Rotorblätter im Härtetest

In der neuen Testhalle können Ingenieure künftig Rotorblätter von bis zu 90 Metern Länge Belastungsprüfungen unterziehen.<br>

Wie mächtig ein Windrad ist, merkt man besonders, wenn man direkt neben ihm steht und die riesigen Blattspitzen herabsausen sieht. Gut 60 Meter messen die Rotorblätter der weltgrößten Anlagen heute – so viel wie drei schwere Lkws mit Auflieger hintereinander. Und sie sollen weiter wachsen.

Vor allem für den Einsatz besonders leistungsstarker Windenergieanlagen auf hoher See peilen die Hersteller in den nächsten zehn Jahren Blattlängen von bis zu 90 Metern an. Die Prototypen dieser Blatt-Monster werden getestet und zertifiziert, ehe die Serienproduktion beginnt. Entsprechend groß müssen die Testanlagen sein.

Testhalle für 90-Meter-Rotorblätter

Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Bremerhaven rüstet sich bereits jetzt für die Rotorblatt-Riesen. Im Frühsommer wird eine fast 30 Meter hohe Testhalle eingeweiht, in der Rotorblätter von bis zu 90 Metern Länge Belastungsprüfungen unterzogen werden können. Herzstück dieser Testanlage ist ein fast 1000 Tonnen schwerer Stahlbetonblock, der sich wie eine Klappbrücke kippen lässt. Mit ihm kann man die riesigen Rotorblätter wie einen Strohhalm verbiegen. Zunächst wird das Rotorblatt an seinem dicken Ende, dem Flansch, mit dem Kippblock fest verschraubt, so dass es wie eine leicht geöffnete Klappbrücke schräg nach oben in die Halle ragt. Dann montieren die Techniker entlang des Blattes Halteseile, die es am Hallenboden fixieren.

Außerdem montieren sie Hydraulikzylinder auf dem Hallenboden, über die kontrolliert Lasten auf das Blatt aufgetragen werden können. Sind alle Seile und Zylinder in Position, wird der Kippblock aktiv. Hydraulisch wird der Koloss langsam nach hinten gekippt. Dabei verbiegt sich das am Boden verspannte Blatt wie ein Lineal, das man an der Tischkante herab drückt. 25 Meter Durchbiegung an der Blattspitze werden bei solchen Tests spielend erreicht.

Langzeittest über vier Monate

Die IWES-Forscher haben bereits Erfahrung mit dem Test von Rotorblättern. So wurde in Bremerhaven 2009 eine Testhalle für Blätter mit einer Länge von bis zu 70 Metern in Betrieb genommen. Einen Kippblock aber gibt es in dieser Halle nicht. »Die Stärke des hydraulischen Kippblocks ist, dass der Testaufbau ideal angeordnet werden kann und dass er einen hochpräzisen und schnellen Test möglich macht«, sagt Falko Bürkner, Gruppenleiter Rotorblattprüfungen am IWES – etwa bei den Extrembelastungstests. Bei solchen Prüfungen wird das Blatt bis zur errechneten Maximalbelastung durchgespannt – 100 Prozent Last. Für die Hersteller ist das ein banger Moment. Hat man korrekt gerechnet, robust konstruiert? Natürlich werden mit dem Kippblock nicht nur Extrembelastungen getestet. Man ahmt auch das Drehen der Rotorblätter nach. So ändert sich mit jeder Umdrehung die Belastung – zunächst rauscht das Blatt in voller Fahrt hinab, dann wieder saust es mit Macht aufwärts. Durch dieses Auf und Ab wirken ständig wechselnde Kräfte auf den Kohle- oder Glasfaserkunststoff ein. »In keinem anderen rotierenden technischen System, gibt es so viele Lastwechsel mit derart hohen Materialbelastungen«, sagt Bürkner. Auch das wird in der Halle simuliert: Ein kleiner Hydraulikzylinder drückt und zieht im Sekundenrhythmus am Blatt und versetzt es so in seine Eigenschwingung – sowohl horizontal, als auch vertikal. Rund vier Monate dauert eine Prüfung mit allen Extrembelastungs- und Langzeittests. In dieser Zeit werden auf das Rotorblatt die Lasten aufgebracht, denen es normalerweise in einer 20-jährigen Betriebsdauer standhalten muss. Bürkner fühlt sich mit der neuen Halle für die Zukunft gut gerüstet.

»Wir sind bereits jetzt für das nächste Jahr ausgebucht – obwohl die Halle erst am 9. Juni 2011 eröffnet wird.« Auf der Hannover Messe (Halle 27, Stand H 24) zeigt das IWES vom 4. bis 8. April 2011 einen 3-D-Film über den Ablauf einer biaxialen Rotorblattprüfung. Zudem informieren die Experten über neue Testmöglichkeiten. Für die Öffentlichkeit öffnet das Rotorblatttestzentrum am 11. Juni mit einem Tag der offenen Tür von 11 bis 16 Uhr seine Pforten.

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Falko Bürkner Fraunhofer Mediendienst

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