Vielfalt, Viren und Behandlung – neue Fledermausfamilie entdeckt

Hipposideros pomona, Hipposideridae Foto: Dr. Sébastien J. Puechmaille

Interessiert waren die Wissenschaftler bei den Untersuchungen auch an speziellen Viren, die von diesen Fledermäusen auf den Menschen übertragen werden können. Diese Erkenntnisse wurden in der führenden wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Molecular Biology and Evolution“ veröffentlicht. An dem Forschungsprojekt war der Greifswalder Wissenschaftler Dr. Sébastien Puechmaille vom Zoologischen Institut und Museum beteiligt.

Während des Forschungsprojektes sammelte eine Gruppe Forscher aus Australien, Deutschland, Madagaskar, Südafrika, Thailand, den USA und Vietnam unter irischer Führung weltweit DNA dieser Fledermäuse und vervielfältigte und sequenzierte die DNA von 19 Genen. Sie analysierten diese Daten und erstellten Stammbäume, um die Beziehungen der Fledermäuse im Rahmen ihrer Entwicklungsgeschichte herauszufinden.

Sie justierten mit Hilfe von Fledermausfossilien eine molekulare Uhr und entdeckten die Entstehungszeit und die Ursprungsgebiete verschiedener Fledermausgruppen. Die neu bestimmte Fledermausfamilie Rhinonycteridae entstand vor ca. 39 Millionen Jahren in Afrika und lebt heute in Afrika, Asien und Australien. Eine genauere Untersuchung dieser Fledermausgruppe zeigte, dass sie ein einzigartig geformtes Nasenblatt besitzen. Es wird vermutet, dass sie damit ihre besonderen Rufe zur Echoortung ausstößt.

Wissen um die stammesgeschichtlichen Beziehungen der Fledermäuse ist für die menschliche Gesundheit sehr bedeutsam, da einige Arten als Ursprung für das Auftreten der für den Menschen tödlichen Coronaviren SARS und MERS gelten. Für Fledermäuse sind sie hingegen offensichtlich harmlos.

Um nachvollziehen zu können, wie sie mit diesen Viren leben können und vielleicht Vorhersagen bezüglich eines möglichen Neuauftretens dieser Krankheiten machen zu können, ist eine genauere Untersuchung der Mitglieder der Rhinonycteridae wichtig.

„Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchungen besteht in der Entdeckung, dass sich die Rhinonycteridae sowohl von den Hufeisennasenfledermäusen als auch den Rundblattnasenfledermäusen unterscheiden und eine alte Fledermausfamilie sind, die auf weitere Coronaviren, zum Beispiel die für SARS verantwortlichen Viren, untersucht werden sollte. Denn von diesen Arten, die offensichtlich nicht von den Coronaviren beeinträchtigt werden, erhalten wir eventuell die Antwort darauf, wie wir uns gegen diese Krankheiten schützen können“, so Prof. Emma Teeling (University College Dublin, Irland), Seniorautorin des wissenschaftlichen Artikels.

Der neue erstellte Stammbaum legt nahe, dass Fledermausarten in Afrika, Australien und Asien, die vorher nicht berücksichtigt wurden, zukünftig überwacht werden müssen, um mögliche Krankheitsausbrüche besser vorhersagen zu können und somit eine bessere Kontrolle über potenziell auftretende Viruserkrankungen zu haben. Die Untersuchungen belegen aber auch, wie wichtig globaler Artenschutz ist. Co-Autor, Dr. Kyle Armstrong von der University of Adelaide, der an der formellen Benennung der neuen Familie beteiligt war, sagt:

„Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass die Taxonomie nicht einfach die ,schrullige‘ Seite der Wissenschaft ist – es zeigt die lange und eigenständige entwicklungsgeschichtliche Vergangenheit dieser Fledermaus-Gruppe, von der wir früher annahmen, dass sie nur ,etwas anders‘ sei. In Australien zieht dies nun eine größere Wertschätzung der Goldenen Rundblattnasefledermäuse nach sich. Sie sind die letzten einsamen Überlebenden einer in neue Lebensräume ausgebreiteten Gruppe dieser Familie aus dem Miozän – also vor rund 23 bis 5 Millionen Jahren. Momentan habe die Tiere unter dem Bergbau zu leiden.“

Wie von Steven Goodman (Field Museum of Natural History, Chicago) erwähnt, „bieten die Schlussfolgerungen dieser Studie einen wichtigen Einblick in mehrere, in Madagaskar vorkommende Arten von Rhinonycteridae, sowohl was deren Entwicklungsgeschichte als auch zukünftigen Schutz betrifft“. Hauptautorin Nicole Foley vom University College Dublin, Irland, bemerkt: „Diese Abhandlung ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie die Naturschutzbiologie, hochmoderne Genanalysen und die Evolutionstheorie miteinander verbunden werden können, um einige der größten Herausforderungen, denen sich die Menschheit heute gegenüber sieht, zu bewältigen.“

Es ist absolut notwendig, dass die Artenvielfalt auf der Erde verstanden wird, wenn wir Menschen unsere Interaktionen mit der natürlichen Umgebung schützen, nutzen und optimieren möchten. Dafür müssen verschiedene Arten bestimmt und gezählt werden, um zu verstehen, ob deren Populationen in Anbetracht der Veränderung der Erde durch den Menschen wachsen oder abnehmen. Die Taxonomie bzw. die Klassifizierung von Arten spielt beim Verstehen dieser Artenvielfalt eine wichtige Rolle. In der Vergangenheit basierte die Bestimmung von Arten hauptsächlich auf anatomischen Eigenschaften, die manchmal jedoch nicht für die Aufgabenstellung geeignet sind, und dies führte zu vielen wissenschaftlichen Diskussionen.

Das Forschungsvorhaben wurde teilweise durch die Science Foundation Ireland, ein IRCSET-Marie Curie International Mobility Fellowship-Stipendium für Wissenschaft, Ingenieurwesen und Technik, den Europäischen Forschungsrat sowie das European Community Research Infrastructure Action SYNTHESYS-Projekt unterstützt.

Weitere Informationen
Artikel in der Fachzeitschrift „Molecular Biology and Evolution“
http://mbe.oxfordjournals.org/content/32/2/313.full

Hipposideros pomona, Hipposideridae
Foto: Dr. Sébastien J. Puechmaille
Das Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung kostenlos heruntergeladen und genutzt werden. Dabei ist der Name des Bildautors zu nennen.
Fotodownload: http://tinyurl.com/ndohw45

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Dr. Sébastien Puechmaille
Zoologisches Institut und Museum
AG Angewandte Zoologie und Naturschutz
Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12
17489 Greifswald
Telefon +49 3834 86-4068
s.puechmaille@gmail.com

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Jan Meßerschmidt idw - Informationsdienst Wissenschaft

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