Wenn dem Gehirn die Energie wegbleibt

Prof. Dr. Christine Rose ist Sprecherin der neuen Forschergruppe FOR 2795. HHU / Karl Kafitz

Wird die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gehirns beeinträchtigt – etwa bei einem Schlaganfall –, werden die Nervenzellen bereits nach kurzer Zeit irreversibel geschädigt. Die neue Forschergruppe „Synapses under stress“ aus Bochum, Bonn, Düsseldorf, Jülich, Münster und Twente konzentriert sich auf die sehr früh ablaufenden Prozesse nach einer Mangelversorgung. Sprecherin des mit rund zwei Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts ist die Neurobiologin Prof. Dr. Christine Rose von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU).

Das Gehirn ist das Organ mit dem höchsten Energieverbrauch pro Kilogramm Körpergewicht. Seine Funktion ist strikt abhängig von einer konstanten Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Wird der Blutfluss zum Gehirn nur für wenige Minuten unterbrochen, führt dies zu irreversiblen neuronalen Schäden.

Bekanntestes Beispiel ist der Schlaganfall: Hier kommt es durch den Verschluss einer Gehirnarterie zu einer massiven Unterversorgung bestimmter Teile des Gehirns, was zum Absterben von Nervenzellen und damit zu zum Teil großen neurologischen Beeinträchtigungen führt. Im Kontext der Entwicklung solcher Hirnschäden ist dabei das Phänomen des „nachgeschalteten Zelltodes“, der nach Stunden bis Tagen auftritt, gut beschrieben.

Wenig bekannt sind dagegen die frühen Prozesse, die durch Unterbrechung der Energieversorgung in Gehirnzellen hervorgerufen werden. Hier setzt, unter Federführung von Prof. Dr. Christine Rose vom HHU-Institut für Neurobiologie, die DFG-geförderte Forschergruppe FOR 2795 „Synapses under stress: Early events induced by metabolic failure at glutamatergic synapses“ an.

Institute von fünf Universitäten erforschen hierin zusammen mit dem Forschungszentrum Jülich und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn unterschiedliche Aspekte der mangelhaften Energieversorgung des Gehirns mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung. Möglich geworden wurde dies erst durch moderne molekulare Werkzeuge und kürzlich eingeführte hoch- und höchst-auflösende bildgebende Verfahren.

Die Forscherinnen und Forscher werden die frühen zellulären Antworten nach Unterbrechung der Energieversorgung an Synapsen in den Blick nehmen. Wesentlich hierbei ist die Einbeziehung von Gliazellen (Astrozyten) in die synaptische Funktion, welches eine neue Sichtweise auf die Mechanismen des später folgenden Zelltodes eröffnet. In bisherigen Untersuchungen wurde die Rolle der Gliazellen wenig berücksichtigt.

Die mithilfe von molekularbiologischen, biochemischen, elektrophysiologischen, bildgebenden und optogenetischen gewonnenen experimentellen Daten gehen in ein mathematisches Modell ein. Dieses soll es ermöglichen, die Vorgänge an Synapsen „in silico“ – also im Computer – zu simulieren.

Die Forschergruppe FOR 2795 will die molekularen und zellulären Prozesse an Synapsen verstehen, die in direkter Abhängigkeit vom zellulären Energiestatus stehen. Außerdem will sie Mechanismen identifizieren, die für akute Störungen der synaptischen Funktion sowie für Zellschädigungen nach Zusammenbruch der Energieversorgung verantwortlich sind. Dieses ganzheitliche Verständnis wird gebraucht, um bessere therapeutische Strategien zur Behandlung von Schlaganfall-induzierten Hirnschädigungen zu entwickeln.

Forschergruppe FOR 2795

Die Forschergruppe nimmt Anfang 2019 ihre Arbeit auf. Sie wird mit insgesamt rund 2,2 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für drei Jahre gefördert, wobei sich der Anteil der HHU auf rund 770.000 Euro beläuft.

Von den insgesamt zehn Teilprojekten sind vier an der HHU angesiedelt, teilweise in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich. Weitere Teilprojekte finden an den Universitäten Bochum, Bonn, Münster und Twente (Niederlande) statt sowie am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Bonn. Gemein ist allen Teilprojekten eine gemeinsame Strategie für die Induktion von metabolischem Stress. Sie nehmen jedoch jeweils unterschiedlich komplexe Zellsysteme in den Blick, von Zellkulturen über Gewebeproben bis hin zu lebenden („in vivo“) Systemen und einer computergestützten Modellierung.

Sprecherin ist Prof. Dr. Christine Rose, stellvertretender Sprecher Prof. Dr. Christoph Fahlke, der als W3-Professor für Biophysik der Zelle an der HHU lehrt. Er ist gleichzeitig Direktor des Instituts für Zelluläre Biophysik am Forschungszentrum Jülich.

Media Contact

Dr.rer.nat. Arne Claussen idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.hhu.de/

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