Deutsche und amerikanische Forscher am Nordpol

Gemeinsame Expedition von „Polarstern“ und „Healy“: Beide Schiffe untersuchen den bisher nahezu unerforschten Meeresboden des Gakkel-Rückens und der angrenzenden Gebiete des Amundsen- und Nansenbeckens.

Nach schwerer Eisfahrt erreichten das größte deutsche Forschungsschiff „Polarstern“ und der US-amerikanische Eisbrecher „Healy“ am 6. September den Nordpol.

Das Polarversorgungs- und Forschungsschiff „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven befindet sich seit dem 2. August 2001 gemeinsam mit dem neuen Forschungseisbrecher „Healy“ der amerikanischen Küstenwache auf einer Expedition im ganzjährigen Eis des Nordpolarmeeres. Beide Schiffe erkunden in einem abgestimmten Programm den bisher nahezu unerforschten Meeresboden dieser unwirtlichen Region. Die Fahrt durch die bis zu 3,50 Meter dicken Eisschollen bereitete wegen der Eis- und Wetterverhältnisse große Schwierigkeiten und stellte höchste Anforderungen an Mensch und Maschine: „Wir mussten um Alteisschollen von fünf bis zehn Kilometer Durchmesser herumfahren“, erklärt Kapitän Jürgen Keil (60). „Das führte zu einer erheblichen Zeitverzögerung und Wegverlängerung von bis zu drei Stunden. Neueis und kleinere gebrochene Eisschollen verlangten volle Maschinenleistung. Es war höchste Konzentration der nautischen Wachoffiziere erforderlich, um die richtigen Passagen zu finden und zu nutzen.“

Breitgefächertes Forschungsprogramm
Die bisher überaus erfolgreiche Expedition zeichnet sich durch umfangreiche, breit gefächerte Untersuchungen aus. Im Zentrum des Interesses der Wissenschaftler steht die Erforschung des Gakkel-Rückens. Dieser nördlichste Teil des mittelozeanischen Rückensystems – jener vulkanischen Gebirgsnaht, an der durch aufsteigendes Magma permanent neuer Meeresboden und damit Erdkruste gebildet wird – besitzt im Vergleich zu anderen Rückensystemen des Weltmeeres mit weniger als einem Zentimeter pro Jahr die geringste Spreizungsgeschwindigkeit.

Die Wissenschaftler interessieren sich darüber hinaus für die angrenzenden Gebiete des Amundsen- und Nansenbeckens. Deshalb sammeln sie mit einer Vielzahl von Instrumenten und Methoden detaillierte Informationen über die Beschaffenheit des dortigen Meeresbodens.

Außerdem begleiten mehrere Meereisexperten und Biologen die Expedition und erheben aktuelle Daten über die Dicke und Verteilung des Meereises und der darin lebenden Organismen.

Der Nordpol – das magische Ziel
Bereits 1908 erreichte Frederik Albert Cook und ein Jahr später Robert Edwin Peary erstmals den Nordpol. Sie hatten dafür mit ihren Begleitern und Hundegespannen qualvolle, entbehrungsreiche Fußmärsche von Nordgrönland aus zurückzulegen. Später bekämpften sich beide Pioniere erbittert, indem sie sich gegenseitig der Verfälschung ihrer Ortsangaben beschuldigten. Die Wissenschaftler, die ihnen folgten, bedienten sich der modernsten Transportmittel ihrer Zeit – zunächst des Zeppelins, dann des Flugzeugs und schließlich atomgetriebener Unterseeboote sowie moderner Forschungseisbrecher.

Das Zeitalter des Massentourismus hat auch vor dem Nordpol nicht halt gemacht. Bis zum heutigen Tage haben Tausende zahlungskräftiger Touristen diesen besonderen Punkt der Erde besucht – entweder mit Flugzeugen aus Kanada, die auf dem Meereis landen oder atomar getriebenen Eisbrechern aus Russland.

Dagegen haben nur relativ wenige Wissenschaftler den Pol erreicht, denn die Erforschung dieser extremen Region ist teuer, stellt sie doch erhebliche Anforderungen an die Technik. Die meisten dieser Projekte wurden deshalb von militärischen Einrichtungen der um die Vorherrschaft im Nordpolarmeer ringenden zirkumarktischen Länder betrieben.

Eiskaltes Jubiläum
Seit dem 7. September 1991 hat sich die Situation völlig gewandelt. Damals erreichten die deutsche „Polarstern“ und die schwedische „Oden“ als erste nicht atomar angetriebene Eisbrecher mit rein zivilen Forschungsaufträgen den Nordpol. Sie leiteten damit ein neues Kapitel der friedlichen und systematischen Erforschung des Nordpolarmeeres ein. „Der Nordpol ist kein magischer Punkt auf der Erde mehr, der nur unter großen Entbehrungen erreicht werden kann. Unter Einsatz modernster Technik kann der Nordpol jetzt regelmäßig aufgesucht werden“, würdigt AWI-Direktor Professor Jörn Thiede dieses Ereignis. „Die schwere Eisfahrt zu diesem nördlichsten Punkt der Erde im Gegensatz zum angeblich eisfreien Nordpol noch vor einem Jahr weist auf die schnelle Veränderlichkeit der Umweltbedingungen hin, deren Muster es zu erkennen gilt. Dies rechtfertigt auch die aufwendige Polarforschung.“

Die am heutigen Tag von den Besatzungen der „Polarstern“ und „Healy“ begangenen Feierlichkeiten gelten deshalb nicht nur der Freude über die gelungene Ankunft am Pol, sondern auch diesem zehnjährigen Jubiläum und einer hoffnungsvollen Zukunft dieses Zweiges wissenschaftlicher Forschung.

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Dipl.-Ing. Margarete Pauls idw

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