Die hohe Kunst des Ätzens

Im MST-Lab&Fab Reinraum werden MST – winzige, in Halbleiter-Chips eingebunden Sensoren – hergestellt. Eine Forscherin bedient die Fertigungsmaschine. (© Fraunhofer IMS)<br>

Eine kurvige Landstraße – es ist dunkel, dicker Bodennebel hat sich gebildet. Vorsichtig fährt der Autofahrer in die nächste Kurve, als plötzlich eine Warnleuchte blinkt – ein gestürzter Motorradfahrer liegt auf der Straße.

Dank des intelligenten Assistenten ist der Fahrer gewarnt und kann rechtzeitig bremsen. Infrarotkameras sehen mehr als das bloße Auge und könnten den Straßenverkehr sicherer machen. Zwar sind Wärmebildkameras schon für bestimmte Anwendungen im Einsatz, etwa in der Bauindustrie oder beim Militär. Im mobilen Bereich aber, etwa bei Sicherheitssystemen in Fahrzeugen, sind solche Infrarotkameras bisher kaum verfügbar. Der Grund: Mikrosensoren für den Fern-Infrarotbereich lassen sich industriell bisher nur schwer produzieren.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg bieten nun eine Lösung an. Am 22. Juni eröffnen sie eine neue Anlage, in der die Herstellung solcher Mikrosystemtechnik, kurz MST, möglich ist. MST sind winzige Sensoren, Ventile oder andere mechanische Bauteile, die in Halbleiter-Chips eingebunden sind. In Airbags etwa dienen sie als Bewegungsmelder und sind nicht dicker als ein menschliches Haar. Sollen MST auf Halbleiter gebracht und integriert werden, muss man – wie die IMS-Forscher – die Kunst des Ätzens beherrschen.

Um MST auf einem Halbleiter aufzubringen, legt man drei Schichten aufeinander. Unten das Substrat, also den Silizium-Wafer, in der Mitte eine Opferschicht, die als Distanzhalter dient, und oben die Funktionsschicht. Anschließend ätzt man die Opferschicht so weg, dass die gewünschte Sensorstruktur erhalten bleibt. Das Problem: »Mit herkömmlichen Ätzprozessen können wir nur vertikal in die Schichten ätzen«, erklärt Dr. Marco Ruß, Projektleiter am IMS. »Doch für die mechanische Funktion vieler MST sind freitragende Strukturen entscheidend.« Mit anderen Worten: Der Ätzvorgang muss nicht nur vertikal funktionieren, sondern gleichmäßig in alle Richtungen. Experten nennen das »isotropes Ätzen«. Auf diese Weise frisst sich die Ätzsubstanz nicht nur vertikal bis zum Substrat. Vielmehr bohrt sie sich auch unter der Funktionsschicht wie ein Tunnel hindurch. Übrig bleibt eine freitragende Struktur der Funktionsschicht, nur hundert Nanometer dünn, die lediglich über bestimmte Aufhängungspunkte mit dem Substrat verbunden ist.

»Eine übliche Methode ist das Ätzen mit Flüssigkeiten«, sagt Ruß. Doch beim Trocknen der Ätzflüssigkeit können Kapillarkräfte entstehen. Die Folge: Die filigranen Membranen kleben am Substrat fest oder werden gar zerstört. Zudem erlauben die meisten Ätzflüssigkeiten nicht beliebige Materialkombinationen für die Funktions- und Opferschicht. »Mit unserer neuen Anlage umgehen wir diese Probleme«, sagt Ruß. Der Clou: »Statt einer Flüssigkeit können wir in den Prozesskammern der Maschine zweierlei Gase verwenden.« Diese sind hochselektiv: Wasserstofffluorid (HF) wirkt stark ätzend auf Siliziumdioxid, hat aber keinen Einfluss auf Silizium. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Gas Xenondifluorid (XeF2).

»So können wir wählen, welches Material als Funktionsschicht besser geeignet ist«, sagt Ruß. Die neue Anlage könnte die Herstellung von MST revolutionieren, da der Prozess im industriellen Maßstab hochpräzise funktioniert. Und: Ob thermische Detektoren, Beschleunigungs- und Drucksensoren oder Mikromaschinen – viele MST-Strukturen lassen sich so herstellen.

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Dr. rer. nat. Marco Ruß Fraunhofer Mediendienst

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