Liblar: Ein deutscher Ort zerreißt
Die Möglichkeiten des satellitengestützten GPS (Global Positioning System) finden nicht nur bei der Navigation von Autos eine Verwendung, sondern helfen auch bei der wissenschaftlichen Feststellung geodätischer Bewegungsprozesse. Vor dem Hintergrund des im deutschen Rheinland Jahr für Jahr wenige Millimeter auseinanderdriftenden Ortes Liblar, untersuchen Wissenschaftler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Universität Bonn mit Hilfe von GPS in regelmäßigen Abständen, wie schnell dieser Prozess des Auseinanderreißens des Ortes vor sich geht.
Barbara Görres vom Geodätischen Institut nutzt für solche Analysevorhaben das GPS. „Prinzipiell lässt sich so auch ganz einfach messen, wie schnell sich die Kölner und die Erfter Scholle in Liblar gegeneinander schieben“, so die Geodätin. Um solche Bewegungen von geologischen Prozessen detailliert nachweisen zu können, wird an einer definierten Stelle eine GPS-Antenne installiert. Durch die Satellitensignale ist es nun möglich, die genaue Position der Antenne festzustellen und mit den Werten einer präzise gleich installierten Antenne des Vorjahres zu vergleichen.
Dennoch hört sich dies leichter und unproblematischer an, als es in der Praxis tatsächlich der Fall ist. Hauptproblem von Messungen dieser Art ist die ungenaue Eichung der Geräte durch die Hersteller. Weil GPS-Antennen oftmals nicht stabförmig, sondern aus Platz- und Designgründen breite Metallflächen sind, variieren die Positionsangaben, die der Empfänger liefert. Die Frage ist also, worauf genau sich die Positionsangabe der GPS-Antenne bezieht. Görres hält dazu fest, dass weder die Technik nutzenden Forscher noch die Hersteller selbst eindeutig wissen, wo das so genannte Phasenzentrum festgestellt werden kann. Aus diesem Grund bleibt häufig offen, ob es sich auf die linke obere Ecke der Antenne oder auf die rechte untere Ecke oder auf einen Punkt mittendrin bezieht. Diese Ungenauigkeiten sind oftmals der Grund für ungenaue Messungen, auf deren Grundlage häufig falsche Schlussfolgerungen gezogen werden. Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass das Phasenzentrum je nach Position des Satelliten wandert. „Die Elektronik und das Gehäuse deformieren die Funkwellen, und das je nach Einstrahlwinkel unterschiedlich“, so die Expertin.
Bedingt durch diese ungenauen Angaben entwickelten die Bonner Wissenschaftler eine spezielle Eichungsmethode, durch die ungenaue Daten präzise korrigiert werden können. Im Gespräch mit pressetext weist Barbara Görres darauf hin, dass die in Bonn praktizierte Methode zur Präzisierung des GPS in einem ähnlich schalltotem Raum der Bundeswehr durchgeführt wird, der für das spezielle Laborverfahren auf Mikrowellen ausgerichtet ist. Darin werden ein Sender und eine zu kalibrierende GPS-Antenne installiert. Da diese die zu empfangenden Signale aufzeichnet und dabei über wenige Grad geschwenkt wird, wissen die Forscher nach hunderten von Messungen, wo sich das jeweilige Phasenzentrum entsprechend unterschiedlicher Einstrahlungswinkel befindet. Das Lösungsmodell am Ende dieses Verfahrens bildet ein hutförmiges, dreidimensionales Kalibriermodell, das als Vorlage und Messwertgrundlage zukünftiger Positionsbestimmungen gilt. Auf Nachfrage von pressetext, ob auch andere Verwendungsmöglichkeiten (Navigationsgerät im Auto) dieses Verfahrens denkbar wären, entgegnet die Expertin, dass dies ganz auf den Zweck ankommt und daher die „Frage nach der zu erreichenden Genauigkeit“ im Vordergrund steht. Für Präzisionsanwendungen mit GPS, wie etwa im Bereich des Ingenieurvermessungswesens entgegnet die Expertin mit Blick auf die zukünftige Anwendbarkeit dieser Methode, dass „man am Bonner Kalibriermodell nicht mehr vorbei kommen wird“.
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