Thermoelektrik auf dem Weg zur Industriereife

Die einzelnen Bausteine thermoelektrischer Module sind nur wenige Millimeter groß. Sie werden aus bestimmten Metalllegierungen – zum Beispiel Halb-Heusler-Verbindungen – herausgesägt. <br>© Fraunhofer IPM<br>
Heute gehen mehr als zwei Drittel der weltweit eingesetzten Primärenergien wie Öl oder Gas als Abwärme verloren. Mit thermoelektrischen Modulen ließe sich ein Teil davon bei Kraftwerken, Industrie- oder Heizungsanlagen sowie Autos nutzen. Die Thermoelektrik gewinnt aus Temperaturunterschieden Strom.
Integriert in die Abgasanlage eines Pkw beispielsweise könnten die Module Strom erzeugen und damit die Lichtmaschine des Fahrzeugs entlasten. »Angesichts immer schärferer Umweltregeln der EU ist das auch für die Autohersteller kein uninteressanter Aspekt«, so Dr. Kilian Bartholomé vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg.
Doch obwohl die wesentlichen Prinzipien bereits seit fast 200 Jahren bekannt sind, steckt die Technologie noch immer größtenteils in den Kinderschuhen. Es fehlt an effizienten Herstellungsverfahren und geeigneten Materialien. Dem IPM ist dabei jetzt ein großer Entwicklungsschritt gelungen. Die Forscher haben gezeigt, dass Halb-Heusler-Verbindungen – ein für thermoelektrische Prozesse sehr gut geeignetes Material – wesentlich effizienter und kostengünstiger hergestellt werden können, als das bisher möglich war.
Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Projekt »thermoHEUSLER« arbeiteten sie mit der Robert Bosch GmbH, dem Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, der Vacuumschmelze in Hanau und der Isabellenhütte in Dillenburg zusammen.
»Halb-Heusler-Verbindungen eignen sich besonders gut für die thermoelektrische Anwendung. Sie erfüllen – fast – alle dafür notwendigen Kriterien«, erläutert Projektleiter Dr. Benjamin Balke von der Universität Mainz, Experte für die Materialentwicklung. »Die Metalllegierungen bestehen aus weit verbreiteten Rohstoffen, zum Beispiel Nickel, sind wesentlich umweltverträglicher als bisher eingesetzte Materialien, verfügen über gute thermoelektrische Eigenschaften und halten hohe Temperaturen aus.«
Effizientes Material im Kilomaßstab hergestellt
Die thermoelektrische Güte messen Ingenieure mit dem »ZT-Wert«. Von der Industrie gefordert werden Werte größer eins. Im Projekt »thermoHEUSLER« haben die Partner jetzt einen Wert von 1,2 erreicht. »Das entspricht den besten bisher veröffentlichten Werten für Halb-Heusler-Verbindungen«, sagt Bartholomé. Entscheidend für die industrielle Anwendung ist es, die im Labor erreichten Effizienzwerte auch in der Massenproduktion zu ereichen. Während »thermoHEUSLER« ist es der Vacuumschmelze und der Isabellen- hütte erstmals gelungen, dieses sehr effiziente Halb-Heusler-Material im Kilogrammmaßstab herzustellen. Die dabei synthetisierten Legierungen haben eine lange Tradition: Der deutsche Bergbauingenieur, Chemiker und Namensgeber Friedrich Heusler war einst Leiter der Isabellenhütte.
Thermoelektrische Module sind aus wenigen Millimeter großen Klötzchen zusammengesetzt. Diese bestehen aus zwei unterschiedlichen Typen thermoelektrischen Materials – dem n-Typ und dem p-Typ. Ein Knackpunkt für die Effizienz der Module ist das Design ihrer elektrischen Kontakte. Sie müssen große Temperaturunterschiede vertragen, langzeitstabil sein und gleichzeitig den elektrischen Widerstand möglichst gering halten. Genau das haben die Wissenschaftler im Projekt »thermoHEUSLER« mit einem speziell entwickelten Lötsystem geschafft.
Dass thermoelektrische Module zur Energieeffizienz im Automobil beitragen können, haben verschiedene internationale Konsortien gezeigt. Bis zu 600 Watt elektrische Leistung konnten Prototypen bereits aus der Abwärme am Abgasstrang eines Pkw erzeugen. »In Deutschland waren zu Jahresbeginn fast 60 Millionen Fahrzeuge registriert. Wären diese alle mit den kleinen thermoelektrischen Kraftwerken an der Abgasanlage ausgerüstet, ließe sich theoretisch schon heute Energie in einer Größenordnung einsparen, wie sie ein Kernkraftwerk jährlich produziert. Das entspricht in etwa einer Ersparnis von mehreren Millionen Tonnen CO2«, so Bartholomé.
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