Innovative Systeme sowie professionelle Planung, Ausführung und Betriebsführung als Voraussetzung für Energieeffizienz

Unter dem Leitthema „Klimaschutz durch Heizen und Kühlen mit oberflächennaher Geothermie“ fand am 30. November 2005 in Biberach a. d. Riß der 2. Biberacher Geothermietag statt. Ziel der Veranstaltung war es, ein Forum für den praxisbezogenen Erfahrungsaustausch zwischen Hochschulen, Forschung, Planern, Industrie und Anwendern zu bieten. Der Schwerpunkt des Vortragsprogramms lag auf Planung, Bau und Betriebserfahrungen von ausgeführten Anlagen zur geothermischen Heizung und Kühlung von Gebäuden. Die Tagung wurde von der Bauakademie in Kooperation mit der Hochschule, der Energieagentur und der EnBW Regional AG in Biberach veranstaltet und vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg unterstützt.

Im einführenden Vortrag zeigte Walter Göppel, Energieagentur Ravensburg und Biberach, die herausragende Rolle der Region Bodensee-Oberschwaben bei der Nutzung verschiedenster regenerativer Energien auf und ging im Detail auf die oberflächennahe Geothermie ein. Bei einigen der vorgestellten größeren Pilotprojekte – von der Villa bis zum Bürogebäude – wurde statt der üblichen strombetriebenen Wärmepumpen mit Erdgas betriebene Gas-Absorptionswärmepumpen als kostengünstige und ökologische Alternative eingesetzt.

Die Nutzung oberflächennaher geothermischer Energien für Gebäude erfordert Denken im System, und zwar bereits bei der einfachen Wärmepumpenheizung für Wohngebäude. Prof. Floß, Hochschule Biberach, verdeutlichte, dass Wärmepumpen nur dann Primärenergie einsparen, wenn die gesamte Anlage fachkundig und sorgfältig geplant, ausgeführt und betrieben wird. Mängel aufgrund falscher Randbedingungen, z. B. bei den Systemtemperaturen, der hydraulischen Einbindung und der Regelung, sowie Ausführungsfehler können dagegen zu einem Mehrverbrauch an Energie führen. Dies gilt auch für die Planung und Ausführung von Erdwärmesondenanlagen, wie Manfred Reuß vom ZAE Bayern in seinem Vortrag über die Planung auf der Basis der VDI-Richtlinie 4640 erläuterte.

Während sich Kleinanlagen noch mit Hilfe einschlägiger Tabellen und Nomogramme bemessen lassen, ist für größere Anlagen der Einsatz von Computerprogrammen erforderlich. Qualität und Qualitätssicherung von Planung und Ausführung sind auch bei Erdwärmesonden entscheidend für den Erfolg.

Sobald in einem Gebäude neben der Heizung auch gekühlt werden muss, lohnt es sich, den Fokus zu erweitern: Geothermisches Heizen und Kühlen, also die doppelte Nutzung der geothermischen Quelle, lautet das Motto der Zukunft, zumindest bei größeren Projekten. Innerhalb der Stadt Biberach wird eine Reihe größerer Gebäude mit kombinierter geothermischer Heizung und Kühlung betrieben, bei denen Grundwasser als Wärmequelle dient. Die Schritte zur Realisierung einer solchen, aus Saug- und Schluckbrunnen bestehenden Anlage von der ersten Baugrunderkundung über tiefer gehende hydrogeologische Untersuchungen und Pumpversuche bis zur Ausführung zeigte Prof. Schrodi, Hochschule Biberach, am Beispiel des Neubaus der Gebhard-Müller-Schule im Berufsschulzentrum Biberach. Während bei diesem Projekt die Grundwassernutzung bereits von Beginn an im Blickfeld stand, wurde diese bei den Bürogebäuden im Ulmer Tor erst im Laufe des Planungsprozesses integriert. Der Vortrag von Rainer Fuchs (Sparkasse Immobilien) und der Fachplanerin Ulrike Lorinser zeigte auf, dass auch das „Hineinwachsen“ der Geothermie in ein laufendes Vorhaben zu einer funktionsfähigen Lösung führen kann.

Eine weitere Möglichkeit der Heizung und Kühlung mit Hilfe des Erdreichs sind horizontale, ein bis wenige Meter tief verlegte Luft-Erdreichwärmetauscher für Lüftungsanlagen. Für die Planung und Auslegung dieser Systeme wurde von der AG Solar NRW ein umfangreicher Planungsleitfaden erstellt. In seinem Vortrag ging einer der Hauptautoren dieses Leitfadens, Dr. Gerd Dibowski vom DLR Köln, auf die besondere Komplexität großer Anlagen für Nichtwohngebäude ein und zeigte Planungen, Simulationen sowie ausgeführte Anlagen und Messergebnisse aus dem Betrieb. Die umfangreichen Untersuchungen der AG Solar führten zu einfachen und praktikablen Faustregeln für die Vorplanung selbst großer und komplexer Erdreichwärmetauscher.

Trotz des erfreulichen Booms ist die oberflächennahe Geothermie zum einen nach wie vor „die Unterschätzte“ unter den regenerativen Energien, zum anderen werden letztendlich gemessenen Resultate ausgeführter Anlagen das tatsächlich umsetzbare Potenzial aufzeigen. Diese Schlussfolgerungen zog Prof. Koenigsdorff, Hochschule Biberach, aus seinem Vortrag über die Ergebnisse eigener Untersuchungen der Hochschule. In-Situ gemessene Leistungszahlen von Wärmepumpen zeigen, dass bei korrekter Auslegung und Betriebsweise sehr gute Werte im realen Gebäudebetrieb erreichbar sind. Allerdings sind Stand-By-Verbräuche und sonstige „parasitäre Stromverbraucher“ sowie eine planungsgemäße Ausführung und Betriebsweise sorgfältig im Auge zu behalten, damit die wirtschaftlichen und ökologischen Ziele nicht verfehlt werden. Darüber hinaus muss bei einem wachsenden Ausbau geothermischer Anlagen mit zunehmender Baudichte der Untergrund so bewirtschaftet werden, dass sich auch langfristig keine unerwünscht großen bzw. weit reichenden thermischen Veränderungen ergeben. Geothermisches Heizen und Kühlen als sich gegenseitig regenerierender Prozess kann hierbei eine bedeutende positive und innovative Rolle spielen.

Die Arbeiten der Hochschule zur oberflächennahen Geothermie und zur zugehörigen Gebäudetechnik fließen in vielfältiger Weise in die Studiengänge der Gebäudetechnik und Gebäudeklimatik der Hochschule Biberach ein. Der im kommenden Frühjahr startende Master-Studiengang Gebäudeklimatik ermöglicht den Studierenden auch die Vertiefung auf diesem Gebiet.

Eine vom Institut für angewandte Forschung der Hochschule organisierte Fachausstellung mit neun Ausstellern und der Wanderausstellung Erdwärme des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg rundete die Veranstaltung ab, die von den Teilnehmern durchweg als gelungen bezeichnet wurde. Mit insgesamt über 180 Teilnehmern lag auch die quantitative Resonanz noch etwas höher als im Vorjahr.

Eine CD mit der Dokumentation aller Vorträge ist zum Selbstkostenpreis bei der Bauakademie Biberach (Kontaktadresse siehe Info-Kasten) erhältlich. Der 3. Biberacher Geothermietag ist für den Herbst 2006 geplant. Zusätzlich befindet sich eine Planerschulung in Vorbereitung, in welcher die Auslegung von Wärmepumpen und Erdwärmesondenanlagen in Form eines Seminar-Workshops vermittelt wird.

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Anette Schober-Knitz idw

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