20.000 Jahre Sauerstoffgeschichte des Ostpazifiks

Das deutsche Forschungsschiff METEOR<br>Foto: H.v. Neuhoff, GEOMAR <br>

Der Ostpazifik vor der Küste Perus und Nordchiles ist eine überaus faszinierende Region für Meeresforscher. Viele Prozesse, die dort ablaufen, können letztendlich globale Auswirkungen haben. Aufgrund bestimmter Wind- und Strömungsmuster wird nährstoffreiches Wasser aus den Tiefen des Pazifiks an die Oberfläche getrieben (Auftrieb).

Dort sorgt es für eine wahre Fülle an Leben. Doch wo viel lebt, stirbt auch viel. Und wenn Bakterien organisches Material abbauen, verbrauchen sie Sauerstoff. Deshalb erstreckt sich vor Peru die größte Sauerstoffminimumzone aller tropischen Ozeane. Zusätzlich ist der Ostpazifik der Schauplatz des sogenannten El Niño Phänomens, der stärksten Klimaschwankung auf Zeitskalen von wenigen Jahren, die sogar globale Auswirkungen haben kann.

Um die steuernden Prozesse dieser Phänomene zu verstehen, muss man wissen, wie sie sich im Laufe der Erdgeschichte entwickelt haben. Zum Glück finden sich Spuren im Meeresboden. Man muss nur wissen, wie man diese Spuren entschlüsseln kann. Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 754 eine neue Entschlüsselungsmethode entwickelt und damit herausgefunden, dass der Wechsel von (warmen) El Niño- und (kalten) La Niña-Ereignissen, wie wir ihn aus der jüngeren Geschichte kennen, erdgeschichtlich kein kontinuierliches Phänomen ist. Ihre Ergebnisse präsentieren die Forscher jetzt in der internationalen Fachzeitschrift „Quaternary Science Reviews“.
Grundidee der Studie war, auf der Basis heutiger Untersuchungen die Gründe für Änderungen der Ausbreitung und Intensität der Sauerstoffminimumzone während der vergangenen 20.000 Jahre zu verstehen. „Das Problem ist, dass vergangene Sauerstoffkonzentrationen des Wassers nur sehr schwer direkt rekonstruierbar sind“, sagt Dr. Claudia Ehlert, Erstautorin der Studie. Deshalb hat sie gemeinsam mit den anderen Autoren versucht, die externen Faktoren, die die Sauerstoffminimumzone beeinflussen, als Indikatoren zu nutzen. „Dazu gehört die Nutzung der Nährstoffe wie des Silikats und die Menge der biologischen Primärproduktion nahe der Meeresoberfläche und damit die Menge an organischem Material, bei dessen Abbau Bakterien Sauerstoff verbrauchen. Dazu gehört aber auch die Zufuhr von Sauerstoff über die Ozeanzirkulation“, erklärt die Paläozeanographin.

Um an diese Daten heranzukommen, haben die Wissenschaftler während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR in den Jahren 2008/2009, aber auch schon während einer früherer Expeditionen mit dem Forschungsschiff SONNE (SO-147) unter Leitung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Wasserproben und Sedimentkerne vom Meeresboden des Ostpazifiks genommen. Wieder zuhause haben sie die Proben in den Laboren des GEOMAR zwei Analyse-Methoden unterzogen: Zum einen bestimmten sie die Verhältnisse bestimmter Silizium-Isotope in den Überresten von mikroskopisch kleinen Kieselalgen. Parallel haben sie die Verhältnisse verschiedener Isotope des Elements Neodym in den gleichen Proben gemessen. Silizium-Isotope sind Gradmesser für Nährstoffnutzung der Kieselalgen. Die Neodym-Isotope sagen dagegen etwas über die Veränderungen der Meeresströmungen in der Region aus, weil sie Rückschlüsse auf die Herkunft der Sedimente zulassen. „Die Kombination dieser beiden Isotopen-Analyse-Methoden ist bisher einmalig“, erklärt Professor Martin Frank vom GEOMAR, Co-Autor der Studie.

Dank ihrer Ergebnisse konnten die Forscher erkennen, dass die Produktion von Biomasse, die Nutzung der Nährstoffe und der Auftrieb der Wassermassen vor Peru während den letzten 20.000 Jahre sehr stark geschwankt haben. Damit muss sich auch die Ausdehnung und Intensität der Sauerstoffminimumzone in dieser Zeit geändert haben. Zum Höhepunkt der letzten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren und direkt im Anschluss war demnach die Produktivität und Nährstoffnutzung extrem gering. „Die Ursache ist vermutlich, dass weniger Nährstoffe in den Wassermassen im Pazifik vorhanden waren, die den Auftrieb fütterten“, erklärt Ehlert. Vor etwa 12.000 Jahren stiegen Produktivität und Nährstoffnutzung langsam an, beschleunigten sich deutlich vor ca. 5.000 Jahren und erreichten danach schnell heutige Ausmaße.

Ursache für diese Veränderungen waren höchstwahrscheinlich Schwankungen in der Häufigkeit und Intensität von El Niño- und La Niña-Ereignissen. Diese beeinflussen den Auftrieb von Wassermassen vor Peru, die Nährstoffzufuhr, die Produktivität, aber auch die Menge an Niederschlägen auf dem Festland. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das heutige System von abwechselnden El Niño- und La Niña-Ereignissen erst seit maximal 5.000 Jahren so abläuft, wie wir es aus der direkten Beobachtung kennen“, sagt Ehlert, die mittlerweile in der Max-Planck Forschungsgruppe für Marine Isotopengeochemie am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg arbeitet.

„Mit der dargestellten Methode können wir jetzt auch versuchen, die Geschichte und steuernden Prozesse anderer tropischer Sauerstoffminimumzonen zu rekonstruieren, um sie hoffentlich etwas besser zu verstehen“, erklärt Professor Frank. „Eines ist aber schon jetzt deutlich geworden: Das System der Auftriebsgebiete und deren Wechselwirkungen mit dem globalen Klimageschehen ist äußerst komplex und bis wir das Zusammenspiel aller Faktoren verstanden haben, wird es wohl noch sehr lange dauern“.

Originalarbeit:
Ehlert, C, P. Grasse, and M. Frank, 2013: Changes in silicate utilisation and upwelling intensity off Peru since the Last Glacial Maximum – insights from silicon and neodymium isotopes. Quaternary Science Reviews, 72, 18-35, http://dx.doi.org/10.1016/j.quascirev.2013.04.013

Weitere Informationen:

http://www.geomar.de
Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
http://www.sfb754.de
Der Sonderforschungsbereich 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“
http://www.mpi-bremen.de/AG_Marine_Isotopengeochemie.html
Die AG Marine Isotopengeochemie am MPI Bremen und am ICMB der Universität Oldenburg

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Andreas Villwock idw

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