Geheimnisse der Steppe enthüllt

Die Ausgrabungen der zahlreichen Brunnen sind aufwendig und erfordern den Einsatz von Pumpen zur Beseitigung des Grundwassers. Bild: Olgino/GU<br>

Der Ort des Geschehens liegt 3.530 Kilometer Luftlinie vom Campus Westend der Goethe-Universität entfernt in Westsibirien, mitten in der russischen Steppe. Dieses Gebiet im Trans-Ural spielt seit kurzem eine wichtige Rolle für Prof. Rüdiger Krause, Professor für Vorgeschichte Europas am Institut für Archäologische Wissenschaften und seine russische Kollegin, Prof. Dr. Ludmila Korjakova von der Russischen Akademie der Wissenschaften aus Ekaterinburg. Unterstützt wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Russischen Stiftung für Geistes- und Sozialwissenschaften in Moskau (RGNF).

Von Anfang Juli bis Mitte August 2011 haben die beiden Archäologen und ihr großes Team an Mitarbeitern und Studenten bei einer Grabungskampagne weitere Geheimnisse der Steppe enthüllt. Über den Alltag einer längst verflossenen Menschheitsepoche gab die Erde viele Zeugnisse frei: Hausgrundrisse bronzezeitlicher Häuser wurden ebenso gefunden wie zahlreiche Hinterlassenschaften des täglichen Lebens (Keramikscherben, Tierknochen, Geräte aus Stein, Knochen und Bronze). Spektakulär sind die zahlreichen Brunnenschächte zur Wasserversorgung, die sich in jedem Haus finden. Aus den Brunnenverfüllungen liegen erstmals zahlreiche Hölzer mit Bearbeitungsspuren vor, die wertvolle Hinweise zur Holzbearbeitung vor 4000 Jahren liefern. Aus Grabhügeln, die an vielen Stellen die karge Landschaft überragen, sind seit Jahren Streitwagen bekannt, die über die älteste, weltweit bekannte Speichenrad-Technologie verfügen. Auch finden sich in den Grabhügeln Pferdegeschirre mit scheibenförmigen Trensenknebeln, die bis an die untere Donau und zu den bronzezeitlichen Schachtgräbern von Mykene zu finden sind und somit weiträumige Kontakte durch die Weiten der Steppe zwischen Ost und West bezeugen.

Bei den Grabungen wurde auch klar, dass die bronzezeitlichen Steppen-Menschen bereits über einen hohen gesellschaftlichen Organisationsgrad verfügten, der aber offenbar nicht von Dauer war: Befestigte Siedlungen mit regelhafter, funktionaler Innengliederung und systematisch angeordneten Häusern, die wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen und nach ungefähr zwei Jahrhunderten ebenso plötzlich im bislang noch undurchsichtigen Nebel der weiteren Geschichte wieder verschwinden, setzten die Forscher in Erstaunen.

Grundlage für diese frühe kulturelle Blüte bilden u.a. die überaus reichen Mineral- und Erzvorkommen des Urals, die seit dieser Zeit bis heute genutzt werden und von herausragender Bedeutung für die Entwicklung des eurasischen Steppenraums sind. Die Grabungen werden unterstützt von einem interdisziplinären Team von Wissenschaftlern: Archäobotanikern und Vegetations¬geschichtlern, Bodenkundlern und Biologen, Archäometallurgen, Geologen, Geophysikern und Vermessungsspezialisten, zu denen renommierte Wissenschaftler der Akademie der Wissenschaften aus Ekaterinburg, Tscheljabinsk, Miass sowie der Goethe-Universität gehören.

Für die beiden Archäologen Ludmila N. Korjakova und Rüdiger Krause, ihren zahlreichen Mitarbeitern und Studenten der Goethe-Universität, ist das Kooperationsprojekt etwas ganz Besonderes: „Die bronzezeitliche Sintastha-Kultur zählt zu den prominentesten Kulturerscheinungen im eurasischen Steppengürtel und hat eine weite Ausstrahlung bis an die untere Donau entfaltet. Das Rätsel des riesigen eurasischen Steppenraums ist noch lange nicht gelüftet“, so Rüdiger Krause.

Das archäologische Forschungsprojekt wird im Rahmen eines Festaktes des Deutschen Generalkonsulats in Ekaterinburg am 3. Oktober 2011 vorgestellt. Für April 2012 ist die Eröffnung einer Sonderausstellung im Landeskundemuseum in Ekaterinburg geplant.

Informationen: Prof. Dr. Rüdiger Krause, Institut für Archäologische Wissenschaften, Campus Westend, Tel. 069-798-32120, r.krause@em.uni-frankfurt.de

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Dr. Olaf Kaltenborn idw

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