Wie Gräser ihren Stoffwechsel an Dürrezeiten anpassen: Gegenläufige Prozesse in Halmen und Wurzeln

Forschungsflächen zur Simulation von extremer Trockenheit und extrem starken Niederschlägen im Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG), Universität Bayreuth. Foto: Prof. Dr. Anke Jentsch; zur Veröffentlichung frei.

Können sie ihren Stoffwechsel so verändern, dass sie den „Dürrestress“ besser überstehen? Ein internationales Forschungsteam mit Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein und Prof. Dr. Anke Jentsch von der Universität Bayreuth hat diese Frage am Beispiel zweier weltweit verbreiteten Grasarten untersucht. Im Forschungsmagazin „Scientific Reports“ werden die Ergebnisse vorgestellt.

Die Forschungsarbeiten befassten sich insbesondere mit dem Metabolom der Gräser. Hierbei handelt sich um die Gesamtheit der Eigenschaften, die an den Stoffwechsel-Prozessen einer Pflanze mitwirken und dazu beitragen, dass die Pflanze lebt und überlebt, wächst und sich letztlich fortpflanzen kann. Von besonderer Bedeutung sind dabei u.a. Zuckermoleküle, Aminosäuren und Nukleotide sowie Kohlenstoff-, Stickstoff-, Phosphor- und Kalium-Moleküle.

Alle diese in den Stoffwechsel involvierten Substanzen werden in der Forschung als Metabolite bezeichnet. Die Forscherinnen und Forscher aus Bayreuth, Barcelona/ Spanien und Brünn/Tschechien haben nun mit hoher Genauigkeit analysiert, inwiefern die in den Gräsern enthaltenen Metabolite zeitlichen Schwankungen unterliegen. Dabei konnten sie Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Stoffwechsel-Prozesse ziehen. Die Grundlagen dieser Untersuchungen bildeten pflanzliche Proben von Biomasse, die bei Versuchen im Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG) der Universität Bayreuth gewonnen wurden.

Signifikante Stoffwechsel-Unterschiede in Halmen und Wurzeln

Bei den Analysen zeigten sich signifikante Unterschiede der Metabolome zwischen den Halmen und den Wurzeln der Gräser. Denn lebenswichtige Substanzen sind unterschiedlich verteilt: Nukleotide, die Grundbausteine des Erbguts, aber auch einzelne Kohlenstoff-, Stickstoff-, Phosphor- und Kalium-Moleküle liegen in den Grashalmen in viel höherer Konzentration vor als in den Wurzeln.

Umgekehrt enthalten die Wurzeln beispielsweise höhere Konzentrationen von Nitrogensäuren und löslichen Zuckermolekülen, die für die Aufnahme und Verwertung von Nährstoffen erforderlich ist.
Es ist aber nicht nur so, dass sich die Stoffwechselprozesse in den Halmen und Wurzeln individueller Pflanzen klar unterscheiden.

Analysen von Gräsern verwandter Arten ergaben, dass Stoffwechselprozesse in den Halmen stärker variieren, als Stoffwechselprozesse in den Wurzeln. Kurz gesagt: Über dem Erdboden sind Artenunterschiede signifikanter ausgeprägt als im Wurzelraum. Darüber hinaus ändert sich der Stoffwechsel in den Halmen mit dem Wechsel der Jahreszeiten stärker als in den Wurzeln. Diese verhalten sich bei jahreszeitlich bedingten Wetterschwankungen vergleichsweise „konservativ“.

Entgegengesetzte Stoffwechsel-Reaktionen auf extreme Dürre –
Bildung einer ‚eisernen Ration‘ in den Wurzeln

Von besonderem Interesse für die Ökologie und die Klimaforschung sind die Reaktionen der Gräser auf eine längere Dürreperioden. Auf den Forschungsflächen des Ökologisch-Botanischen Gartens wurden die Witterungsverhältnisse, die für ein solches Extremereignis charakteristisch sind, künstlich herbeigeführt. Dabei reagierten die Halme der Gräser und ihre Wurzeln auf gegenläufige Weise.

Die Stoffwechsel-Aktivitäten in den Halmen – insbesondere die Prozesse der Photosynthese – wurden heruntergefahren. Dadurch sank die Konzentration der in den Halmen gespeicherten Photosynthese-Produkte, insbesondere die Anteile von Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Gleichzeitig aber waren in den Wurzeln deutlich stimulierte Stoffwechsel-Prozesse nachweisbar.

Denn intensiver als unter ‚normalen“ klimatischen Verhältnissen war der Stoffwechsel der Gräser darauf ausgerichtet, Wasser und Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen. Infolgedessen stiegen in den Wurzeln die Konzentrationen von Zucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Es stellte sich somit heraus, dass Untersuchungen zur Ernährungssituation von Pflanzen nur eine eingeschränkte Aussagekraft haben, wenn sie sich – wie oft üblich – allein mit oberirdischen Proben befassen.

„Offensichtlich sind die Pflanzen imstande, ihren Stoffwechsel an Dürreperioden anzupassen und deren Folgen bis zu einem gewissen Grad aufzufangen“, erklärt Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Biogeografie leitet. „Indem lebens- und überlebenswichtige Nährstoffe bei extremer Trockenheit vermehrt in den Wurzeln statt in den Halmen gespeichert werden, bilden die Gräser unterirdisch eine ‚eiserne Ration‘, die es ihnen ermöglicht, zumindest kürzere Dürreperioden weitgehend unbeschadet zu überstehen. Dies könnte erklären, weshalb die Biomasse von Gräsern und anderen Pflanzen während der Dürreperioden in geringerem Umfang abstirbt, als eigentlich zu erwarten wäre.“

Veröffentlichung:

Albert Gargallo-Garriga, Jordi Sardans, Míriam Pérez-Trujillo,, Albert Rivas-Ubach, Michal Oravec, Kristyna Vecerova, Otmar Urban, Anke Jentsch, Juergen Kreyling, Carl Beierkuhnlein, Teodor Parella und Josep Penuelas,
Opposite metabolic responses of shoots and roots to drought,
in: Scientific reports 4:6829, DOI: 10.1038/srep06829

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein
Lehrstuhl für Biogeografie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
Telefon: +49 (0)921 / 55-2270
E-Mail: carl.beierkuhnlein@uni-bayreuth.de

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Christian Wißler Universität Bayreuth

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