Erdinneres kühlt schneller ab als erwartet

Der Erdkern gibt Wärme an den Erdmantel (orange bis dunkelrot) ab, was zur langsamen Auskühlung der Erde beiträgt. (Bild: iStock / Rost-​9D)

ETH-​Forschende zei­gen im La­bor, wie gut ein häu­fi­ges Mi­ne­ral an der Gren­ze zwi­schen Erdkern-​ und Man­tel Wär­me lei­tet. Das lässt sie ver­mu­ten, dass die Er­de frü­her er­kal­ten könn­te als bis­her an­ge­nom­men.

Die Ent­wick­lung un­se­rer Er­de ist die Ge­schich­te ih­rer Ab­küh­lung: Vor 4,5 Mil­li­ar­den Jah­ren herrsch­ten auf der Ober­flä­che der jun­gen Er­de ex­tre­me Tem­pe­ra­tu­ren, und sie war von ei­nem tie­fen Mag­ma­oze­an be­deckt. Doch im Lauf der Jahr­mil­lio­nen kühl­te der Pla­net ober­fläch­lich ab, und es bil­de­te sich ei­ne sprö­de Krus­te. Die ge­wal­ti­ge, aus dem Erd­in­nern frei­ge­setz­te Wär­me­en­er­gie setz­te je­doch dy­na­mi­sche Pro­zes­se in Gang, wie et­wa die Man­tel­kon­vek­ti­on, die Plat­ten­tek­to­nik oder Vul­ka­nis­mus.

Noch of­fen sind aber die Fra­gen, wie schnell sich die Er­de ab­ge­kühlt hat und wie lan­ge es dau­ern könn­te, bis die er­wähn­ten wär­me­ge­trie­be­nen Pro­zes­se auf­grund der fort­schrei­ten­den Ab­küh­lung zum Still­stand kom­men.

Ei­ne Ant­wort dar­über lie­fert mög­li­cher­wei­se die Wär­me­leit­fä­hig­keit der Mi­ne­ra­li­en, die die Gren­ze zwi­schen dem Erd­kern und dem Erd­man­tel bil­den.

Die­se Grenz­schicht ist des­halb re­le­vant, weil hier das zäh­flüs­si­ge Man­tel­ge­stein in di­rek­ten Kon­takt mit der heis­sen Eisen-​Nickel-Schmelze des äus­se­ren Erd­kerns steht. Der Tem­pe­ra­tur­gra­di­ent zwi­schen den bei­den Schich­ten ist sehr gross, so dass hier al­so po­ten­zi­ell viel Wär­me fliesst. Ge­bil­det wird die Grenz­schicht zur Haupt­sa­che aus dem Mi­ne­ral Bridgma­nit. Wie viel Wär­me die­ses Mi­ne­ral vom Erd­kern in den Man­tel lei­tet, kön­nen For­schen­de je­doch schlecht ein­schät­zen, da die ex­pe­ri­men­tel­le Über­prü­fung sehr schwie­rig ist.

ETH-​Professor Mo­to­hi­ro Mu­ra­ka­mi und Kol­le­gen der Car­ne­gie In­sti­tu­ti­on for Sci­ence ha­ben des­halb ein aus­ge­klü­gel­tes Mess­sys­tem ent­wi­ckelt, das es er­mög­licht, die Wär­me­leit­fä­hig­keit von Bridgma­nit im La­bor zu mes­sen, und zwar un­ter den Druck-​ und Tem­pe­ra­tur­be­din­gun­gen, wie sie im In­nern der Er­de herr­schen. Für die Mes­sun­gen ver­wen­de­ten sie ein kürz­lich ent­wi­ckel­tes op­ti­sches Ab­sorp­ti­ons­mess­sys­tem in ei­ner mit ei­nem ge­puls­ten La­ser be­heiz­ten Dia­mant­ein­heit.

Messgerät zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Bridgmanit unter hohem Druck und extremer Temperatur. (aus Murakami M, et al, 2021)

«Mit die­sem Mess­sys­tem konn­ten wir zei­gen, dass die Wär­me­leit­fä­hig­keit von Bridgma­nit et­wa ein­ein­halb­mal hö­her ist als an­ge­nom­men», sagt Mu­ra­ka­mi. Dies las­se den Schluss zu, dass auch der Wär­me­fluss vom Kern in den Man­tel hö­her sei als bis­her ge­dacht. Ein stär­ke­rer Wär­me­fluss wie­der­um ver­stärkt die Man­tel­kon­vek­ti­on und be­schleu­nigt die Ab­küh­lung der Er­de. Dies kann da­zu füh­ren, dass die Plat­ten­tek­to­nik, die durch die Kon­vek­ti­ons­be­we­gun­gen des Man­tels in Gang ge­hal­ten wird, schnel­ler er­lahmt als For­schen­de auf­grund der bis­he­ri­gen Wär­me­lei­tungs­wer­te er­war­tet ha­ben.

Mu­ra­ka­mi und sei­ne Kol­le­gen zei­gen zu­dem auf, dass ei­ne schnel­le Ab­küh­lung des Man­tels die sta­bi­len Mi­neral­pha­sen an der Kern-​Mantel-Grenze ver­än­dern wird. Beim Ab­küh­len geht Bridgma­nit in das Mi­ne­ral Post-​Perowskit über. Doch so­bald Post-​Perowskit an der Kern-​Mantel-Grenze auf­taucht und zu do­mi­nie­ren be­ginnt, könn­te sich die Aus­küh­lung des Man­tels so­gar wei­ter be­schleu­ni­gen, schät­zen die For­schen­den, lei­tet die­ses Mi­ne­ral Wär­me noch ef­fi­zi­en­ter als Bridgma­nit.

«Un­se­re Er­geb­nis­se könn­ten uns ei­ne neue Per­spek­ti­ve auf die Ent­wick­lung der Dy­na­mik der Er­de er­öff­nen. Sie deu­ten dar­auf hin, dass die Er­de wie die an­de­ren Ge­steins­pla­ne­ten Mer­kur und Mars viel schnel­ler als er­war­tet aus­kühlt und in­ak­tiv wird», er­klärt Mu­ra­ka­mi.

Wie lan­ge es dau­ert, bis bei­spiels­wei­se die Kon­vek­ti­ons­strö­me im Man­tel zum Still­stand kom­men wer­den, kann der For­scher al­ler­dings nicht sa­gen. «Sol­che Er­eig­nis­se zeit­lich ein­zu­gren­zen, ist mit dem ak­tu­el­len Stand des Wis­sens nicht mög­lich.» Da­zu müs­se man zu­nächst bes­ser ver­ste­hen, wie die Man­tel­kon­vek­ti­on räum­lich und zeit­lich funk­tio­niert. Wei­ter müs­sen die Wis­sen­schaft­ler klä­ren, wie sich der Zer­fall ra­dio­ak­ti­ver Ele­men­te im Erd­in­nern, ei­ne der wich­tigs­ten Wär­me­quel­len, auf die Dy­na­mik des Man­tels aus­wirkt.

Li­te­ra­tur­hin­weis

Mu­ra­ka­mi M, Gon­cha­rov A, Mi­ya­ji­ma N, Yama­za­ki D, Holt­gre­we N.: Ra­dia­ti­ve ther­mal con­duc­ti­vi­ty of single-​crystal bridgma­ni­te at the core-​mantle bounda­ry with im­pli­ca­ti­ons for ther­mal evo­lu­ti­on of the Earth. Earth and Pla­ne­ta­ry Sci­ence Let­ters, Vo­lu­me 578, 15 Ja­nuary 2022, 117329. doi: 10.1016/j.epsl.2021.117329

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2022/01/erdinneres-kuehlt-schneller-ab-als-erwartet.html

Media Contact

Peter Rüegg Hochschulkommunikation
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer