Wegweiser zum Muskel: Schlüsselfaktor für die Entwicklung des peripheren Nervensystems entdeckt

Li: Norm. Aussprossung von Nerven a. d. Rückenmark (grün), die mit ihren Muskeln (rot) eine Verbindung (gelb) eingehen. Re: Nach Inaktiv. von ASC-1 sind weniger Nerven vorhanden.

Die willkürliche Bewegung von Menschen und Tieren erfordert das hochpräzise Zusammenspiel von Nerven, Muskeln und Knochen. Doch wie entsteht diese „Neuromuskuläre Einheit“ während der frühen Embryonalentwicklung und welche Gene spielen hierbei eine Rolle?

„Diese Fragen stellten wir uns insbesondere bei einigen Patienten, die bereits mit Knochenbrüchen auf die Welt kamen und sich schon als Neugeborene weder richtig bewegen noch selbständig atmen konnten“, erklärt Dr. Ellen Knierim vom NeuroCure Clinical Research Center der Charité und Erstautorin der Studie. „Bei dem Versuch, die Ursachen der Krankheit aufzuklären haben uns moderne Techniken wie die Gensequenzierung und Bioinformatik geholfen“, fügt sie hinzu.

Auf diese Weise identifizierten die Wissenschaftler im Erbgut der Patienten Mutationen in dem Eiweißkomplex ASC-1. Sie fanden heraus, dass ASC-1 zahlreiche Faktoren steuert, die den peripheren motorischen Nerv bei seinem Wachstum aus dem Rückenmark heraus genau zur der für ihn bestimmten Muskelgruppe leitet.

Parallel dazu untersuchten die Forscher um Prof. Hiromi Hirata von der Aoyama Gakuin Universität in Japan die Funktion des ASC-1 Komplexes bei Zebrafischen. Dessen künstliche Ausschaltung führte zur Lähmung der Fische. Hirata konnte in den fast durchsichtigen Fischlarven nachweisen, dass die aus dem Rückenmark auswachsenden Nerven ihre Muskeln nicht fanden.

„Als sogenannter „Transkriptionsfaktor“ steuert der ASC-1 Komplex das exakte An- und Ausschalten von Nervenwachstumsfaktoren“, erläutert Prof. Markus Schuelke, Leiter der Arbeitsgruppe an der Charité. „Diese Faktoren halten den Nerven bei seinem Wachstum wie auf einer Fahrbahn zwischen den Leitplanken, damit er seinen Bestimmungsort sicher finden kann“, fügt er hinzu.

In weiteren Untersuchungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der ASC-1 Komplex mit einem bestimmten Protein (CSRP1) kooperiert. Aus der Forschung an Zebrafischen war dieses Molekül schon länger bekannt. Dort spielt es nach Verletzungen des Rückenmarks eine wichtige Rolle bei der Heilung. Im Gegensatz zum Menschen kann der Zebrafisch sein Rückenmark selbst nach vollständiger Durchtrennung wieder regenerieren. Bei diesem Prozess scheint das CSRP1-Protein eine wichtige Rolle zu spielen.

Prof. Schuelke betont: „Unsere Ergebnisse liefern ein gutes Bespiel dafür, wie man durch die Aufklärung seltener genetischer Krankheiten Erkenntnisse über allgemeine Mechanismen gewinnen kann, die auch bei anderen Krankheiten, wie beispielsweise der Querschnittlähmung, eine wichtige Rolle spielen und künftig für die Entwicklung regenerativer Therapien genutzt werden können.“

Originalpublikation: Knierim E., Hirata H., Wolf N.I., Morales-Gonzalez S, Schottmann G., Tanaka Y, Rudnik-Schöneborn S., Orgeur M., Zerres K., Vogt S., van Riesen A., Gill E., Seifert F., Zwirner A., Kirschner J., Goebel HH., Hübner C., Stricker S., Meierhofer D, Stenzel W., Schuelke M. Mutations in Subunits of the Activating Signal Cointegrator 1 Complex Are Associated with Prenatal Spinal Muscular Atrophy and Congenital Bone Fractures. The American Journal of Human Genetics. Available online 25 February 2016, ISSN 0002-9297, http://dx.doi.org/10.1016/j.ajhg.2016.01.006.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Markus Schuelke
Klinik für Pädiatrie m. S. Neurologie
Campus Virchow Klinikum
t: +49 30 450 566 468 / -112
Email: markus.schuelke@charite.de

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Dr. Julia Biederlack idw - Informationsdienst Wissenschaft

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