Vier Gene beeinflussen die Teilungsfähigkeit insulinproduzierender Zellen

Inselzellen der Maus, die das Gen Ifi202b überexprimieren (grün). Die Zellkerne der sich nicht teilenden Zellen sind blau. Die der sich teilenden Zellen sind pink. Maßstab: 50 Mikrometer Fotoquelle: DIfE

„Unsere Resultate geben einen tiefen Einblick in die Mechanismen, die der Diabetesentstehung zu Grunde liegen und machen deren Komplexität deutlich“, sagt Erstautor Oliver Kluth vom DIfE.

Das Forscherteam, zu dem auch Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard-Karls- Universität Tübingen sowie Mediziner des Universitätsklinikums Tübingen gehören, veröffentlichten ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift PLOS Genetics (Kluth et al. 2015; DOI:10.1371/journal.pgen.1005506; http://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1005506).

Das Hormon Insulin regt die Fett- und Muskelzellen dazu an, Traubenzucker aus dem Blut aufzunehmen, um sich mit Energie zu versorgen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist jedoch die Signalwirkung von Insulin gestört. Mediziner sprechen auch von einer Insulinresistenz.

Zu Beginn der Erkrankung versucht der Körper diese Insulinunempfindlichkeit der Zellen auszugleichen, indem er mehr Insulin als normal über die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse freisetzt. Im weiteren Krankheitsverlauf ermüden diese Zellen aber zusehends und sterben mit der Zeit ab, wodurch es zu einem Insulinmangel kommt. Ursache hierfür sind erhöhte Zucker- und Fettsäurespiegel im Blut, aber auch die genetische Veranlagung spielt anscheinend für die Lebenszeit der Beta-Zellen eine Rolle.

Um mehr über die molekularen Mechanismen zu erfahren, die beim Vorliegen einer Insulinresistenz für die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen entscheidend sind, sowie die Gene zu identifizieren, die hierfür eine Rolle spielen, verglichen die Wissenschaftler die physiologischen Veränderungen und Genaktivitäten der Beta-Zellen von zwei verschiedenen Mausstämmen in vivo und in vitro.

Sowohl die New-Zealand obese (NZO)-Maus als auch die B6-ob/ob-Maus haben einen natürlichen Hang zu Übergewicht, wobei jedoch nur der Stamm der NZO-Maus anfällig für Diabetes ist. Ein Phänomen, das sich auch am Menschen beobachten lässt, denn nicht jeder übergewichtige Mensch ist gleichsam für die Krankheit empfänglich.

Die Tiere erhielten bis zu einem Alter von 18 Wochen eine fettreiche, aber kohlenhydratfreie Kost, wodurch beide Mausstämme kräftig an Gewicht zunahmen. Ihre Blutzuckerspiegel erhöhten sich während dieser Zeit nicht. Bekamen die Mäuse dann auch Kohlenhydrate zu fressen, stieg schon nach wenigen Tagen der Blutzuckerspiegel in der für Diabetes anfälligen NZO-Maus merklich an.

Zudem führte das kohlenhydrathaltige Futter bei diesen Tieren zu einem Absterben der Beta-Zellen durch Apoptose (programmierter Zelltod). Die Beta-Zellen des anderen Mausstamms waren dagegen nicht nur vor dem Absterben geschützt, ihre Zahl nahm sogar auch noch weiter zu. Die hiermit verbundene gesteigerte Insulinproduktion normalisierte die am Anfang auch noch bei diesen Tieren erhöhten Blutzuckerspiegel, so dass die Tiere nicht an Diabetes erkrankten.

„Wie unsere Daten annehmen lassen, ist die unterschiedliche Reaktion der Beta-Zellen auf vier Gene zurückzuführen. Untersuchungen an isolierten Beta-Zellen machen deutlich, dass eine erhöhte Aktivität der Gene Lefty1, ApoA2 und Pcp4l1 die Zellteilung stimuliert und letztendlich die B6-ob/ob-Mäuse vor Diabetes schützt. Dagegen bewirkt eine gesteigerte Genaktivität von Ifi202b bei den NZO-Mäusen das Gegenteil“, erklärt Biochemiker Kluth.

„Auch beim Menschen spielt zumindest ein Teil der von uns identifizierten Gene anscheinend eine Rolle für Diabetes. Wie Humanstudien unserer Kooperationspartner zeigen, waren zwei verschiedene Varianten des menschlichen Gens für Lefty1 mit einer veränderten Insulinfreisetzung assoziiert“, ergänzt Studienleiterin Schürmann. „Zudem beobachteten Forscher an Studienteilnehmern in Utah einen Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Varianten des menschlichen APOA2-Gens“, so die Wissenschaftlerin weiter.

„Gene zu identifizieren, die sowohl bei der Maus als auch beim Menschen eine Rolle spielen, ist von entscheidendem Vorteil“, sagt Kluth. Denn so könne man die Genfunktionen und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen der Glucotoxizität* und Diabetesentstehung am Modellsystem der Maus detailliert unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen seien solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich.

Hintergrundinformation:

* Erhöhte Blutzuckerspiegel wirken auf viele Gewebe toxisch. Wissenschaftler sprechen daher auch von einer Glucotoxizität.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz- Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr unter www.dzd-ev.de

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