Wichtiger Mechanismus für Fruchtbarkeit gefunden

Befruchtungsvorgang mit und ohne Fetuin-B<br>Abb.: Walter Stöcker, Institut für Zoologie, JGU<br>

Wissenschaftler aus Mainz und Aachen haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der die Fruchtbarkeit steuert und der vielleicht in Zukunft zu therapeutischen Zwecken genutzt werden kann. Wie Univ.-Prof. Dr. Walter Stöcker von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) mitteilt, spielt bei der Befruchtung der Eizellen das Blutprotein Fetuin-B eine bislang nicht gekannte, wichtige Rolle.

Fetuin-B wurde im Jahr 2000 entdeckt. Es wird in der Leber gebildet und von dort ins Blut abgegeben. In einer Forschungskooperation mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen um Prof. Dr. Willi Jahnen-Dechent vom Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik stellte sich heraus, dass Fetuin-B zur Fruchtbarkeit der Eizellen beiträgt, indem es die Aushärtung der schützenden Zona pellucida reguliert. Die Untersuchungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Developmental Cell veröffentlicht.

Die Wissenschaftler aus Aachen hatten festgestellt, dass weibliche Mäuse ohne Fetuin-B unfruchtbar waren, obwohl sich die Eierstöcke wie üblich entwickelten. Bei einem Transfer der Eierstöcke in Wildtyp-Mäuse mit einer normalen Produktion von Fetuin-B war die Fruchtbarkeit wiederhergestellt. „Dies hat gezeigt, dass es nicht an den Ovarien selbst, sondern nur an dem Plasmaprotein Fetuin-B lag, ob die Mäuse fruchtbar waren oder nicht“, erklärt Stöcker, Professor am Institut für Zoologie der JGU.
In der Arbeit mit den Aachener Kollegen wurde die Rolle des Plasmaproteins Fetuin-B entschlüsselt. Der Mechanismus scheint wie folgt zu funktionieren: Eizellen von Menschen und anderen Säugetieren sind von einer Hülle umgeben, die Zona pellucida genannt wird. Diese Schutzhülle verhärtet unmittelbar nach einer erfolgreichen Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium und blockt dadurch weitere, nachfolgende Spermien ab, sodass die Eizelle vor Mehrfachbefruchtung (Polyspermie) geschützt ist. Polyspermie führt bei vielen Säugetieren zum Absterben des Embryos. Die Verhärtung der Zona pellucida wird durch das eiweißspaltende Enzym Ovastacin ausgelöst, dessen Funktion in der Mainzer Arbeitsgruppe von Prof. Stöcker seit geraumer Zeit erforscht wird. Die Protease Ovastacin ist in Vesikeln innerhalb der Eizelle gespeichert, die sich beim Eindringen des ersten Spermiums in der sogenannten Kortikalreaktion explosionsartig in den Spalt zwischen Eizelle und Zona pellucida entleeren.

Nun sickern aber auch aus der unbefruchteten Eizelle ständig kleine Mengen Ovastacin nach außen, sodass die Zona verhärtet noch bevor das erste Spermium überhaupt eindringen kann. „Fetuin-B sorgt jedoch dafür, dass die kleine Menge Ovastacin, die ständig durchsickert, inaktiviert wird und die Eizelle befruchtungsfähig bleibt“, erklärt Stöcker. „Dringt jedoch ein Spermium ein, kommt es zur Kortikalreaktion und die Ovastacin-Konzentration wird so hoch, dass Fetuin-B nichts mehr ausrichten kann und die Verhärtung erfolgt.“

Es ist das erste Mal, dass die vorzeitige Verhärtung der Zona pellucida als Ursache von Unfruchtbarkeit beschrieben wird. Möglicherweise könnten hier künftige Therapien zur Behandlung von Unfruchtbarkeit ansetzen.
Veröffentlichung:
Eileen Dietzel, Jennifer Wessling et al.
Fetuin-B, a Liver-Derived Plasma Protein Is Essential for Fertilization
Developmental Cell, 4. April 2013
DOI: 10.1016/j.devcel.2013.03.001

Weitere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Walter Stöcker
Zell- und Matrixbiologie
Institut für Zoologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-24273
Fax +49 6131 39-23835
E-Mail: stoecker@uni-mainz.de
http://www.bio.uni-mainz.de/zoo/stoecker/

Weitere Links:
http://www.cell.com/developmental-cell/abstract/S1534-5807%2813%2900132-9 (Abstract)

Media Contact

Petra Giegerich idw

Weitere Informationen:

http://www.bio.uni-mainz.de

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