima kommen kann. Vegetation und Wüste im nördlichen Afrika bieten ein Beispiel. Ungefähr vor 15 Jahren haben Martin Claußen , Victor Brovkin und damalige Kollegen aus theoretischen Überlegungen geschlossen, dass sich die Sahara, die vor einigen tausend Jahren viel grüner war als heute, innerhalb von nur wenigen hundert Jahren auf die heutige Größe ausgedehnt haben müsste.

Während diese Hypothese auch von einigen geologischen Aufzeichnungen untermauert wird, erzählt die einzige Vegetationsrekonstruktion aus der Sahara, die Stefan Kröpelin aus Pollenfunden im Sediment des Yoa-Sees im Nordosten der Republik Tschad gewonnen hatte, eine vollkommen andere Geschichte: es gab keine abrupten Änderungen in der Vegetation und im Niederschlag sondern nur einen allmählichen Trend zu trockenerem Klima, der mit starken etwa hundertjährigen Schwankungen in der Vegetationsbedeckung einherging.

Verschiedene Erklärungsversuche, Theorie und Daten in Einklang zu bringen, waren bisher unbefriedigend. Nun aber scheint eine neue Idee Licht ins „Dunkel“ zu bringen. In ihrer Studie in Nature Geoscience untersuchen Prof. Martin Claußen, Dr. Sebastian Bathiany, Dr. Victor Brovkin und Dr. Thomas Kleinen vom MPI-M die Idee, wie und ob sich die Vielfalt des Pflanzenbewuchses auf die Dynamik der Wechselwirkung zwischen Klima und Vegetation auswirkt. In ihrem Modell werden einerseits Pflanzen dargestellt, die empfindlich gegenüber Änderungen des Niederschlags sind und damit das System „Vegetation – Klima“ instabil werden lassen, d.h., wenn nur diese Pflanzen auftreten, kann es zu abrupten Änderungen in der Vegetationsbedeckung und im Niederschlag kommen. Andererseits werden andere Pflanzentypen berücksichtigt, die trockenresistenter sind, d.h. belastbarer gegenüber kleineren Niederschlagsänderungen. Wenn beide Pflanzentypen gleichzeitig mit dem Klimasystem interagieren, dann zeigt sich, dass die Vielfalt der Pflanzen die Instabilität der Wechselwirkung zwischen Klima und Vegetation dämpft, d.h. das System zeigt kräftige Schwankungen, wie sie auch in den Daten von Kröpelin zu sehen sind, aber abrupte Änderungen tauchen nicht mehr auf. Interessanterweise wird das System „Vegetation – Klima“ auch stabiler, wenn empfindliche Pflanzentypen im Modell gemischt werden, die sich nur durch verschiedene ‚Schwellenwerte‘ unterscheiden, d.h. manche Pflanzentypen reagieren empfindlich gegenüber kleinen Niederschlagsänderungen im feuchten Klima, andere Pflanzentypen können mit wenig Wasser auskommen, reagieren aber dann sehr rasch bei einsetzender Trockenheit. Allerdings ist dieses System „Vegetation – Klima“ nur scheinbar stabil und kann Instabilitäten „verbergen“: wenn einige Pflanzenarten weggenommen oder hinzugefügt werden, könnten abrupte Änderungen in der Vegetationsbedeckung und im Niederschlag überraschenderweise auftreten.

Die vorliegende Studie bietet eine mögliche Erklärung für die von Kröpelin rekonstruierten Vegetations- und Klimaänderungen im nördlichen Afrika vor einigen tausend Jahren und fokussiert auf die tropischen Ökosysteme im semi-ariden Klima. Das Prinzip, dass Pflanzenvielfalt die Stabilität der Wechselwirkung zwischen Klima und Vegetation beeinflusst, dürfte vermutlich generell gelten.

Originalveröffentlichung;

Claussen, M., S. Bathiany, V. Brovkin, and T. Kleinen (2013) Simulated climate-vegetation interaction in semi-arid regions affected by plant diversity. Nature Geoscience, doi: 10.1038/ngeo1962.

Kontakt:

Prof. Dr. Martin Claußen
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Exzellenzcluster CliSAP, Universität Hamburg
Tel.: 040 41173 266 (Sekretariat Frau Houston)
Email: martin.claussen@zmaw.de
Dr. Sebastian Bathiany
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Exzellenzcluster CliSAP, Universität Hamburg
Tel.: 040 41173 218
Email: sebastian.bathiany@zmaw.de
Dr. Victor Brovkin
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 339
Email: victor.brovkin@zmaw.de
Dr. Thomas Kleinen
Max-Planck-Institut für Meteorologie
Tel.: 040 41173 140
Email: thomas.kleinen@zmaw.de

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