Niedertemperaturplasmen: Die maßgeschneiderte Welle

Ein Mikroplasmajet, den die Forscherinnen und Forscher mittels Voltage Waveform Tailoring betreiben. Zwischen den beiden parallelen Elektroden leuchtet das Plasma. Durch eine Öffnung rechts gelangen die im Plasma erzeugten Reaktivteilchen, etwa atomarer Sauerstoff, in die Umgebung. Dort können sie dann mit Oberflächen wechselwirken.
© Damian Gorczany

Plasmen werden in der Industrie zum Beispiel eingesetzt, um Oberflächen gezielt zu verändern, etwa Brillengläser oder Displays zu beschichten oder mikroskopische Kanäle in Siliziumwafer zu ätzen – eine Milliarden-Dollar-Industrie. Allerdings könnten sie um ein Vielfaches effizienter arbeiten, wenn man ihre Aktivität gezielter steuert. Daran arbeitet Privatdozent Dr. Julian Schulze vom Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Durch den Einsatz von elektrischer Spannung mit optimiertem zeitlichen Verlauf der Spannungsform bei der Erzeugung des Plasmas konnte er eine fünfmal größere Dichte reaktiver Teilchen im Plasma erreichen.

Darüber berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der RUB.

Oberflächen modifizieren

Schulze konzentriert sich auf Plasmen, die bei Raumtemperatur entstehen, sogenannte Niedertemperaturplasmen. Sie werden für medizinische und industrielle Anwendungen gerne genutzt, weil sie die sie umgebenden Flächen nicht angreifen oder zerstören. Solche Plasmen können beispielsweise zwischen zwei Elektroden gezündet werden, deren eine geerdet ist, während an der anderen eine Spannung anliegt. Durch das Anlegen der Spannung entsteht an den Elektroden ein elektrisches Feld, das die negativ geladenen Elektronen von den Oberflächen abstößt, während es positiv geladene Ionen anzieht. Durch die schnelle Bewegung der Elektronen infolge dieser Beschleunigung können Neutralteilchen durch Stöße mit schnellen Elektronen angeregt werden. Dadurch leuchten Plasmen letztlich. Die Beschleunigung der Ionen auf die Oberfläche kann zur Oberflächenmodifikation genutzt werden.

Normalerweise legt man an die Elektrode eine sinusförmige Spannung an, auch in der Industrie. Dadurch werden die Elektronen auf eine bestimmte Art beschleunigt. Damit ist Julian Schulze aber nicht zufrieden: „Dabei bekommen viele Elektronen von der zugeführten Energie etwas ab, jedes einzelne von ihnen aber nicht genug, um andere Moleküle effizient zu zerschlagen und so hohe Reaktivteilchendichten zu erzeugen. Die Ionenenergieverteilung an den Grenzflächen kann nicht effizient kontrolliert werden“, verdeutlicht er. „Wir wollen die Energie nicht mit der Gießkanne auf Elektronen und Ionen verteilen, sondern gezielter einsetzen, sodass weniger Elektronen mehr Energie abbekommen und die Ionenenergie an Grenzflächen exakt eingestellt werden kann. Dadurch arbeiten Plasmen dann effizienter.“

Plasma kontrollieren und verbessern

Dazu hat sein Team mit der Form der an die Elektrode angelegten Spannung experimentiert und Simulationen angestellt. Das an der RUB entwickelte Verfahren nennt sich Voltage Waveform Tailoring, kurz VWT. Durch die Überlagerung mehrerer Frequenzen lassen sich verschiedene Spannungsformen erzeugen, deren Wirkung auf das Plasma die Forscherinnen und Forscher untersucht haben.

Es zeigte sich dabei, dass sich durch das Maßschneidern dieser Spannung die zeitliche und örtliche Verteilung der Energiezufuhr an die Elektronen des Plasmas kontrollieren und verbessern lässt. Analog lässt sich so die Ionenenergieverteilung an Grenzflächen einstellen. Bei Zufuhr derselben Menge an Energie vergrößert sich somit die Menge reaktiver Spezies, die im Plasma erzeugt wird. Ähnlich verhält es sich prinzipiell mit den Ionen: Auch hier kann die Beschleunigung der Ladungsträger in Ort und Zeit maßgeschneidert werden.

Bei Überlagerung zweier Frequenzen der an die Elektrode angelegten Spannung konnten die Forscher eine mehr als fünfmal größere Dichte der Teilchen messen. „Es ist möglich, die Dichte solcher Teilchen im Vergleich zum Anlegen der Sinusspannung zu verzehnfachen und durch Verstellen der Spannungsform zu kontrollieren“, erklärt Julian Schulze. Angesichts des Ausmaßes der Plasmanutzung in der Halbleiterindustrie wird die Tragweite dieser Verbesserung deutlich. „Jede Effizienzsteigerung bedeutet ökonomisch einen riesigen Effekt“, verdeutlicht der Forscher.

Ausführlicher Beitrag in Rubin

Einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema finden Sie im Wissenschaftsmagazin Rubin. Für redaktionelle Zwecke dürfen die Texte auf der Webseite unter Angabe der Quelle „Rubin – Ruhr-Universität Bochum“ sowie Bilder aus dem Downloadbereich unter Angabe des Copyrights und Beachtung der Nutzungsbedingungen honorarfrei verwendet werden.

Pressekontakt

Privatdozent Dr. Julian Schulze
Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 23482
E-Mail: schulze@aept.rub.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Privatdozent Dr. Julian Schulze
Lehrstuhl für Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 23482
E-Mail: schulze@aept.rub.de

Weitere Informationen:

https://news.rub.de/wissenschaft/2020-12-10-niedertemperaturplasmen-die-massgesc… – ausführlicher Beitrag in Rubin

Media Contact

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

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